... für Leser und Schreiber.  

HÄSI und HASIPUTZI (3)

33
33 Stimmen
   
© Simon Templar   
   
HÄSI und HASIPUTZI (3)

„Die alte Eiche wird gefällt, die alte Eiche wird gefällt“, so rauschte und piepste und schrie es, für Menschenohren unhörbar durch den Wald. Und Harro hörte es natürlich auch, denn er lag ja direkt neben dem gräflichen Kaminholzhacker. „Ich könnte“, so bellte er laut und vernehmlich in den Wald, „ich könnte meinem Herrchen doch einfach mal in den Po, oder das Bein beißen, dann kann er lange Zeit nicht mehr mit der Axt unserer alten Eiche weh tun…“, wau-waute er ‚mutig’ weiter da er natürlich wusste, dass Graf Hubertus ihn gar nicht verstehen konnte.

„Und dann, wenn er wieder gesund ist“, piepste es plötzlich direkt über ihm. Das war die kleine „Sonnenscheinchen“, der jüngste Sproß von Familie Rotkehlchen, die zwar noch sehr jung, aber keinesfalls dumm war. „Und was glaubst Du Harro, was dieses Scheusal dann mit Dir macht ! Erschießen wird er Dich, oder in den alten Bärenzwinger im Schlossgarten sperren. Also tu es bitte nicht. Es muß und wird bestimmt noch eine andere, eine bessere Lösung geben.“

„Ja, da hast Du natürlich Recht“, sagte Harro und leckte sich die letzten Leberwurstdüfte von der Nase. „Das sollte ja auch nur ein Vorschlag sein…“ Er guckte Sonnenscheinchen aus seinen großen schwarzen Augen traurig an. „Nur ein Vorschlag“ sagte er jetzt ganz leise, rollte sich zusammen und beobachtete dabei den kleinen Piepmatz mit der roten Brust. Niedlich sieht sie ja aus, dachte er, aber schon ganz schon vorwitzig ! „Pieep, pieeeep“, zwitscherte Sonnenscheinchen, was heißen sollte, ich mach mich jetzt auf den Weg zu meiner Mami, und Du Harro, mach ja keinen Blödsinn. Und fort war der kleine Piepmatz. Traurig blickt Harro dem immer kleiner werdenden Punkt nach bis plötzlich ein lautes, brummiges Summ, summ an seine Ohren drang und ihn aufspringen ließ. Er blickte um sich und sah dann, direkt vor sich etwas großes, dickes, pelziges und mit schwarzen und gelben Streifen versehenes Etwas herumfliegen. Obwohl, fliegen konnte er das nicht nennen. Es war mehr so ein fliegendes schaukeln.

„He, wer bist Du denn“ fragte er ! Das fliegende Pelzknäuel sah Harro kurz aus seinen Miniäuglein, erkannte dass ihm von diesem großen pelzigen Kerl keinerlei Gefahr drohte, denn fliegen konnte der bestimmt nicht, und so setzte sich das kleine fliegende Pelzbündel direkt vor Harro auf eine gelbe Löwenzahnblume die praktischerweise mit einem dunkel markierten Landeplatz in der Blüten-Mitte versehen war.

„So, so, Du kennst mich nicht, Du weißt nicht wer und was ich bin. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Wo lebst Duuuu denn ? Auf dem Mond ?“ Das fliegende Pelzbündel war erkennbar sauer.

„Nö, ich lebe auf dem Schloß“, antwortete Harro verdrießlich, „wo soll ich denn sonst wohnen“ !

„Ja und. Auch im Schloß und um das Schloß herum, fliegen ganz viele Freunde von mir und suchen sich ihr Nektarfreßchen. Und Du hast also noch nie einen von uns gesehen und noch nie was von uns gehört“.

„Nö, hab’ ich nich“, brummte Harro.
„Na gut, dann darf ich mich Dir mal vorstellen: ich heiße „BOMBUS“ und bin eine wunderschöne Hummel, aber meine Freunde dürfen mich ‚Bombussya’ nennen“.
„Bombus ? Bombussyia“ ? So einen Namen habe ich noch nie gehört. Wer denkt sich denn denn so komische Namen dachte Harro und deshalb bellte und wau-waute er lachend vor sich hin und fand den Namen soooo komisch, dass er sich sogar auf dem Boden hin und her wälzte. „Bombus, Bombussya“ rief er dabei und wiederholte diese Worte ununterbrochen.

„Harro, halt endlich die Schnauze sonst bekommst Du einen Tritt“. Die herrische Stimme von Graf Hubertus holte Harro unweigerlich und sofort auf den Boden der Realität zurück. Harro kuschelte sich sofort so auf den Boden, dass seine Schnauze seinen langen buschigen Schwanz berührte und beobachtete wachsam und abwechselnd sowohl sein unangenehmes Herrchen als auch die sich „Bombussya“ nennende Hummel.

„Mein Gott, was ist das denn für eine fürchterliche zweibeinige Kreatur“, fragte Bombussya. „Das ist der Sohn vom alten Grafen und alle Tiere des Waldes und alle fliegenden Freunde der alten Eiche sind in Panik, weil“, hier seufzte Harro laut und vernehmlich, „mein Herrchen, also diese laute zweibeinige Kreatur wie Du sagst, die alte Eiche kaputtschlagen und zu Kaminholz verarbeiten will“, sagte er „und Du“, ergänzte er, „Du Bombus“… „Du darfst mich Bombussya nennen, denn Du bist ein neuer Freund von mir“, sagte einschmeichelnd die kleine Hummel und lümmelte sich auf ihrem Löwenzahn-Landeplatz…. „müsstest doch auch davon gehört haben. Du kannst fliegen und kommst doch auch überall herum“, ergänzte Harro seinen zuvor begonnenen Satz.

„Nun ja, da magst Du recht haben und ich denke auch darüber nach, denn das ist ganz furchtbar, aber wenn ich Nektar einsammel und dabei den ‚Hummelflug’ summe, dann vergesse ich alles um mich herum und höre nur noch mein wunderschönes ‚Hummelflug’-summ-summ“.

„Häh, Hummelflug-summ-summ ? Was ist denn das“ ?, fragte Harro.

„Nun, wie mir mein kluger Großvater, leider verstorben durch den unachtsamen Tritt eines verbotenerweise durch eine Wiese marschierenden ‚Naturfreundes’ mal verriet, hat einem berühmten Mann aus einem fernen Land unser hummeliges Summ-summ so gut gefallen, dass er daraus ein Musikstück geschrieben hat. Und das heißt HUMMELFLUG !!!“

Stolz richtete sich Bombussya auf und zeigte sich in ihrer ganzen hummeligen Schönheit dem erstaunten Harro. Denn der hatte noch nie was von ‚Hummelflug’-Musik gehört aber auch noch niemals fliegende Wesen gesehen, die wattierte Strümpfe tragen.

„Du bist ja wirklich ein merkwürdiger kleiner Vogel“, rief Harro, „und was sind denn das für komische Strümpfe die Du da trägst“ ?

Bombussya sah an sich herab und dann mußte sie ganz laut lachen. „Erstens bin ich kein Vogel und zweitens“, jetzt musste sie richtig kichern, „sind das keine Strümpfe sondern Pollenhöschen. Und an diesen kann unsere Familie, können alle Freunde und sogar Menschen erkennen, ob ich auch fleißig Nektar in den Blüten der Blumen und Bäume gesammelt habe. Und während ich das tue, bleibt Blütenstaub an meinen zarten Füßchen haften und diesen trage ich von Blüte zu Blüte und von Baum zu Baum und bewahre somit das Leben. Denn gäbe es keine Hummeln und keine Bienen, dann würde auf dieser wunderschönen Hummel-Erde kein natürliches Leben mehr möglich sein“ !

Harro war sprachlos. Er trug lediglich Zeitungen vom Schloßhof ins Schloß oder versteckte Knochen oder Wurstreste an allen möglichen oder unmöglichen Plätzen. Seine Füße und Beine, er riskierte einen kurzen Blick, denn so komisch wollte er ja nun wirklich nicht aussehen, mit Wurst-Knochen-Höschen behaftet ? Oh Gott, igittegitt, alleine die Vorstellung ließ ihn sich schütteln. Und dass er mit Leberwurstresten oder Knochenstaub an seinen Füßen Leben bewahren oder erneuern konnte, das wollte Harro eh nicht glauben und gleichgültig war es ihm obendrein auch.

„Wie Du siehst“, summte Bombussya laut und vernehmlich, „bin ich nicht nur schön, klug sondern auch ausgesprochen wichtig“.

„Ja, das bist Du“, sagte Harro und meinte das auch ausgesprochen ehrlich, denn er war ein friedlicher, lieber und auch einfach gestrickter Hund „und da das so ist, hast Du bestimmt auch schon eine Lösung parat“ !?!. Aus treuen Hundeaugen blickte er auf seine neue fliegende, hübsche und ausgesprochen kluge Bekanntschaft, denn so hatte diese das ja formuliert und geduldig wartete er auf eine Antwort.

„Ja, ja“, rief Bombussya ganz aufgeregt, „ich glaube ich habe soeben eine Lösung gefunden. Eine wunderbare Lösung, die uns allen diesen bösen Menschen vom Hals schaffen wird. Wie ich weiß haben ganz viele Bienenstämme die alte Eiche als Wohndomizil für sich ausgesucht. Einige haben draußen an der alten Eiche große Bienennester gebaut und einige andere leben im inneren der großen alten Eiche. Ja, es soll sogar Bienenvölker geben die sich unter der Eiche, also im Boden, ihre Wohnungen eingerichtet haben.“

„Komische Welt in der wir leben“, dachte der fasziniert den Hummelworten lauschende Harro. Da wohnen ein und dieselben Tiere i m Baum, a m Baum und u n t e r m Baum. Merkwürdig. Ich lebe im Haus, neben dem Kamin und ab und zu wenn, niemand im Hause ist und ich das Schloß bewachen soll, dann lebe ich auch schon mal auf dem Doppelbett der gräflichen Familie.

„Leider vertragen wir Hummeln uns nicht“, fuhr die kleine Hummel fort, „ so gut mit den Bienen. Wir würden uns zwar vertragen, die Bienen aber mögen uns nicht so richtig. Es ist eine traurige Geschichte und selbst die Evolion (die kluge Bombussya meinte Evolution) hat es im Laufe der Jahre nicht geschafft, dass wir uns mögen“. Traurig schüttelte die kleine Hummel ihr Köpfchen. „Ich schlage also vor, dass sich das erste Bienenvolk sofort auf diesen merkwürdigen Kaminholz schlagenden Grafen stürzt und diesen so lange piekst, bis er dick und verschwollen in sein Schloß rennt. Und das müssen alle Bienenvölker so lange machen, bis der Graf sich das mit dem Kaminholz noch einmal überlegt“!

Harro musste nicht lange überlegen. Auch er war schon mal von einer Biene in den rechten Hinterlauf gestochen worden und hatte dann so laut gejault, dass er sogar den erneut angreifen wollenden Bienen so leid tat, dass diese ihre bienischen Kampfattacken aus Mitleid mit ihm einstellten und abschwirrten. „Oh ja, das tut verdammt weh und Du hast vollkommen Recht, Bombussya, ein paar Stiche in die Waden und auf die Arme und Hände wird wahre Wunder bewirken“, rief schwanzwedelnd und vor lauter Freude auch wieder laut bellend, Harro.

„Schnauze, Harro, Schnauuuze“, brüllte Graf von Grob und Schlächtig und sofort wurde aus dem wedelnden und bellenden Harro ein domestiziertes Neutrum. Zumindest äußerlich, denn innerlich war Harro ein Vulkan. Sozusagen ein Rache-Vulkan. Und zum Beweis knurrte er, das aber so leise, dass es der ein paar Schritte neben ihm brotzeitende Hubertus nicht mit bekam.

„Leider kann ich diesen Vorschlag nicht selber der Queen Bee-Eliza vortragen, da – ich sagte es ja bereits – die Bienen weder mich noch uns Hummeln mögen und ein persönliches Vorsprechen bei Queen Bee-Eliza wäre mein Tod“. Erschüttert von ihrer eigenen tragischen Rede, blickte die kleine Hummeldame Harro aus feuchten Äuglein an.

Harro war versucht mit seiner langen Zunge tröstend über das kleine Hummelköpfchen zu fahren, aber sehr zu recht ahnte er, dass bei aller Liebe diese Art von Zuneigung unangenehme Nebenwirkungen haben könnte oder auch falsch verstanden werden konnte. Und so blickte er nur ganz ehrlich, ganz traurig aber auch ganz lieb aus seinen treuen Hundeaugen zu Bombussya und versprach, ihren Hummel-Vorschlag sofort den klügsten Tieren des Waldes zu überbringen. Und für Harro waren Häsi und Hasiputzi die wirklich allerallerallerklügsten Waldbewohner.

„Dann treffen wir uns morgen wieder hier und Du sagst mir dann, wie mein Vorschlag angekommen ist“ rief Bombussya und zur Bestätigung bellte Harro einmal ganz leise und ganz kurz und Gott-sei-Dank von Graf Hubertus unbemerkt. Und dann schnüffelte er ganz leise am Häscheneingang und das so lange bis er ein ganz leichtes kratzen an seiner empfindlichen Schnüffelnase spürte. „He Harro, was machst Du denn hier. Du versperrst ja den ganzen Hauseingang“ rief Häsi und Harro wau-waute ganz leise: „Häsi, ich habe eine Lösung gefunden. Eine Lösung die unsere geliebte alte Eiche und Dein zuhause und das vieler vieler anderer Tiere rettet.“

Und während er das sagte schlug sein langer buschiger Hundeschwanz einen wahren Trommelwirbel auf die Erde, so begeistert war er. „Wer morst denn da, droht schon wieder Gefahr“ ?, fragte Eulerich der Jüngste. „Nein, nein“, beruhigte Oma Eule, „das ist nur Harro der Hund, und wie üblich treibt er’s ein bisserl zu bunt“. Damit war die Eulen-Unterhaltung erst einmal beendet.

Aber am Fuße der alten Eiche saßen, wie zwei Verschwörer Häsi und Harro und als Harro mit dem Vorschlag geendet hatte konnte Häsi vor Begeisterung nicht anders als mit seinen Hasenpfoten einen Ragtime-Wirbel zu schlagen. Opa Eule seufzte als er diesen Krach in der Abenddämmerung hörte und ohne auf das ungeschriebene Eulen-Gesetz im Schatten der alten Eiche zu achten sprach er irgendwann, von wem auch immer vernommene Worte, ganz leise vor sich hin: „Ich wünschte es wäre Nacht und die …. kämen“, ja verdammt dachte er, wer war das denn noch mal, der da kommen sollte und er ärgerte sich bis er eingeschlafen war, dass ihm das nicht mehr einfiel.

Unmittelbar nach dem Trommelwirbel setzte ein Landregen ein und alle Tiere des Waldes suchten in ihren Höhlen und unter großen Blättern, in ihren Nestern oder im hohen Gras am Waldesrand Unterschlupf und fielen dann in einen wohlverdienten Schlaf.

Und die Bewohner der alten Eiche hatten es natürlich besonders gut, denn die alte Eiche war so groß, hatte so viele Äste und ganz viele Blätter, dass sogar fremde Besucher noch Platz fanden, sich zu den Eichenbewohnern legen konnten und alle ließen sich dann von dem Regentrommelwirbel in den Schlag wiegen.

Es war ein wunderschöner Sonnentag gewesen und der Regen tat den Pflanzen und den Bäumen gut, denn sie waren doch sehr durstig geworden und deshalb froh, dass es regnete, damit sie wieder Kraft schöpfen konnten für die bestimmt noch folgenden heißen Tage des langen Sommers. „Ja, ja,“ dachte die alte Eiche, hoffentlich bleibt es so schön und so friedlich, denn noch wusste sie ja nichts von dem Geheimplan, den Häsi und Harro ausgeheckt hatten, weil Bombussya so eine wahnsinnige, so eine tolle hummelige Idee gehabt hatte. Und dann schlief auch sie ein und leise fuhr der Wind durch ihre mächtige Eichenbaum-Krone und zusammen mit den klatschenden Regentropfen klang es wie ein wunderschönes Gute-Nacht-Lied.
 

http://www.webstories.cc 06.05.2024 - 04:07:58