... für Leser und Schreiber.  

Mein Baby, Toiletten und Kinderwagen

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© Robert Zobel   
   
Finn ist jetzt zwei Monate und ein paar zerquetschte Wochen alt. Das ist noch nicht viel Lebenszeit, aber manchmal schaut er mich an als wenn er all das Wissen der Welt intus hat und sich denkt “Toll, und da muss ich auch hin. Auf so ein Level.”
Alle Eltern meinen, dass ihr Kind das schönste Baby überhaupt ist. Diese Erfahrung mache ich auch gerade, aber es ist viel mehr, es ist Gewissheit. Wenn andere Kinderwagen an meinem vorbeischieben lächele ich mitleidig die fremde Mutter an und schaue dann noch einmal kurz hinein. Das Resultat ist immer “Im Gegensatz zu Finn ein Monster”.
Bis jetzt hat er noch niemals irgendwo anders geschlafen als auf meiner oder der Brust seiner Mutter. Er liegt immer in unserem Bett und niemals würde es uns einfallen, uns im Schlaf zu drehen. Unsere Liebe reicht bis in die Traumwelt.
Das, das Baby im Bett der Eltern schläft bezeichnet man Co-Sleeping. Viele sagen, dass man so sein Kind verhätschelt, aber das ist totaler Quatsch. In Indien und Japan wird das nur so gemacht und wer jetzt, nach dieser Info, immer noch sagt das, das so ist, ist ein Pubibungi.
Vielleicht auch ein Bongoschitti oder Fresselowissi. Babysprache. Da wechsele ich ständig hin. Es ist wichtig mit dem Baby Babylaute auszutauschen. Dann fühlt es sich angenommen und Finn lernt so auch sicher viel schneller das Sprechen. Ist ja logisch. Er merkt automatisch dabei, dass es uns interessiert, was er da so sagt. Selbst wenn er nur brabbelt reagieren wir und fangen mit ihm an auf gleiche Weise zu sprechen. Hier besteht dann nur die Gefahr, dass wir die Babysprache annehmen, unsere vergessen und er nichts lernt.
Jetzt gerade wird er von Judith im Arm gehalten quietscht ein wenig, trinkt und brubbelt und schaut die Lampe an. Er mag das Licht und er mag Winnie Pooh. Na ja, letzteres haben wir ihm irgendwie aufgezwungen, aber das wird er später nicht wissen. Noch funktioniert das Langzeitgedächtnis nämlich nicht so doll. Heißt es auf jeden Fall.
Von Neustadt-Glewe bin ich mit ihm schon einmal nach Schwerin gefahren. Ganz alleine mit Wagen, Flaschen voller Milch und einem MP3-Player. Den “Walkman” hatte ich mir extra eingesteckt, weil ich ja immer Musik höre wenn ich mit der deutschen Bahn und deren Verbündeten fahre. Schnell habe ich aber gemerkt, dass das eine Heroinidee war, denn Walkman hören geht ja nun mal gar nicht. Jede Sekunde prüfte ich mit achthundert Wageninnenblicken das Finngesicht, richtete Schnuller und Mützchen richtig und streichelte die kleinen warmen Wangen. Kurz nach Einstieg in die Bahn spürte ich leichten Blasendruck und da erkannte ich, ich kann nicht auf Toilette gehen. Nur ein Raben- oder Sperlingvater lässt sein Kind alleine im Kinderwagen im Zugabteil zurück. So einer würde dann beim Kindverschwinden auch sicher nur die Achseln kurz heben und sinken lassen und auf sein Hosenmittelbeule deuten. Dann in die Kamera schauen, keck lächeln und säuseln “Na ja, bin ja noch potent und es gibt ja noch genug knackbare Töchter von knackbaren Müttern”.
Also beließ ich es bei diesem Druckgefühl.
Frau sagt, Männer mit Kindern üben eine gewissen Anziehungskraft auf Frauen aus. Ich denke dass ist totaler Quatsch. Natürlich schauen die interessiert zu, was da ein Mann mit einem Baby so macht, aber in ihren kleinen Köpfchen denken die nicht “Ohh leckerer Boy mit süßem Baby” sondern “Wie kann man den Vater nur alleine mit dem Baby lassen. Mal schauen, was er so für Fehler macht”.
Irgendwann fing Finn an zu weinen. Macht er nicht oft, aber wenn dann richtig. Man kann auch genau einordnen was das Weinen bedeutet. In diesem Fall hatte er Hunger und ich stillte ihn. Oh ja stillen. Das muss grandios für eine Mutter sein und scheiß auf Penisneid, ich habe ab jetzt Brustneid.
In Schwerin angekommen habe ich immer noch keine Gelegenheit gefunden um in eine Toilette zu kommen. Hätte ich eine tiefschwarze Hose getragen hätte ich einuriniert, aber hellblau färbte sich gerne mal in tiefblau bei Uriniereskapaden. Freunde des Golden-Shower können davon ein Gurgellied singen. (Notiz: Hallo Robert. Ich bin es Robert, also DU. Bitte diesen Text niemals Finn zugänglich machen wenn er lesen kann oder aufgeklärt ist)
So musste ich einen Zwischenstopp bei meiner Tante einlegen. Eigentlich hatte ich mich mit der gestritten, aber wer schon einmal richtig auf Toilette musste, der weiß, dass Urin dicker ist als Blut.
Ich möchte bei der Stadt monieren, dass es keine Toiletten gibt, in die man seine Kinderwägelchen mit hinein nehmen kann. Hier mal eine kleine Frage; Wie sieht es in anderen Städten aus? Außerdem kritisiere ich deutsche Straßenverhältnisse. Die werden schon von Autofahrern kritisiert, aber das ist doch Kikifax. Ich spreche hier nicht von Fahrbahnen sondern von Fußgängerzonen mit Löchern groß wie platt gedrückte Katzen. Sie wecken jedes Baby auf, weil aber mein Baby nicht jedes Baby ist und ich ein guter bis perfekter Wagenfahrer ging alles im Schlafe ab.

Ach wohin sollte dieser Text eigentlich führen? Ich hab keine Ahnung denke ich. Vielleicht brauchen Texte auch keine Richtung. Vielleicht ist das Ende die Richtung. Eine Richtung, die man immer gut findet.

Muss jetzt zum schlafenden Finn und hab Rückenschmerzen vom ganzen Gedanken machen über die Richtung und das Ende. Bekomme schon wieder Blasendrücken und Lust auf gurgelnde Golden-Shower-Peoples, die neben mir die Nationalhymne blubbern. Ich muss los.
 

http://www.webstories.cc 07.05.2024 - 00:10:19