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essay über selbstmord [diskussion im forum?]

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©  Becci   
   
...anhand von schillers "kabale und liebe"

[Ein Satz, der Hinterbliebenen helfen könnte, den Weg des Suizidenten zu akzeptieren: "So wie ihr euch gerade fühlt, fühle ich mich jeden Tag, wenn ich aufwache", und sie werden es vielleicht sogar verstehen.]


es gibt verschiedene bezeichnungen für das "freiwillige" ausscheiden aus dem leben, doch die meisten enthalten schon von vorneherein eine ethische wertung. das neutralste ist "der suizid". dieser begriff kommt vom lat. "sui caedere" und bedeutet soviel wie "selbsttötung" (sich selbst todschlagen).
sehr verbreitet ist auch der begriff "selbstmord", den ich aber unpassend finde. mord geht einher mit gewalt, mit unfreiwilligem tod des gestorbenen. sich selbst zu "morden" widerspricht sich.
als letztes wichtiges synonym gibt es den "freitod". doch ist dies die richtige bezeichnung? oft fühlt sich der suizident von der umwelt, von den umständen oder seinem leben dazu gezwungen, den tod zu wählen. ist dies eine freiwillige wahl? meiner meinung nach nur in seltenen fällen.

es gibt viele studien, texte und bücher, die sich mit dem thema "suizid" befassen. schon im 18. jahrhundert schrieb schiller "kabale und liebe" - einem liebesdrama, in dem die liebenden keinen anderen ausweg sehen, um zusammen zu bleibe. im 5. akt, 1. szene, redet luise mit ihrem vater über ihre suizidabsichten.
"ich habe einen harten kampf gekämpft", sagt sie, "der kampf ist entschieden" (s. 96, z. 2-4). sie denkt, die könne den "bösewichter[n]" (s.96, z.17) dadurch ein schnippchen schlagen, sie überlisten und sich im tode auf ewig mit ihrem ferdinand vereinen. luise sieht im tode die erlösung, "einen ort (...), den ich nicht länger missen kann" (s.98, z.9-10).

ihr vater ist entsetzt, sieht sein liebstes verloren ("du warst mein abgott | du warst mein alles" s.98, z.32-43) und kann nichts dagegen tun. er schafft es jedoch, ihr ein schlechtes gewissen ihm gegenüber zu machen, da sie ja seine einzige altersvorsorge darstelle. letztendlich bringt er luise vom suizidgedanken ab und sie malen sich einen neuanfang an einem anderen ort aus.
ferdinand durchkreuzt dies, indem er luise vergiftet und somit die sünde/verantwortung für ihren tod auf sich nimmt. er denkt, wenn er sie schon nicht im leben haben kann, dann will er im tode ewig mit ihr vereint sein.

damals hatte schiller ein tabuthema angesprochen und erzeugte damit viel wirbel. wie sieht es in der heutigen gesellschaft damit aus?
statistisch gesehen gibt es allein in deutschland alle 4 minuten einen suizidversuch und alle 45 minuten einen "geglückten" suizid. für viele klingt dies unverständlich, doch jeder "selbstmörder" hat ein - für ihn - hinreichendes motiv, auch wenn die umwelt die tat nicht nachvollziehen kann oder eine andere lösung für seine probleme sieht.
"menschen, die vergebens nach einem sinn ihres lebens suchen, sind immer potenzielle suizidenten", sagte vor einiger zeit ein befreundeter psychologiestudent zu mir und ich denke er hat recht.
familiäre probleme gehören mit 33% zu den häufigsten suzidauslösenden faktoren, gefolgt von partnerschaftsproblemen mit 16% und schul- und ausbildungsprobleme mit 12%.
ein suizident glaubt oft, dass das leben für diejenigen welche ihn lieben besser wird, wenn man sich für den tod entscheidet und empfindet sich als belastung. vielleicht, weil er etwas falsch gemacht hat, sich selbst dafür hasst, sein leben und seine schmerzen für ihn so unerträglich scheinen, so dass dieser schmerz auch auf die anderen übergreift. das glaubt er zumindest. und nimmt sich das leben.
als ich mich über das thema "selbstmord" informierte, erfuhr ich unter anderem, dass unter den jugendlichen die mädchen dreimal soviel suizidversuche begehen als jungen - allerdings liegt das wohl daran, dass diese dafür dreimal "erfolgreicher" sind. für mädchen ist ein suizidversuch meist ein verzweifelter hilfeschrei und oft wollen sie gar nicht wirklich sterben. sie wissen sich nur nicht anders mitzuteilen.
man darf suizid nicht als ausdruck einer haltung zur welt betrachten, sondern als verweigerung dessen, was das leben mit uns als einzelndem individuum treibt oder vorhat. nur aus gehorsam dem naturgesetz und der ethik gegenüber gelebt zu werden, ist das leben nicht wert. man könnte sagen, gott hat dem menschen wie den anderen lebewesen fähigkeiten verliehen und diese fähigkeiten kann der mensch auch frei einsetzen. als "widernatürlich" kann der suizid also nicht verurteilt werden, denn wenn sich jemand für den tod entscheidet, dann entspringt das einer ihm ursprünglich verliehenen geistigen fähigkeit. der suizid ist also die extreme freiheit des individuums, der mit der wahl zwischen Sein und Nichtsein ernst macht.
suizidäre gedanken hängen oft mit depressionen zusammen, gegen die es heutzutage zum glück immer bessere behandlungen gibt. man kann auch aktiv dagegen wirken, indem man sich nicht über alles sorgen macht, die eigenen erwartungen senkt, seine stärken nutzt und seine schwächen kennt. sport, musik und der kontakt zu anderen menschen können einen auch aus dem "schwarzen loch" reißen. man muss sich entscheiden: ist die angst vor dem leben oder vor dem tod größer? außerdem stellt sich die frage: würde man sich zu einem anderen zeitpunkt, unter anderen umständen genauso dafür entscheiden? denn auch wenn es augenblicklich undenkbar scheint - das leben enthält viele überraschungen und man weiß nie, was kommen wird...


anmerkung: dieser essay ist ein schulaufsatz. zum schluss hin hab ich regelrecht geschludert, weil die zeit knapp wurde (und ich nicht für suizid-gefährdet gehalten werden wollte *lach*). würde mich über eine mögliche diskussion im forum freuen und eure ansichten zu diesem thema lesen..?
 

http://www.webstories.cc 26.04.2024 - 13:12:29