... für Leser und Schreiber.  

Traumagenten

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© Miranda Rathmann   
   
Es war wieder einmal soweit, man schickte uns in geheimer Mission nach Frankreich. Unser Auftrag war es, einen Anschlag der sizilianischen Mafia, der gegen alle europäischen Länder gerichtet war, zu vereiteln. Da wir schon mehrfach die Menschheit vor dem Verderben gerettet hatten, hatte der amerikanische Geheimdienst mal wieder uns auserwählt. Niemand zweifelte auch nur im geringsten daran, dass wir auch dieses Mal erfolgreich sein würden. ...
Wir balancierten gerade über einen sehr schmalen Steg, der sich circa 5 Meter über dem schmutzigen, Algen durchsetztem Wasser des Burggrabens befand, als mein Handy klingelte. Einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte es nicht geben können. Aber wie es nun mal so ist, ich musste abnehmen. Der französische Außenminister meldete sich und wollte mir gerade neue Informationen durchgeben, als mir das Telefon aus der Hand rutschte und ich kurz darauf nur noch einen lauten Platsch und dann das leise aufgurgeln meines tiefer sinkenden Gerätes hörte. Es schien, als wolle es sich über den unsachgemäßen Kontakt mit dem Wasser beschweren und mir sagen, „Ey Du, warum lässt Du mich einfach so los? Ich bin doch Dein bester Freund.“ Was blieb mir anderes übrig? Ohne großartig darüber nachzudenken, sprang ich hinterher. (Mein Partner schien davon allerdings nicht allzu viel mitzubekommen.) Die Alligatoren, die höchstwahrscheinlich vor ungebetenen Gästen schützen sollten, interessierten mich nicht die Bohne, als ich sprang. Kaum, dass ich die Wasseroberfläche berührt hatte, stoben diese doch gar so mächtigen Geschöpfe Gottes, in alle vier Himmelsrichtungen auseinander. Also mal ehrlich, solch feige Alligatoren hatte ich noch nie gesehen. Aber egal, mir konnte es nur recht sein, da sie so nicht noch mehr von meiner kostbaren Zeit in Anspruch nahmen. Ich tauchte also nach meinem ach so wichtigem Utensil (ein Agent hat schließlich immer und überall erreichbar zu sein) und sank tiefer und noch tiefer hinab, ohne dem Handy auch nur einen Millimeter näher zu kommen. Irgendwann allerdings, wie bei vielen Menschen, setzte mein Verstand wieder ein, und der sagte mir, dass mir das Telefon nicht mehr viel nützen wird, wenn ich ertrunken bin, und das mein Leben wichtiger ist, als es jeder noch so geheime Geheimauftrag jemals sein könnte und ich beschloss im Vollbesitz meiner geistigen Fähigkeiten, wieder zur Oberfläche hinauf zu schwimmen. Es stellte sich jedoch sehr schnell heraus, dass dieses Unterfangen gar nicht so leicht war, wie ich vorerst angenommen hatte. Zum einen war ich schon sehr tief hinabgetaucht und zum anderen fühlte sich mein Körper an wie Blei und schien nicht von der Stelle zu kommen. Endlich konnte ich die ersten Sonnenstrahlen und erste Umrisse der Oberwelt ausmachen. Just in diesem Moment bemerkte ich, dass ich schnellstmöglich Luft holen musste. Je weniger Sauerstoff mir nun zur Verfügung stand, desto intensiver versuchte ich mich nach oben zu strampeln. Doch was war das? Ich sah doch sogar schon meinen Partner, der oben auf dem schmalen Holzsteg stand, als mir endgültig die Luft ausging und ich anfing, unter Wasser zu atmen. Meine Lungen brannten und füllten sich mehr und mehr mit diesem stinkenden, moderndem Wasser. Der Geschmack im Mund, war kaum noch auszuhalten, ebenso die Schmerzen in meinen Lungenflügeln. Mein Gott, ich ertrank und mein Partner stand nur da und unternahm rein gar nichts. Er versuchte noch nicht einmal mich zu retten.
Vielleicht sollte ich mich von ihm trennen.

© Miranda Rathmann / Berlin, 13.Oktober 1999
 

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