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Freitag der 13te - und die Allianz-Versicherung

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©  ThiloS   
   
Heute morgen, ich habe mich eben beim Rasieren geschnitten und stille den Blutfluss, indem ich mir eine "Serena" an die Backe halte, höre ich im Radio, dass heute "Freitag der 13te" ist. Und wo ist der sicherste Platz an einem Freitagdemdreizehnten?

Die Dame mit der erotischen Stimme im Radio sagt es mir: "Der vielleicht sicherste Platz an einem Freitag dem 13ten ist in Ihrer Allianz-Agentur vor Ort." Hätte die dumme Kuh das 5 Minuten früher gesagt, dann hätte ich mich dort rasiert...

Aber es ist ja noch nicht zu spät. Rein in den Anzug, Köfferchen geschnappt, vorsichtshalber nicht ins Auto gestiegen, sondern zu "meiner" Allianz-Agentur vor Ort gelaufen, die einem gewissen Herrn Wagner gehört ...

Ich öffne punkt 9 Uhr die Tür mit dem obligatorischen "Palim" und stehe im Landbüro von Herrn Wagner. Herr Wagner trägt eine graue Anzughose, ein hellblaues, kurzärmliges Fliegerhemd vom Kaufhof und dazu eine fernsehtestbildgemusterte Krawatte. Ich schätze ihn so um die 40.

Er sieht überrascht von seinem Schreibtisch auf.
"Guten Morgen", sagt er und lächelt freundlich.
"Guten Morgen", lächle ich freundlich zurück.
Er steht hinter seinem Schreibtisch auf, kommt auf mich zu, gibt mir die Hand. "Wagner, guten Tag." Ich gebe sie ihm zurück: "ThiloS, auch guten Tag." Und dann macht er eine einladende Geste in Richtung eines kleinen Tischchens mit zwei Stühlen.

Ich setze mich artig hin. "Kann ich Ihnen etwas anbieten?", fragt er. Gerne. Ein Kaffee wäre nicht schlecht. "Kommt sofort", sagt er eifrig, verschwindet hinter einem Türchen und kommt mit einer Tasse Kaffee, zwei Zuckerstückchen und einem dieser kleinen tückischen Plastikmilcheimerchen zurück. Er stellt sie vor mich hin, greift sich einen Block und Stift und fragt: "Was kann ich denn für Sie tun, Herr, äh...."

"ThiloS."

"Genau, Herr ThiloS. Was führt Sie denn zu mir?"
"Ihre Radiowerbung", antworte ich wahrheitsgemäß.
"Ah ja, verstehe, wegen der Unfallversicherung, gell?"
"Nein, wegen dem Freitag dem 13ten."
"Ah ja, hehe, was kann ich denn da speziell für Sie tun?"

Hehe.

"Mich in Ruhe meine Arbeit machen lassen."

Herr Wagner scheint etwas verblüfft. "Wie meinen Sie das?"
"Nun ja", ich popele an diesem kleinen Milchdings herum, "die Frau im Radio hat gesagt, Ihre Agentur wäre heute der sicherste Platz ..."

"Ja schon, hehe, aber jetzt mal ohne Spaß. Was führt Sie zu mir?"
Ich knubbele immer noch an dem Milchdöschen herum. "Sagte ich doch schon. Ich will heute sicher sein, ich habe mich heute morgen schon beim Rasieren geschnitten und will nicht noch ein Risiko eingehen. Und ich dachte, ich bin hier richtig, weil die Dame doch im Radio ..."

ZACK. Das verdammte Milchdings ist wie üblich geplatzt und auf Herrn Wagners Hemd und Wildmusterkrawatte gespritzt, auf der die Milchflecken aber nicht weiter auffallen.

"Da, sehen Sie, was ich meine?" Herr Wagner ist nicht nur milchbetröpfelt, es schaut auch so drein. "Verdammt", sagt er und ich: "Entschuldigung, war klar dass das passiert, Freitag der 13te." Und er: "Moment, ich wisch das schnell weg..." Spricht's und verschwindet wieder hinter besagtem Türchen. Ich höre kurz Wasser laufen, ein geknurrtes "Scheiße", dann kommt Herr Wagner mit einem riesigen Wasserflecken auf dem Hemd und einem Putzlappen zurück und wischt den Tisch. Er lächelt gequält. "Kleinen Moment, bin gleich wieder bei Ihnen." "Jaja, lassen Sie sich ruhig Zeit."
Bringt Putzläppchen hinter Türchen, kommt wieder und setzt sich.

Er brauchte wohl die Zeit, sich zu fangen. "Kleines Missgeschick, hehe", sagt er, "kann ja jedem mal passieren. Haben Sie eigentlich eine Haftpflichtversicherung?"

"Klar", sage ich. "Die hat jeder heute."

"Hmm, soso. Darf ich Ihnen ein Angebot der Allianz unterbreiten?"
Nein.

"Sagen Sie...", er wirkt jetzt leicht angenervt, "...was wollen Sie denn genau von mir?"

"Ich? Gar nichts. Ich will nur hier sitzen, weil das heute der sicherste Platz ist."

"Und Sie meinen das ernst?"
Ja, wie oft denn noch?
"Das geht nicht."
"Warum nicht?", will ich wissen, "die Dame im Radio sagte doch..."

"Das interessiert mich nicht, was die Werbung sagt, dies ist mein Büro, Sie können hier nicht sitzen..."

"Aber ich sitze doch ...", gebe ich trotzig zurück.

"Aber nicht mehr lange. Entweder Sie sagen mir jetzt, was Sie wollen, oder Sie gehen ..." Er ist jetzt richtig sauer.

Ich aber auch. "DIE TUSSE IM RADIO HAT GESAGT ..."
"ICH WEISS, WAS DIE SCHLAMPE GESAGT HAT ..."
"ENTWEDER BIN ICH HIER IN MEINEM ALLIANZ-BÜRO VOR ORT ODER DIE ALLIANZ LÜGT IN IHRER WERBUNG, IST ES DAS, WAS SIE MIR SAGEN WOLLEN? ICH BIN GESPANNT, WIE DAS DIE ZEITUNG UND IHRE KUNDEN AUFNEHMEN ..."

Herr Wagner keucht hörbar und greift sich ans Herz: "Das ist doch ..., das ist doch ..." Er schnauft schwer. "Das ist ja eine Unverschämtheit ..."

"Nein", sage ich, "die Allianz Werbung ..."

"Hausfriedensbruch ist das, jawohl Hausfriedensbruch." Er ist fassungslos. "Hören Sie: entweder Sie gehen jetzt oder ich hole die Polizei..."

Ach ja?

"Gut, dann hole ich die Presse."

Er springt auf, holt aus und schallert mir eine, dass die Brille fliegt. Als ich vom Stuhl falle, schlage ich mit dem Kopf auf die Heizung, sehe als letztes Wagners entsetztes Gesicht und dann wird es Nacht ...

Als ich im Krankenhaus zu mir komme, streichelt mir eine wundervoll hübsche Krankenschwester über die Stirn. "Geht’s Ihnen besser?", fragt sie. "Ich war in einem Allianz-Büro", stöhne ich...

"Ich weiß", sagt sie sanft, "unsere Notfallstrasse ist heute voll mit Leuten, die in einem Allianz-Büro waren. Völlig unverständlich eigentlich, wo die Frau in der Werbung doch heute morgen gesagt hat ..."
 

http://www.webstories.cc 05.05.2024 - 09:49:28