... für Leser und Schreiber.  

Bürowahnsinn

41
42 Stimmen
   
©  Tobey   
   
Die Haare durchgestylt,
frisch rasiert,
Hose und Hemd gebügelt,
die Krawatte beraubt mich meiner Luft.
Ein Blick in den Spiegel,
Applaus für den Mann im Clownskostüm.

Kaffeeschwarzeinlauf. Die Folter beginnt,
schließe die Augen für zehn Sekunden,
reiße sie auf, verdammt!
Gerade Straße. Ich lebe noch. Der Puls rast,
viel schneller als das Herz schlagen will.
Anschließend Filmriss.

Acht Stunden später wache ich auf,
Feierabend. Scheiss Tag. Wie gestern.
Schnell in die Sauna,
Büroheucheleien und Arbeitsfrust ausschwitzen.
Die kalte Dusche flößt Gewissheit ein:
Bald wieder arbeiten.

Frau hat gekocht. Schmeckt gut.
Ich will ficken, aber nicht sie.
Samenerguss um punkt acht,
wer konnte ahnen wie gut meine Sekretärin ist.
Jetzt auf die Couch, ein flüchtiger Kuss.
Ehemannaufgaben erfüllt. Morgen arbeiten.

Der Fernseher brüllt mich an.
Wir sollten etwas an unserem Leben ändern.
Mehr draus machen, viel mehr leben.
Was schaut sich das Miststück da an?
Fernbedienung her. Fernseher aus.
Direkt ins Bett. Gleich arbeiten.

Der Wecker klingelt. Dreckding.
Kurz ins Bad, eine kleine Vision:
Die Toilette beginnt zu beben,
mir spritzt die ganze Scheisse ins Gesicht,
die ich mein Leben lang verdaut habe.
Augen schnell frei gekratzt. Jetzt Arbeiten.

Blind ins Kostüm gestolpert.
Kurzer Blick in den Spiegel.
Was andere in diesem Augenblick sehen?
Dunkle Wahrheiten am hellen Morgen?
Leuchtende Lügen im matten Badezimmerlicht?
Willkommen im Kosmos der traurigen Clowns.
 

http://www.webstories.cc 13.05.2024 - 08:29:21