... für Leser und Schreiber.  

Nachts am Strand

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© Sven Jacobs   
   
Ich starrte die dunkle Küste entlang. Wir waren jetzt schon seit drei Tagen in Italien... Ich musste mir zwar eingestehen, dass es mir bis dahin sehr gut gefallen hatte, doch an diesem Tag hatte ich meinen endgültigen Tiefpunkt erreicht. So langsam aber sicher konnte ich diese Gesichter nicht mehr sehen. Sie nervten mich einfach nur noch.
Zwar sagten die Lehrer, wir dürften nicht alleine durch die Straßen ziehen, aber was wollten sie machen? Ich habe mich einfach von meiner Gruppe entfernt und bin zum Strand geschlichen. Was hätte mir denn dort passieren sollen? Es war Nacht, der Strand war verlassen.
Der Wind pfiff, die Wellen klatschten.
Ich machte einen Schritt in Richtung des Wassers, das fast meine Füße berührte und schaute in die Dunkelheit. Ich atmete tief ein, die frische Luft tat mir gut.
Zwanzig Meter vor der Küste wurden Boote angeschwemmt, in ihnen schienen Menschen zu sitzen, die mich anstarrten. So sah es zumindest aus, doch mein Verstand sagte mir, dass es keine Menschen sein konnten. Wieso sollten Menschen nachts in einem Boot sitzen und sich von der Strömung anschwemmen lassen? Ich schüttelte mit dem Kopf und setzte mich in den Sand. Es war September, zehn Tage vor meinem Geburtstag und ich war hunderte Kilometer von zu Hause entfernt. Das Wetter war in Italien viel besser als in Deutschland, sogar am späten Abend konnte man noch mit kurzer Hose und T-Shirt an den Strand gehen, um die Atmosphäre zu genießen oder über ein paar Dinge nachzudenken.
Der Wind pfiff.
Ich schaute auf meine Uhr und richtete meinen Kopf in die Höhe. Ein kleiner Stern blinzelte mich an. Plötzlich hörte ich ein leises Geräusch hinter mir, schnell drehte ich mich um und blickte in die Dunkelheit. Mein Herz schlug schneller, meine Augen wanderten von links nach rechts, nach dem suchend, was mich so erschreckt hatte. Mein Atmen wurde schwer. Plötzlich sah ich hinter jedem Sonnenschirm eine Gestalt stehen, die mich beobachtete und nur darauf wartete, mich anzugreifen. Der Wind machte mich verrückt. Er ließ die Schirme rascheln, der Sand wurde aufgewirbelt. Ich drehte mich wieder um, die Boote, die ich ganz vergessen hatte, kamen immer näher. Ich wusste immer noch nicht, was dort in den Booten war, doch es sah nicht mehr nach Menschen aus.
Ein Knacken.
Ich sprang auf, fuhr herum und setzte mich in Bewegung. Ich wollte so schnell es auch nur ging von diesem Ort verschwinden. Ich hörte leise den Schritte und wurde langsamer.
Ich horchte, die Schritte wurden immer schneller und kamen immer näher. Ein Schatten sprang zwischen den Schirmen, ich erschrak und rannte davon. Die Schritte wurden immer lauter, doch was hörte ich da eigentlich? Ich hörte Schritte? Im Sand? War das alles nur Einbildung, oder war wirklich jemand hinter mir her? Ich rannte und blickte zwischen die Sonnenschirme. Da war der Schatten erneut, diesmal hielt er etwas blitzendes in der Hand. Ein Messer? Der Schatten verschwand, tauchte wieder auf, verschwand. Ich hörte ein Atmen, als würde jemand hinter mir her rennen und würde seinen Atem in meinen Nacken hauchen. Mein Herz klopfte. Ich schaute dorthin, wo gerade noch der Schatten gestanden hatte und erschrak. Es sah plötzlich so aus, als würden einhundert Menschen vor mir stehen und würden mich anstarren. Schnell wurde mir klar, dass das nur die Sonnenschirme waren, die sich im Wind bewegten.
War ich etwa so paranoid?
Ich versuchte alles im Auge zu behalten, die Sonnenschirme, den Schatten und das Meer, das von weitem so tief schwarz wirkte, als könne es ein Leben verschlucken.
Plötzlich lief ich gegen etwas und fiel rückwärts zu Boden. Ich hatte Panik, ich wusste nicht, gegen was ich gelaufen war und hatte Angst davor, es herauszufinden. Ich schaute vorsichtig nach oben und blickte in das Gesicht eines alten Mannes. Er schaute herabwürdigend auf mich hinab. Das war es jetzt, dachte ich und schloss die Augen, doch es geschah nichts. Als ich meine Augen wieder öffnete, hielt der Mann seine Hand in meine Richtung und wollte mir aufhelfen. Ich lehnte dankend ab und stellte mich hin.
Ich schaute, starrte den Mann an und ging vorsichtig an ihm vorbei. Ich rannte einige Meter und schaute dann zurück, doch da war niemand mehr. Stille.
Der Wind legte sich.
Ich drehte mich wieder um, versenkte meine Hände in den Hosentaschen und ging über das Strandgelände. Ich dachte die ganze Zeit darüber nach, was mir gerade passiert war, eine Erklärung fand ich jedoch nicht. Ich ging zurück zum Hotel.
 

http://www.webstories.cc 27.04.2024 - 16:23:30