... für Leser und Schreiber.  

Nichtigkeiten

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© Heiko Sonnleitner-Seegmüller   
   
Der volle Mond zog einsam seine Bahnen. Stille erfüllte die Stadt nur hin und wieder unterbrochen von dem dumpfen Surren eines vorüberfahrenden Autos oder dem Geschrei eines einsamen Tieres.
Jonathan lag in seinem schmalen Bett. Eine leichte, warme Brise drang vom offenen Fenster her in das Zimmer ein und streichelte sanft seine unbedeckte Haut. Vor einigen Stunden noch war er müde gewesen und hatte sich in sein Bett gelegt. Doch aus der Müdigkeit wurde nicht der ersehnte Schlaf. Zu viele Gedanken glitten durch sein Gehirn und hielten ihn im Reich der Wachen.
An diesem Tag hatte Jonathan viel über Naturgesetze gesprochen und gehört. Es interessierte ihn und deshalb schien dieser Kurs für ihn der richtige zu sein. Jeden Tag trafen sich die Gleichgesinnten in dieser Schule und lauschten den Worten ihrer Lehrer. Immer wieder lernten die Menschen in diesen Räumlichkeiten Neues; ununterbrochen.
Jonathan dachte an diese Naturgesetze und zu jedem Gesetz gehörte eine Ausnahme. Diese Gesetze wurden durch menschliche Logik erschaffen. Doch wenn jedes dieser Gesetze eine Ausnahme hat, wie kann dann die Logik stimmen, die diese Gesetze erschuf? Und müsste die richtige Logik nicht Gesetze schaffen, die keine Ausnahme zulassen? Doch wenn dies alles so ist, wie richtig ist dann die Logik der Menschheit? Wenn unsere Logik fehlerbehaftet ist, wie viel Wissen wir dann wirklich?
Jonathan lächelte. Er wurde eingeholt von der Müdigkeit der Nacht. Zum ersten mal in seinem Leben schien er wirklich etwas zu wissen und dies beruhigte ihn. Es beruhigte ihn zu wissen, dass er wie der Rest der Menschheit eigentlich nur eines weiß:
Er wusste dass er nichts weiß.
 

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