... für Leser und Schreiber.  

Nichts außer einem Tango

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©  Asasely   
   
H.F. gewidmet

Ich bin glücklich, mein Lieber... Mehr sogar – ich bin der glücklichste Mensch auf dem Planeten. Manchmal weiß ich nicht genau, ob alles, was geschah und was ich jetzt dem Papier und Dir, meinem Freund, anvertrauen möchte, bloß ein schöner Traum war. Stell Dir vor, ich will nicht aufwachen, weil ich dann raus muss aus dem mich umhüllenden warmen Duft – eine einzigartige Mischung aus dem herben Rauch kräftiger Zigarren und einer hauchdünnen Wolke würzigen Parfums. Ich atme die Substanz tief ein, und sofort spüre ich Tausend kleine Ameisen auf meiner Haut, es kribbelt so merkwürdig im Bauch, meine Finger werden taub. Auch jetzt ist mir ein wenig schwindelig. Weißt Du übrigens, dass man im Traum an quälendem Verlangen sterben kann? Du verstehst mich sehr gut. Das tatest Du immer. Ich höre schon Deine heisere, etwas fröstelnde Stimme und die Frage: „War er schöner als ich?“ Habe Geduld, mein Freund, nur ein bisschen Geduld.

Jemand kam zu meinem Tisch, setzte sich auf den freien Stuhl. Dieser jemand warf einen kurzen Blick auf die schwarze Baskenmütze, die immer noch meinen kurzgeschorenen Kopf bedeckte, dann glitten seine Augen auf meine Hand, die immer noch den Löffel in dem schon lange kaltem Kaffee drehte. In der nächsten Sekunde kreuzten sich unsere Blicken. Ich weiß auch nicht, ob seine Frage mich überraschtе. Vielleicht habe ich sie heute den ganzen Tag erwartet.

„Würden Sie mir einen Tanz schenken?“
„Ja.“, öffneten sich wie eine zarte Morgenblume meine Lippen.

War das wirklich alles so?

Er stand langsam auf, wie ein Tiger vor dem Sprung und reichte mir die Hand. Weißt Du, tanzen kann er umwerfend. Seine Bewegungen sind leicht und geschmeidig. Durch den dünnen Stoff des Hemdes spüre ich die Energie seines gut trainierten Körpers. Und wie warmer Strom fließt er über meine Fingerspitzen in mich hinein und ergießt sich dort, füllend jede geheimste Ecke meines Leibes. Er wirkt wie Alkohol - ich könnte umfallen. Dennoch wird das nie passieren, er hält mich in den Händen, so hütend, als wäre ich eine teuere, leicht zerbrechliche Porzellanfigur. Wir sagen kein Wort zueinander, wir tanzen und lassen allein unsere glühenden Körper sprechen, denn sie leben in diesem Moment in ihrer eigenen Welt, getrennt von unserer kalten Vernunft. Keiner von uns traut sich, diesen stummen Dialog zu unterbrechen. Wir kosten genüsslich jede unserer Bewegungen aus, denn wir wissen beide, dass die Zeit sehr knapp ist, und alles bald seinen gewohnten Gang gehen wird. In der nächsten Sekunde gehen wir zu ihm. Wir werden uns rasend in seinem halbdunklen Schlafzimmer lieben. Bald werde ich nervös mit in den Boden gesenktem Blick nach meiner Kleidung suchen. Ich werde es vermeiden, ihn anzuschauen, er dagegen wird versuchen, meine schon wieder kalte und blasse Hand zu fangen. Ich höre schon seine Fragen und beantworte sie mechanisch, wie gewohnt eben: Ja, ja, ja...Ja, wir sehen uns wieder... Ja, morgen oder vielleicht übermorgen... Klar, er meldet sich...

Ich muss mich übergeben. Schnell, schneller weg von hier. Na endlich. Ich spüre sofort Erleichterung, die mir der Ton der hinter meinem Rücken ins Schloss fallenden Tür bringt, und die schwarze Nacht wiegt meine dornige Reue für kurze Zeit in den Schlaf.

Ab und zu mal werden wir uns wieder heimlich treffen, um unsere zerreißende, tierische Lust aufeinander zu stillen. Fatal ist diese Feuer. Wir werden ersticken an seinem dichten Qualm, und die höllische Flamme der Wolllust verkohlt unerkennbar unsere sündigen Seelen...

Mein Bester, wir kennen uns schon Ewigkeiten. Ich danke dem lieben Gott dafür, dass er Dich mir gab. Allein du kannst wissen, was passiert ist, nachdem das letzte Stöhnen des Liedes verstummt ist.

„Ich bin gleich wieder bei dir“, flüstert meine tiefe Stimme. Er nickt und lässt mich gehen in die kühle Nacht. Die Dunkelheit draußen - ähnlich einer Riesenschlange - verschluckt mich ganz, und ich löse mich restlos in ihrem Leib auf.

Deshalb werde ich nie Deine Frage beantworten können. Selbst mir blieb nichts außer einem Truggebilde aus einer seltsamen Materie - eine einzigartige Mischung aus dem herben Rauch kräftiger Zigarren und einer hauchdünnen Wolke würzigen Parfums. Hinter ihr Geheimnis werde ich wohl niemals kommen. Das ist das größte Glück. Nicht wahr, mein Lieber?
 

http://www.webstories.cc 04.05.2024 - 18:19:20