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11 Seiten

Postzustellung

Romane/Serien · Schauriges
„ Ich verstehe gar nicht, wie ich in so eine Situation geraten konnte, ehrlich.“ Maria zog an ihrer Zigarette und blies den Rauch aus. „ Ich sagte ja schon, schon mehrmals, das ich im Grunde genommen überhaupt nichts mit der Sache zu tun habe. Ich habe nur das Päckchen angenommen. Das war alles.“
Sie sah auf ihre Hände und stellte fest, wie weiß sie waren.
Ein weiterer Officer betrat den kleinen, karg eingerichteten Raum und lehnte sich lässig an die Wand. Er verschränkte die Arme vor der Brust.
Der andere Officer, dessen Namen sie schon wieder vergessen hatte, saß ihr an dem keinen weißen Tisch gegenüber.
Unter anderen Umständen fände sie ihn durchaus attraktiv. Er war so Mitte dreißig, hatte dunkelbraunes, volles Haare, das an den Schläfen schon ein wenig ergraute.
Er blickte sie neugierig mit Haselnussaugen an. Vor ihr auf dem Tisch standen ein Aschenbecher, der schon einiges ihrer kalt gewordenen Asche beinhaltete. Und ein Mikrofon, mit dem jedes ihrer Worte aufgezeichnet wurde. An der Wand, die ihr gegenüberlag, war ein großer Spiegel angebracht. Aber natürlich war es kein Spiegel, sondern nur Spiegelglas. Dahinter saßen vermutlich weitere Polizisten und beobachteten sie genau.
Der Officer, der gerade den Raum betreten hatte, schwang sich von der Wand und nahm sich einen Stuhl aus einer Ecke des Raumes.
Er setzte sich links von ihr an den Tisch und fischte eine Schachtel Zigaretten aus der Brusttasche seines Hemdes.
Er öffnete sie und hielt Maria die Schachtel hin.
Sie nahm sich eine, steckte sie zwischen ihren Lippen und ließ sich Feuer geben.
„ Fangen wir doch noch einmal ganz von vorne an,“ sagte er .
„Aber diesmal ganz langsam, und lassen Sie nichts aus.“
Maria stöhnte und wischte sich mit den Handflächen über die Augen.
„Wie gesagt, alles begann am Montag Nachmittag als der Postbote an unserer Haustür schellte. Er hatte ein Päckchen. Ein Päckchen für unsere Nachbarn, und..........“


................ der Hund kläffte wieder einmal, als er merkte, das jemand an der Tür stand. Maria kam gerade aus dem Keller, wo sie Wäsche aufgehangen hatte. Entnervt stellte sie den leeren Wäschekorb auf den Boden und lief zur Tür.
Der dickliche Postbote lächelte sie durch das Glas ihrer Tür hindurch freundlich an und deutete auf den Hund.
Maria packte Stubsy an seinem Halsband und zerrte ihn ins Wohnzimmer.
„ Tut mir echt leid,“ sagte sie, als sie die Tür öffnete.
Der Postbote zuckte gleichgültig die Schultern und grinste. Er trug ein kleines gelbes Postpäckchen bei sich.“ Ihre Nachbarn sind nicht da, wieder einmal nicht. Ich versuche es schon seit zwei Tagen zuzustellen. Könnten Sie es an sich nehmen, und es ihnen zukommen lassen, wenn sie wieder da sind?“
Maria kannte keinen Grund der dagegen sprechen könnte. Sie unterschrieb auf einem gelben Zettel, den der Postbote ihr entgegenhielt und legte das Päckchen auf ihre Kommode in den Flur.
Dann dachte sie den ganzen Tag nicht mehr daran, bis zum Spätfilm am Abend.

Sie war gerade dabei sich Chips und ein Bierchen auf den Tisch zu stellen, als sie aus den Augenwinkel das Päckchen sah. „ Das hatte ich ja ganz vergessen,“ sagte sie mehr zu sich selbst, obwohl Stubsy die Ohren aufstellte.
„Das muß ich noch eben rüber bringen“ murmelte sie, nahm sich das Päckchen und zog sich eine leichte Jacke über.
Das Haus ihr gegenüber war dunkel. In den Fenstern brannte kein Licht, und auch die kleine Lampe an der Garage war aus.
Maria ging über das kleine Rasenstück zum hinteren Teil des Gebäudes und suchte nach dem Fenster zum Elternschlafzimmer.
Sie legte die Hände wie ein O an Glas und schaute hindurch. Nichts. Alles dunkel.
Nach einem flüchtigen Blick an der Hauswand entlang, beschloß sie, wieder nach Hause zu gehen und sich den Film anzusehen. Das Päckchen legte sie wider zurück auf die Kommode.
Sie kuschelte sich auf ihrem Sofa in die Decke mit dem Zebramuster und noch während der Film lief wurden ihre Augenlieder schwer.
Sie nickte an der Stelle des Films ein, als der Held seinem Mädchen seine Liebe gestand.

Ein eigenartiges kratzendes Geräusch weckte sie. Benommen dehnte sie ihre gequälten Glieder. Sie hatte völlig falsch gelegen und ihre Beide taten irre weh. Außerdem war ihr eine Hand eingeschlafen.
Vermutlich hatte sie drauf gelegen. Sie wollte sich gerade in eine bequemere Position bringen, als sie wieder dieses Kratzen vernahm.
„Scheiße“, stieß sie aus und richtete sich auf. “STUBS!!! Laß das, verdammt noch mal!“ schrei sie und wickelte sich aus ihrer Decke.
Sie warf einen Blick in den Flur, aus dem sie das Kratzen glaubte gehört zu haben und bekam einen Mordschrecken. Das Päckchen lag auf dem Boden und Stubs hatte sich daran zu schaffen gemacht. Mit seiner feuchten Nase schob er den kleinen gelben Pappkarton auf den Fliesen hin und her.
Maria war augenblicklich hellwach. Sie sprang auf, wäre dabei beinahe über die Decke gefallen, die sich um ihre Füße gelegt hatte und ruderte wild mit den Armen um das Gleichgewicht zu halten.
„Mist, Mist...“, brach es aus ihr heraus.
Stubs war nicht dumm, und deutete die Zeichen richtig, als er sein Frauchen hampeln sah.
Er kniff den Schwanz ein, legte die Ohren an und verschwand in der Küche.

Maria hatte einige Mühe, sich aus Ihrer Decke zu befreien, aber schließlich schaffte sie es doch. Mit einem Kloß im Hals inspizierte sie das Päckchen gründlich. Ja, gut, hier und da war ein Abruck von Stubs feuchter Nase, ok, ok, und hier war die Pappe ein bißchen eingedrückt, aber sonst.
Sie legte das Objekt der Begierde ihres Hundes in die Vitrine ins Wohnzimmer und bedachte dabei im vorbei gehen der Küche ihrem Hund einem bösem, bösem Blick, der mit einem Winseln kommentiert wurde.
Als Maria zwanzig Minuten später im Bett lag, fragte sie sich, ob wohl etwas eßbares drin sein könnte, und der Hund deswegen so wild darauf war. Das wäre dann nämlich wirklich schlecht. Was wäre denn, wenn Ihr Nachbarn für ein paar Tage verreist waren, und es dann schlecht wurde darin?
Maria kannte die Vorliebe ihres Hundes für vergammelte Lebensmittel nur allzu gut. Andauernd hing er mit der Schnauze in dem Bioeimer und kramte die ollen Sachen da raus.
Hm...Maria stöhnte und rollte sich wieder aus dem Bett. Sie schlich ins Wohnzimmer und legte die Hand an dem kleinem Holsknauf der Vitrinentür als...........



.........der Officer links von Ihr auf seinem Stuhl unruhig hin und her rutschte, nachdem er eine ganze Weile aufmerksam zugehört hatte.
„ T`schuldigung“, warf er ein. „Ist ein bißchen ungemütlich auf diesen Dingern.“
Er stand auf und stellte sich mit dem Gesicht zum Spiegel.
Sie konnte sein Abbild deutlich auf dem verdunkeltem Glas erkennen. Er schloß die Augen.
„ Herr Börding, der Postbote in Ihrem Gebiet, sagte aus, er habe ihnen nie ein Päckchen für ihre Nachbarn zukommen lassen. Unsere Ermittlungen im Postamt haben das bestätigt.“ Er sah immer noch in den Spiegel.
„ Frau Lopez, sie haben nie ein Päckchen bekommen.“ Er sah sie im Spiegel an. Seine Stirn war in Falten gelegt und seine Augen schauten streng. „ Das Postamt versucht auch nicht einige Tage lang ein Päckchen zuzustellen. Im allgemeinen bekommt man eine Karte in den Briefkasten, und das wars dann.“
Der attraktive Officer ihr gegenüber fuhr mit einer Hand über seine Augen. Sie sahen rot und übermüdet aus.
Maria wußte nicht, was sie noch sagen sollte. „ Glauben Sie mir, er hat das Päckchen gebracht, ich habe etwas unterschrieben. Ich bilde mir das nicht ein!“ Sie schluchzte hilflos.
„ Schon gut,“ der hübsche Officer lehnte sich auf dem Stuhl zurück. „ Erzählen Sie doch einfach weiter, und lassen sie nichts aus.“
Maria holte tief Luft und nahm ihre Geschichte wider auf. Sie..........




......... holte das Päckchen hervor und hielt es für das beste, es in den Kühlschrank zu legen. Sollte verderbliche Ware darin enthalten sein, würde sie zumindest behaupten können, sie habe ihr möglichstes getan.
Sie verstaute es in dem Regal vor dem Eiern.
Und wo sie schon mal hier war, nahm sie sich noch einen Jougurt.


Der Dienstag Morgen begann hektisch. Stubs weckte sie, weil er vor der Schlafzimmertür stand und jaulte.
„Scheiße“, zischte sie und kroch aus dem Bett.
Sie suchte sich Jeans, T-Shirt und Socken zusammen, arbeitete sich verschlafen in ihre Klamotten und sprintete in den Flur, wo sie mit freudigem Schwanzwedeln begrüßt wurde.
Sie tätschelte ihren Hund und pflückte die Leine von der Garderobe. Stubs sprang freudig auf und ab.
Ein laues Windchen umschmeichelte sie draußen. Stubs zerrte an der Leine, als wäre es der erste Ausgang seines Lebens. Ganz nach Hundemanier beschnüffelte er jeden Busch, und markierte ernsthaft jeden Grashalm in der Einfahrt.
Jeder hat halt seinen Job.
Stubs tat seinen sehr gewissenhaft.
Das Haus der Nachbarn machte einen unveränderten, verlassenen Eindruck. Maria überquerte die kleine Rasenfläche, die ihre beiden Häuser voneinander trennte und achtete verbissen konsequent darauf, das der Hund sich nicht hier hin hockte. Sie schellte einmal, zweimal an der Haustür, aber nichts bewegte sich im Innern. Sie wollte gerade wieder kehrt machen, als ihr Blick auf den Briefkasten fiel.
Post von mindestens einer Woche drängte schon aus dem Schlitz. Darunter Werbeprospekte, Telecom, und sie konnte auch einen Brief von den Stadtwerken darunter ausmachen.
Ihr Magen fühlte sich komisch an. Sie hatte nicht so viel Kontakt zu den Nachbarn, wußte aber, das sie gewissenhafte Menschen waren.
Nie hatte sie in den letzten zwei Jahren erlebt, das sie ihre Post nicht reinholten.
Sie standen doch schon immer an der Tür wenn der Postbote ans Haus kam.
Maria versuchte unauffällig nach rechts und links zu sehen. Als sie sich sicher war, das sie keiner bemerken würde, schritt sie möglichst gleichgültig zur Garage. Dort blieb sie einige Sekunden mit dem Rücken zum Garagentor stehen. Dann setzte sie ihren soeben gefaßten Plan in die Tat um. Sie kniete sich auf den Boden und stütze sich dabei mit den Händen ab. Sie beugte sich so tief sie konnte hinunter und versuchte angestrengt unter den winzigem Schlitz zwischen Boden und Garagentor zu sehen.
Stubs zog ein bißchen an der Leine, aber nicht so sehr, das es stören würde.
Sie beugte sich tiefer. Ihre Wange spürte den kalten Stein unter sich.
Und da stand er. Der rote Ford. Durch den ca. drei Zentimeter breiten Schlitz konnte sie deutlich die Reifen erkennen.
In Ihrem Magen schien sich eine warme Kugel zu bilden.
Wenn der Wagen da stand, dann waren ihre Nachbarn ja gar nicht........
„ Was machen Sie denn da?“ Die Stimme riß sie aus ihren Gedanken. Sie fuhr hoch und nahm ein Knacken irgendwo im unteren Teil ihres Rückens war.
Maria fühlte sich erwischt.
Die Frau am Anfang der Einfahrt zuckte nervös mit den Mundwinkeln.
„ Ich habe meinen, meinen......“ Maria suchte nach Worten, „ Meinen Ohrring verloren!!“ platze es aus ihr heraus.
Tolle Ausrede, dachte.
„ Ich finde, Sie sollten Ihren Ohrring jetzt woanders suchen,“ bemerkte die Frau spitz. Maria stand auf und klopfte sich den Staub von der Jeans.
Der Frau genügte das wohl, denn sie schickte sich an, ihren Weg fortzusetzen.
„ Ach, leck mich,“ empfahl Maria und sackte gleich darauf in sich zusammen, als sie den riesigen Haufen sah, dem Stubs auf dem Rasen hinterlassen hatte.
Nachdem sie den Spaziergang mit ihrem Hund beendet hatte, was sich ja eigentlich schon auf dem Rasen erledigt war, bereitete sie sich in der Küche ein leichtes Frühstück. Immer wieder starrte sie aus dem Fenster, von dem sie das Haus sehen konnte.
Alles was sie tat, tat sie wie mechanisch. Brötchen aufbacken,..... Blick aus dem Fenster, Butter auf den Tisch stellen,...... Blick aus dem Fenster, Käse aus dem Kühlschrank holen.... Blick aus dem Fenster, sich über die Sauerei der zerschlagenen Eier ärgern,..... Blick aus dem........Moment mal!
Maria sah völlig verdutzt in den Kühlschrank. Die Eierpackung war geöffnet. Sie wirkte beinahe wie auseinander gerissen, so, als habe ein Kind Weihnachtsgeschenke geöffnet. Die graue Pappe stand in unregelmäßigen Stücken zu allen Seiten ab. Einige Eier waren zwar noch im Karton, doch sie waren zerbrochen und die Schale war zersplittert. An der hinteren Kühlschrankwand lief das Gemisch von Eiweiß und Eigelb in zähflüssigen Strömen ab. Selbst an der Decke des Kühlschrankes klebten Eireste.
Die Tür war eingesaut und der Boden mit einer Zentimeter dicken Eimatsch Schicht belegt.
Maria verzog das Gesicht. Eine Mischung aus Ärger und Verwunderung sammelte sich in ihrem Herzen.
Sie stand da und wußte gar nicht, was sie tun sollte. Völlig verwirrt schüttelte sie den Kopf und nahm die Verpackung mit Fingerspitzen und angewidertem Gesichtsausdruck um sie in die Spüle zu werfen. Ei war auf ihren Fingernägeln.
An Frühstück war nicht mehr zu denken. Maria griff sich den Spülschwamm und wußte gar nicht, wo sie anfangen sollte. Ihre Gedanken waren so verworren. War jemand in ihrem Haus gewesen?
Wieso sollte jemand in das Haus gehen, und im Kühlschrank die Eier zerschlagen?
Sollte man nicht lieber etwas stehlen, das wäre doch eine bessere Alternative . Wo doch auch im Kühlschrank das Päck.....Maria erstarrte. Das Päckchen!! In ihrer Aufregung hatte sie gar nicht darauf geachtet, ob es noch da stand, wo sie es hingestellt hatte! Womöglich war es gestohlen! Was sollte sie dann ihren Nachbarn sagen? Maria ließ den Schwamm fallen und suchte nach der signalgelben Pappe.
Nein, da stand es. Es war zwar ein bißchen nach hinten verrückt, und es hatte Eimatsch auf dem Deckel,
aber es war noch da.
Gott sei dank, es war noch da.
Sie nahm es und wich augenblicklich zurück. Es stank fürchterlich. Wieso war ihr das nicht schon aufgefallen, als sie den Kühlschrank das erste mal öffnete? Der Gestank breitete sich in dem Raum aus wie ein Nebel. Es war schrecklich. Maria schluckte. Sie hielt es von sich, es war unglaublich. Wie Arme eines Liebenden umschlangen sie die Schwaden des Miefs der aus dem Päckchen floß. Um sie herum schien die Luft zu glimmen. Ihr Hals, ihre Nase und ihre Lungen brannten Alles um sie herum war nicht mehr. Nur noch glimmen, summen und dröhnen. Aus dem Nebel, der sich um sie herum gebildet hatte, hörte sie Stimmen schreien, dann wieder flüstern, dann wieder Schreie. Kreischen gellte in ihrem Hirn und wollte aus ihrem Mund wider entweichen. Ihre Zunge war starr und trocken. Eisige Kälte kroch an ihren Beinen hoch und zerrte an ihren Eingeweiden. Wie Finger drang sie in ihren Körper, wütete darin. NEIN,...wollte sie schreien, tat es vielleicht sogar, doch das Echo des Nebels warf ihre Stimme tausendfach zu ihr zurück und verschlang die dann. Leuchtende Punkte schwirrten durch den Nebel und bildeten einen strahlenden Ball aus blendendem Licht. Maria kniff die Augen zu, doch das Licht brannte durch ihre Lider. Maria wurde schlecht. Unwillkürlich begann sie zu würgen. In ihrem Innern klang es hohl. Sie hatte ja noch nichts gegessen.
Sie schwankte, die Übelkeit überwältigte sie und sie ließ das Päckchen fallen. Es platschte auf den Boden. Ja, richtig, es platschte, und das Geräusch verfolgte sie bis ins Bad.
Sie übergab sich eine Ewigkeit. Immer, wenn sie dachte, es wäre wieder vorüber, kam der Drang von neuem hoch und sie mußte sich dem hilflos ergeben.
Tränen liefen ihr über die Wangen.
Sie hörte Stubs in der Küche winseln.


Irgendwann ließ der Drang, sich zu erbrechen nach. Maria traute sich kaum aufzustehen. Mit wackeligen Beinen lehnte sie sich gegen die Toilette. Sie zitterte und in ihrem Ohren summte es laut.
Maria stolperte zum Waschbecken und haute sich einige Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht. Danach fühlte sie sich wieder kräftiger.
Sie wankte in den Flur und stellte ohne Überraschung fest, das dort das Päckchen lag. Direkt vor der Badezimmertür.
Stubs sah sie aus braunen Augen ängstlich an. Er hatte seinen Schwanz eingekniffen. Maria wußte, was zu tun war. Sie mußte das Päckchen zustellen. So, oder so, es mußte das Haus verlassen. Es durfte nicht bleiben.
Sie bückte sich, nahm das Päckchen, es fühlte sich ein bißchen weich an, so, als wäre etwas feuchtes darin. Die Pappe war schwammig geworden. Der Geruch war immer noch stark, aber nicht mehr so überwältigend wie vorhin. Das machte auch nichts. Es hatte seine Botschaft verkündet.
Maria............


.............nahm einen Schluck von dem Kaffee, dem ihr der nette Officer ihr gegenüber gebracht hatte. Plötzlich fiel ihr sogar sein Name wieder ein.
Höving, sein Name war Höving.
Sie lächelte stolz.
„ War das der Moment an dem Sie beschlossen, ins Haus zu gehen?“ fragte er sanft.
Der andere lachte kalt:“ Einzubrechen, ist wohl das bessere Wort dafür!“
Höving drehte sich um und warf seinem Kollegen seinen vielsagenden Blick zu.
Er hatte Mitleid mit der kleinen, zierlichen Frau, die da zusammengesunken in dem harten Stahlstuhl saß. Mit ihren großen, braunen Augen suchte sie immer nach Halt, oder nach Zuspruch. Er würde sie gerne trösten, konnte es aber nicht.
Maria nickte:“ Ja, das war der Moment, da ich beschloß, ins Haus zu gehen. Ich dachte, das Päckchen mußte ins Haus. ...Sie bekam einen Schüttelfrost. „ Ich konnte doch nicht ahnen....“ rief sie und verbarg ihr Gesicht in Ihren Händen.
„ Mein Gott. Ich konnte doch nicht ahnen,“ schluchzte sie erstickt. Ihr schwarzes, lockiges Haar umschmeichelte ihre blassen Wangen.
„ Meine Güte, was soll denn die dumme Geschichte?“ fauchte der Officer „ Ihre Fingerabdrücke warem im ganzen Haus!“
Höving beugte sich zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Wärme beruhigte sie ein bißchen.
„ Sie haben also das angebliche Zauberpäckchen genommen, und wollten es ins Haus bringen?“ fragte der andere mit amüsiertem Tonfall. Maria sah auf und ihre verzweifelten Augen flehten um Verständnis. „ Nein,“ flüsterte sie, „ Ich mußte es hinbringen, es wollte es so. Wissen sie, ES wollte hin, nicht ich, nicht ich.“
Maria sah gedankenverloren auf ihren Kaffe und..............


.............kramte in der Kommode nach etwas, das sie gebrauchen konnte. Hier und da hatte sie etwas in der Hand, das sich brauchbar anfühlte oder aussah, aber dann überlegte sie es sich anders.
Schließlich umschloß Ihre Faust einen Schraubenzieher. Sie steckte ihn sich in den Hosenbund, und warf damit alle Vorsicht einer Vernünftigen Frau über den Haufen. Alles müßte ein Traum sein, sagte ihr Verstand, doch ihn Herz übertönte ihn mit seinem lauten pochen.
Maria sah auf die Uhr. Sie wußte nicht einmal warum. Zeit gab es nicht mehr.
Sie kicherte.
Ihre Arme und Beine waren aus Gummi, ihr Körper bebte und ihre Augen blinzelten heftig, aber sie würde das Päckchen zustellen.
Endlich.
Zärtlich berührte Sie mit den Fingerspitzen die Pappe. Sie war kalt und bewegte sich flüchtig unter ihren Finger.
„ Keine Angst, gleich bist du zu Hause,“ flüsterte sie und widerstand dem Verlangen zu kichern.
Stubs lag neben ihr und spitze die Ohren.
„ Bin gleich wieder da, Baby,“ raunte Maria ihrem Hund zu und machte sich auf den Weg.

Das Haus ragte wie eine Felswand aus der Realität. Es war nun alles , was wirklich existent war. Nur sie, das Haus, das Päckchen, das sie unter dem Arm trug. Es gab einfach nichts anderes mehr in ihrem Leben.
Wieder einmal lief sie über den Rasen und wäre fast auf Stubs Haufen getreten. Aber selbst wenn, es war egal, denn der lag in einer anderen Realität auf dem Rasen.
Sie lief um das Haus herum zum Fenster des Elternschlafzimmers. Das Päckchen stellte sie behutsam neben sich auf den Boden. Sie fingerte den Schraubenzieher aus dem Hosenbund und schlug mit dem Griff ein, zwei, dreimal auf das Glas, ehe es zerbrach.
Das laute Klirren verwirrte sie ein wenig. „Was tue ich da?“ dachte sie benommen.
„ Du stellst das Päckchen zu,“ sagte eine Stimme in ihrem Kopf, die nicht ihre eigene war.
Durch das Loch, das sie in das Glas geschlagen hatte, fummelte sie nach dem Griff und drehte ihn so, das sie das Fenster öffnen konnte. Sie stieß es auf, nahm das Päckchen und hievte sich am Sims hoch. Wie gut, das sie so klein und leicht war, sie hatte keine Schwierigkeiten damit.


Das Schlafzimmer war nett und freundlich eingerichtet. Helle Schränke und In Öl gemalte Landschaftsbilder verstärkten den Effekt noch. Die Betten zu ihrer Rechten waren nicht gemacht. Sie waren zerwühlte Zeugen.
Das Päckchen vibrierte und Maria drückte es fester an sich. „Pst, Pst,“ hauchte sie.
Vom Schlafzimmer aus kam sie in einen kleinen Flur. Alles war ganz anders hier als Zuhause. Sie versuchte sich zu orientieren. Von Irgendwo hörte sie leise Musik. Jemand lachte. Maria folgte dem Laut, er führte sie an eines der Kinderzimmer. Sie gab der angelehnten Tür einen kleinen Schubs und verfolgte sie mit den Augen. Das Lachen drang aus dem Raum wie eine Welle.
Das Zimmer war unordentlich. Spielzeug lag auf dem Boden und stand durcheinander in den Kiefernholsregalen.
Das Bettchen, sie vermutete es war Mikeys Bett, war zerwühlt und das Bettzeug protze vor bunten Farben.
Das Lachen schwappte wieder zu ihr. Es floß an ihr vorbei und kitzelte ihre Wangen. Sie drehte sich um. Mikey stand da. Er war grade vier Jahre alt geworden. Durch seine schemenhafte Gestalt konnte sie die Steckdosen an der Wand hinter ihm sehen. Er sah auf seine Füße, aber streckte die Arme zu Ihr aus. Maria schluchzte. Das Kind begann zu wimmern. „ Ich kann dich nicht sehen,“ sagte er und hob den Kopf.
Maria schrie und weinte.
Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie die Bilder von sich werfen. Sie lief den Flur entlang ins Wohnzimmer.
Sie konnte kaum atmen. Sie...........

...........klammerte sich an den Becher vor sich und schniefte haltlos. Höving hatte eine Hand vor dem Mund gelegt, wie ein Mann voller Entsetzen. Keiner der Beiden sagte ein Wort. Der andere Officer starrte wieder in den Spiegel. Er hatte wieder die Arme vor der Brust verschränkt. Er sah aus, als müsse er sich umklammern. In dem Raum hatten sich hellgraue Rauchschwaden gebildete. Er erinnerte Maria an den Nebel in ihrer Küche.
Höving schaute Maria in die Augen, sei konnte sich selbst darin sehen. Sie wich seinem Blick nicht aus.
„ Was passierte dann, Maria?“
Sie sah auf ihre Hände und..........


..........Wie durch einen Schleier sah in den Raum. Ihr Nachbarin lag mit dem Gesicht zur Tür. Ihr lebloser Körper streckte sich, als versuche er immer noch dorthin zu gelangen.
Sie lag in einer dunkelroten, fast schwarzen Lache getrockneten Blutes. Ihr Mund war aufgerissen wie zu einem Schrei.
Ihr Rock war wohl beim Fallen etwas hoch gerutscht. Maria kannte den Rock, normalerweise war er länger. Jetzt ruhte er wie ein Fächer auf ihren Oberschenkeln.
Maria legte den Kopf in den Nacken und hielt das Päckchen vor ihrer Brust. Tränen hatten ihr T-Shirt durchnäßt.
Ihr Mann ruhte wie ein Halbkreis auf der Seite liegend mitten im Raum. Ein Bein war seltsam verdreht, eine Hand hielt seinen Bauch. Die Hand war schwarz. Maria konnte sehen, wie Fliegen sie umkreisten. Fliegen waren überall. Das Summen war unerträglich.
Wie das Summen im Nebel ihrer Küche.
Schwärme von Fliegen saßen auf den mintgrünen Wänden.
Und sie saßen in Ihren Gesichtern. In den Gesichtern, die sie mit Löchern anstarrten, wo früher einmal Augen waren.
Schwarze verkrustete Löcher.

Mikey saß neben ihr an der Wand gelehnt. Seine kleinen Hände lagen auf seinen Schenkeln. Blutkrusten bildeten ein Blumenmuster auf seinem Pulli wie auf einer Wiese. Eines seiner Füßchen war mit einem Hausschuh bekleidet, der andere war nackt. Sein blondes Haar war im ins Gesicht gefallen.
Die leise Musik, die sie im Flur hörte, kam aus dem Fernseher, der noch angeschaltet war.
Langsam hob er das Gesichtchen und sein Haar viel zurück.
„ Ich kann dich nicht sehen,“ sagte er klar und laut mit seinen Löchern im Gesicht.
Maria schrie und Jammerte. Sie hielt Mikey das Päckchen entgegen und der schwammige Boden brach unter der Last seines Inhaltes. „ Nein, nein,“ flüsterte Maria „ Nein, nein.“

Zu Ihren Füßen lagen sie.
Die Augen ihrer Nachbarn.
Sie lagen auf den Boden und blieben dort liegen wie Rotz.
Sie klangen wie Rotz.

Maria hatte keine Kraft mehr. Keine Kraft mehr zu bleiben, keine Kraft mehr zu weinen und keine Kraft mehr zu sehen. Sie drehte sich um und verließ das Haus durch die Vordertür. Dann brach sie endgültig zusammen.
Und............


.........denn Rest kennen Sie,“ sagte sie und drückte Ihre Zigarette aus.
Höving hatte sich während der Schilderung der Vorfälle neben sie gehockt und hielt Ihre Hand.
Der andere Officer saß wieder auf seinen Stuhl und starrte ins Leere.
„ Wo ist das Päckchen, Maria?“ fragte Höving und drückte sanft ihre Hand.
Maria wußte keine Antwort.
„ Ich habe es nie wieder gesehen, ich habe es nicht gesehen,“ sagte sie und sah ihr Spiegelbild an der Wand.
Ihre Augen waren groß und feucht.
Aber sie waren da.
Sie konnte sie sehen.
 
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Kommentare  

Da ich ja gerne Schauriges lese, habe ich jetzt mal so ein paar Geschichten von Dir gelesen. Horrorgeschichten und dergleichen können durchaus mysteriös, geheimnisvoll, rätselhaft sein, aber die Sätze, die Gedanken und die Handlung müssen verständlich sein und auch einen Sinn ergeben. Du kannst sehr spannend schreiben, das ist keine Frage. Mir gefällt auch hier dieser Erzählstil bei dem Officer und diese kurzen Wechsel immer zwischendurch. Das geheimnisvolle Päckchen ist zwar spannend aber schon sehr voraussehend, was den Inhalt eventuell betreffen könnte, da es schon sehr viele Geschichten/Filme mit von verschiedensten Körperteilen gefüllte Päckchen gab. Dennoch ist man aber gespannt, was es denn jetzt mit Deinem Päckchen auf sich hat. Das alles ist soweit ganz gut geschrieben, bis es dem Ende zugeht. Da geht manches zu schnell bzw. ergibt keinen Sinn und keinen Zusammenhang. Was soll der Vorgang mit der Frau am Garagentor. Warum diese plötzliche Szene, daß das Päckchen Besitz von ihr ergreift. Was soll uns denn die Geschichte am Ende jetzt sagen? Warum liegen die denn alle tot da? Also ich sehe das so, dass Du bei Deinen Geschichten eine mysteriöse schaurige Stimmung/Atmosphäre erzeugen willst, mit solchen unverständlichen Szenen oder Enden, aber das endet nur stets in Verwirrungen oder bin ich mal wieder nur verwirrt? -lach-

Fan-Tasia (14.07.2009)

wow
ekelhaft aber sehr gut!!
nur - wie schon mein vorgänger schrieb- etwas verwirrend in der namensgebung...
aber ansonsten respekt!
Liebe grüße


anonym (27.11.2008)

An sich nicht schlecht, die Geschichte, nur eins irritiert mich: Die Nachnamen sind deutsch, aber du hast die Polizisten als Officer bezeichnet. Ansonsten gut.

Metevelis (16.02.2003)

hi Chris,

ja, zu Blutsommer hast du schon einen Komentar geschrieben. ;-)

Naja, macht ja nichts ;-)

Liebe( wenngleich amüsierte) Grüße
Sas.


 (07.11.2002)

Hm, gibt's das? Ich habe stark das Gefühl, schon mal einen Kommentar zu dieser Geschichte abgegeben zu haben. Ein anderer Kommentar stand auch schon da. Seltsam...
Liebe (wenngleich verwunderte) Grüße


Chris (06.11.2002)

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