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Der "Clown" mit dem weinenden Herzen

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© Dolly Buster   
   
Es ist lange nach Mitternacht. Jan kann nicht schlafen und starrt den hellen Mond an, der ihn auszulachen scheint.
Er kommt sich vor wie ein Komödiant, doch niemand lacht über ihn. Erstrecht er selbst nicht, aber er spielt den Clown weiter, jedes Jahr an jedem verdammten Tag.
Sein Spiel heißt “Heile Familie” und Jan hat eine der Hauptrollen ergattert, die er jetzt nicht mehr will, die er hasst, die ihn all seine Kraft kostet.
Nicht dass es immer so gewesen wäre, nein. Zuerst war er euphorisch, jung und wild, blind vor Liebe zu Saskia, mit der er zusammen dieses Spiel als Bewährungsprobe des Lebens gestalten wollte, nur dann kam alles anders.
Saskia veränderte sich. Ihr waren neue Dinge wichtig und alte bedeuteten für sie nichts mehr. Sie hielt sich nicht mehr an das Drehbuch, was sie gemeinsam geschrieben hatten, hatte keine Lust mehr, mit Jan zu proben, schwänzte die Aufführungen und schlief, schlief sofern er abends die Bühne betrat und schloss die Tür hinter sich zu, so dass Jan jetzt schon 15 Jahre lang ganz alleine vor verschlossenem Vorhang stand, seinen Erinnerungen nachhing und von Zweifeln geplagt wurde.
Er fragte sich oft, ob es Sinn hatte, dieses Spiel weiter zu spielen, wenn man selbst nicht mehr dran glaubt, das Ziel aus den Augen verloren hat.
Für wen sollte er es tun?
Doch Jan fehlte der Mut, das Drehbuch zu zerreißen, die Zelte abzubrechen und an einem neuen Ort das verlorene Glück zu suchen und die wahre Liebe. Etwas, was in seinem Herzen nicht mehr wohnte und wonach er sich nachts verzehrte, wenn er allein vor der leeren Bühne stand.
Zweifel packten Jan. Da war noch die Verantwortung für die kleinen Statisten, die er zu tragen hatte, die er versorgen musste, die ihm vertrauten, die jeden Tag diese Gaukelei für bare Münze hielten, die ein Teil von ihm waren und er glaubte, dass für sie die Welt zusammenbrechen würde, wenn er die Besetzung änderte würde oder nur noch eine Gastrolle übernähme.
Aber irgendwann würden auch sie sich ein neues Theater suchen. Ihr eigenes.
Jan vergrub seine müden Augen in den rauen Händen, die Schwielen hatten von der vielen Arbeit, in die er floh, solange es ging und er betäubte sein krankes Herz mit rotem Wein, damit er es durchstehen konnte, dieses Spiel, das für ihn mehr und mehr zu einer Tortur wurde.
Jan war nicht stark, kein Kämpfertyp. Er beschloss sich seinem Schicksal zu ergeben und für ewig ohne Liebe, ohne Zärtlichkeit, ohne Glück, ohne Träume und ohne Lachen das Spiel an Saskias Seite bis zum Ende mitzumachen, bis der Vorhang fällt und ihn erlöst.
 

http://www.webstories.cc 02.05.2024 - 14:26:10