... für Leser und Schreiber.  

***Lamia*** 3.3 Naschen

263
263 Stimmen
   
© Sandra salzhering   
   
Lamia nahm Jarnos Hand und er schluckte hart. Diese Situation entglitt ihm. Gleich wollte er sich ihr wieder entziehen, sich aus ihrem Griff lösen, doch sie ließ es nicht zu. Zum ersten Mal sah sie Furcht in seinen Augen. Und sie genoss es. Jarnos Gesicht war leicht gerötet und kleine Schweißperlen hatten sich über seiner Oberlippe gebildet. Endlich sah sie die ihr so vertraute Angst. So war sie es von anderen Männern gewöhnt. Zärtlich strich sie mit ihrem Zeigefinger über seine mit dem Schatten eines Bartes bedeckte Wange und flüsterte: „Du hattest Recht. Manchmal kann ich Gedanken lesen.“ Jarno zuckte leicht zusammen. Die Bestie in ihr hatte die Oberhand gewonnen und er hatte ihr nichts entgegenzusetzen. Gehetzt versuchte er sich zu erinnern, wo er seinen Dolch abgelegt hatte. Sie fuhr unterdessen unbeirrt fort: „Und manchmal sollte man sehr bedacht sein, mit dem, was man sich wünscht.“ Ihr Blick wurde ernst: „Deinen Wunsch werde ich Dir nun erfüllen.“ Sie zog ihn nah zu sich ran, sog seinen Duft ein – konnte seine Angst riechen. Genau so wollte sie das. Jarno versuchte erneut, sich ihr zu entziehen. Doch er sah in Lamias Gesicht, dass sie ihn nicht freigeben würde. Zu sehr hatte er sie gereizt. Und aus ihrem unmenschlich kräftigen Griff konnte er sich nicht befreien. Er hatte sich in die Gefahr begeben und nun blieb ihm nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass er nicht darin umkam.

Mit der freien Hand nahm Lamia ein Messer von der Anrichte und führte es blitzschnell an seinem Daumen vorbei. Jarno entfuhr ein leises Stöhnen. Dickes rotes Blut quoll hervor. Mit zärtlicher Stimme hauchte sie ihm ins Ohr: „Hab keine Angst.“ Ihre Zunge an seinem Ohrläppchen ließ einen heißen Schauer durch seinen Körper fließen. „Ich will Dich kosten. Nur ein wenig naschen.“ Jarno sah ihre Augen. Sie waren voller Verlangen. Sie betrachtete ihn genauso hungrig, wie das frische saftige Fleisch, das er für sie zubereitet hatte. Ganz so, wie er es sich in einem unbedachten Moment gewünscht hatte. Lamia lockerte ihren Griff um sein Handgelenk ein wenig – schließlich war sie sich gewiss, dass er ihr nicht entkommen konnte. Immer noch spürte er die Angst um sein Leben – wie konnte er einer Bestie vertrauen, die sich gewöhnlich von Menschenblut ernährte? Und doch erregte es ihn, ihre ungezügelte Gier zu sehen. Jarno hob seinen Arm und drückte seinen Daumen sanft an ihre Unterlippe – benetzte sie mit seinem Blut. Er wusste, er spielte nicht mehr nur mit dem Feuer – nein, er stand bereits mittendrin.

Sie spürte die feuchte Wärme an ihren Lippen und stieß laut ihren Atem aus. Der unwiderstehliche Duft frischen Blutes schärfte ihre Sinne. Ihre Zunge nahm es auf. Wie süß er schmeckte. Instinktiv wuchsen ihre Raubtierzähne. Sie konnte sie fühlen. Es war unbeschreiblich. Sie spürte das so oft und doch war es jedes Mal ein faszinierend sinnlicher Genuss. Ganz langsam schoben sich ihre Zähne immer weiter aus ihrem Kiefer heraus. Gleichzeitig schärften sich ihre Sinne. Sie sah ihm in die Augen – konnte neben seiner Angst noch etwas anderes erkennen. Es wirkte auf sie wie das zarte Pflänzchen neu aufkeimender Liebe. Gleichzeitig konnte sie das Blut unter seiner Haut riechen. Sie musste ihre niedersten Instinkte im Zaum halten. Ihr Blick wanderte weiter zu seinem Hals und sie konnte sehen, wie das Blut kontinuierlich durch seine verführerische Ader gepumpt wurde. Auch ihr Gehör wurde geschärft, so vernahm sie deutlich das aufgeregte Pochen seines Herzens und beinah alles in ihr schrie danach, ihre Zähne in sein warmes, vor Leben pulsierendes Fleisch zu graben – ihn zu trinken. Doch war da eine leise Stimme in ihrem Inneren, die es ihr verbot. Weil sie einen neuen Koch würde suchen müssen? Nein, welch lächerlicher Vorwand. Es gab einen wichtigeren – einen viel stärkeren Grund! Doch er offenbarte sich ihr nicht und sie wollte nicht darüber nachdenken. Nicht jetzt! Jetzt wollte sie ihn! Sie durfte nicht und das machte es noch viel verlockender für sie.

Doch sie durfte naschen. Sie griff zu seinem Arm, nahm seinen Daumen in den Mund und trank sein köstliches Blut. Lamia entwich ein leises Schnurren, das Jarno wahnsinnig machte. Er spürte ihre Zunge. Seine freie Hand griff in ihre Haare, drückte sanft ihren Kopf näher zu sich. Sie leckte, saugte und sie musste sich so sehr beherrschen, ihn nicht zu beißen. Stattdessen schmiegte sie sich fest an ihn und genoss diesen wunderbaren Moment. Jarno spürte ihre Erregung. Sie zitterte ein wenig – so sehr zügelte sie sich. Die Bestie in ihr kämpfte einen harten Kampf mit der Frau, die ihn so wollte, wie er war. Lebendig und warm. Vorsichtig entzog er sich ihr, legte einen Finger unter ihr Kinn und sah ihr in die Augen. Sie konnte seine Erregung sehen – er wollte ihr zeigen, wie sie auf ihn wirkte. Zärtlich küsste er sie. Drang sanft in ihren Mund ein und fuhr mit seiner Zunge an ihren langen Eckzähnen entlang. Ihr entfuhr ein leises Seufzen. Langsam löste sich Lamia von ihm. Sie sah ihm in die Augen: „Komm zu mir! Gleich!“ Mit diesen Worten drehte sie sich weg, wollte voraus gehen. Doch er ergriff ihren Arm, wirbelte sie herum, so dass sie direkt in seinen Armen landete. Nun war sie es, die sich nicht befreien konnte. Seine grün glitzernden Augen hielten sie gefangen – ganz und gar – und seine raue Stimme brachte ihr kaltes Herz zum Schmelzen: „Ganz wie Ihr wünscht, meine Herrin.“

Mit diesen Worten küsste er sie wieder – weitaus fordernder denn je zuvor.
 

http://www.webstories.cc 22.05.2024 - 01:27:30