... für Leser und Schreiber.  

verzweiflung

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©  duweißtwerichbin   
   
tagtäglich wartete sie auf seinen Anruf. jeden Tag kam sie von der Arbeit nach hause und das erste was sie tat war den anrufbeantworter abzuhören. jedes mal, jedes verdammte mal war wieder nur ein einziger anruf auf band: der ihrer Mutter. jedes mal erzählte diese eine neue, wirre, erfundene geschichte. sie erzählte von kühen, die konnten fliegen und von einbeinigen göttinnen, sie erzählte von ihrem jugendschwarm sascha, sie erzählte von ihrem kühlschrank namens bosch. Anna hatte es schon lange aufgegeben zurückzurufen oder sich gar sorgen zu machen. Es war sinnlos, ihre mutter war verwirrt und konnte nur mehr auf den tod warten. Anna wartete auf den anruf von karl. karl war der einzige mann, mit dem sie jemals intim geworden war, der einzige mann mit dem sie je geschlechtsverkehr gehabt hatte. Jeden Tag wartete sie auf seinen heiß ersehnten anruf. nie rief er an, aber sie wusste sich abzulenken: gerade in der weihnachtszeit fiel ihr das besonders leicht: nachdem sie ihre arbeitskollegen das ganze jahr über genau beobachtete hatte, wusste sie genau die wünsche jedes einzelnen und es machte ihr unglaubliche freude, das perfekte geschenk für jeden auszusuchen und es anschließend anonym an den jeweiligen menschen zu schicken.
sie hatte nicht wirklich viele freunde, bis auf ien paar small talks während der mittagspause war nicht viel drin für sie. sie wollte auch nicht mehr kontakt mit ihren kollegen haben, sie dachte, sie würde sich damit nur zu sehr in den mittelpunkt stellen, dafür seien andere leute zuständig, und sie wollte auf keinen fall, dass irgendjemand herausbekommt, wer der absender der geschenke sei. in der firma fiel sie durch nichts auf, weder durch ihr äußeres, noch durch ihr verhalten. sie war fast schon ZU normal.
Jahrelang wartete sie nun schon auf karls anruf, um genau zu sein waren es exakt zwölf jahre, zehn monate und dreizehn tage. genau diese zeitspanne lang zerfraß die erinnerung an karl ihre seele. karl war kein besonders aufregender mann, doch für anna war der sex mit ihm der aufregenste moment in ihrem leben gewesen.
anna war gerade nach hause gekommen, da sah sie einen brief vor ihrer wohnungtür liegen. das einzige was sie in ihrer aufregung sehen konnte war nur ein name: Karl. so ganz und garnicht nach ihrer art, rannte sie durch die wohnung und zog sich dabei aus. sie verspürte allein bei dem gedanken, dass karl an sie gedacht haben könnte, eine derartige lust, dass sie sich mehrmals hintereinander selbst befriedigte und sich anschließend vor hemmungslosem Verlangen aus dem fenster stürzte.

es lag nur noch der brief vor der tür:
"wollen sie auch so glücklich werden wie Karl Krachtovitz?" (daneben ein bild von einem hässlichen mann, der seinen daumen in die höhe streckte und dabei grinste)
"dann machen sie doch auch bei unserem spiel mit! Jeder einsender gewinnt! Gewinnen sie bis zu 100 000 Euros!"
 

http://www.webstories.cc 18.05.2024 - 11:27:52