... für Leser und Schreiber.  

Je näher man etwas kommt...

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© Judy S.H.   
   
Je näher man etwas kommt…

Die Wohnungstür öffnet sich, mit einem freudigen Lächeln wird sie empfangen, aber sie lächelt nicht, in ihren Augen spiegelt sich der Schmerz über das wieder, was gleich passieren wird. Schweigend folgt sie ihm in die Wohnung und seine Freude treibt immer mehr den Dolch in ihr Herz.
Sie setzt sich nicht, will auch nichts trinken, nicht einmal eine rauchen will sie, sie will nur wieder hier raus.
Ihre Knie zittern und sie kann einfach nicht damit aufhören.
Vielleicht sollte ich doch einfach wieder gehen.
Immer noch in mit freudiger Stimme redet er über Allerei auf sie ein, was ihr die Sache nicht gerade leichter macht.

„Ich bin hier…“ ihre Stimme versagt, erwartungsvoll schaut er sie an.
Sie seufzt schwer und senkt ihren Blick „Ich muss unsere Freundschaft beenden.“
Sein Lächeln verschwindet. „Warum?“
„Weil ich nicht mehr so weiter machen kann, ich kann diese Lüge nicht mehr aufrecht erhalten. Ich hab es versucht, wirklich, aber es geht nicht.“
„Ich verstehe nicht“ seine Stimme klingt schwach.
„Es gab eine Zeit in der wir uns sehr nah waren, dennoch sind wir immer Fremde geblieben. Wir haben uns nur eingebildet einander zu kennen. Was weißt du denn schon von mir? Und was weiß ich von dir?“

Nicht lauter, als ein Flüstern, sagt sie „Es war ein wunderschöner Traum, aber nun wird es Zeit aufzuwachen“
Sie spürt, wie er sie genau beobachtet. Nervös beginnt sie auf ihrer Lippe zu beißen.
„Also bist du hier, um mir zu sagen, dass ich Schuld bin?“ Seine Stimmt kling gereitzt.
Langsam schüttelt sie den Kopf: „Ich gebe dir keine Schuld. Wenn jemand Schuld trägt, dann wohl ich. Über die Dinge, dich mich wirklich verletzt haben, hab ich mich nie beschwert. Aber eigentlich glaube ich, dass uns einfach die Zeit zum Verhängnis geworden ist. Vielleicht haben wir uns auch einfach nur überschätzt.“
Schweigen erfüllt den Raum und scheint eine Ewigkeit zu wehren.
Immer mehr Kraft kostet es sie, nicht die Hand nach ihm auszustrecken.
Sowas nennt man wohl Ironie des Schicksals. Wenn man demjenigen ‚Leb wohl’ sagt, dessen Hilfe man nun am meisten brauchen würde.
„Ich will nicht mehr für etwas kämpfen, das nicht mehr sein wird“

Unsanft werden ihre Schultern gepackt, er beginnt sie zu schütteln.
„Wie kannst du das so einfach sagen?“
Einfach?! Seh ich so aus, als ob das für mich einfach wäre? Ausserdem tust du mir weh, Idiot! Brüllt sie ihn in Gedanken an, doch bringt es einfach nicht über die Lippen. Hält immer noch den Kopf gesenkt und versucht den Schmerz auszublenden.
„Es muss doch etwas geben. Bitte!“ seine Stimme klingt wütend, aber man hört einen flehenden Unterton.
„Es gibt nichts mehr, es ist zu spät. Jeden Weg, der uns wieder zu einander führen würde, können wir nicht gehen. Denn ich bin zu stur und du zu stolz“

Kraftlos lässt er seine Arme fallen. „Bedeute ich dir denn gar nichts mehr?“
Zum ersten Mal blickt sie auf, Tränen strömen hinab.
„Ich liebe dich“ sie hält kurz inne „Aber leider mag ich dich nicht mehr.“
Bevor er auch nur die Möglichkeit zu reagieren hat, stürmt sie aus der Wohnung.


….desto mehr verliert man es aus den Augen
 

http://www.webstories.cc 18.05.2024 - 05:56:27