... für Leser und Schreiber.  

In Florenz (Sommerliebe Teil 10)

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© Wolfgang scrittore   
   
Ausschnitt aus Sommerliebe

In Florenz


Beschwingten Schrittes eilten wir über die Buckelsteine der engen dunklen Gassen, bogen um eine Ecke, und da war sie, die Piazza San Lorenzo.

Ich zog Eva und mir zwei dieser gusseisernen, so filigran wirkenden Stühle heran, ließ mich aufseufzend fallen, atmete tief diese unvergleichliche Luft, diese Aromen Komposition einer südländischen Stadt, gemixt aus Jasmin, Knoblauch und Vespaqualm, um nur die intensivsten Düfte zu nennen, und warf dann dem Kellner die Worte unserer Bestellung hin. Das heißt, jetzt beim ersten Mal wieder, kamen die Laute noch etwas ungelenk über meine, im Alltag teutonische Klänge gewöhnte Zunge. Aber gleich wieder war da diese feine Melodie, dieser Wohlklang der Vokale. Ich konnte mein geliebtes Italienisch wieder anbringen, wieder sprechen, wieder eintauchen in dieses mediterrane Lebensgefühl.

„Cameriere, un mezzo di vino rosso e il menu, per favore.“

Während wir auf unsere Bestellung warteten, versank mein Blick im Bild dieser Fassade, der Fassade von San Lorenzo, auf der anderen Seite der Piazza.



Meine Augen glitten über die altersgrauen, roh behauenen Steine, die dieser Fassade ihr so archaisches Bild gaben, ohne jede Schnörkel, ohne jeden Schmuck, lebte diese Fassade nur aus sich selbst. Gar nicht zu vergleichen mit Santa Maria del Fiore, deren Buntheit, deren grün und weiße Marmorquader manchem wie aufgesetzt schienen.

San Lorenzo hatte das nicht nötig. Ich mochte den Anblick dieser Kirche gerade deshalb. Hätte der große Meister damals seinen Auftrag ausgeführt, wer weiß, wie die Fassade heute aussehen würde.

Der Regen hatte die Pflastersteine der Piazza schwarz gefärbt, Ölflecken irisierten in allen Regenbogenfarben, und die Sonne ließ den Dampf aufsteigen.

Ich öffnete zwei Knöpfe meines Hemdes, fächelte mir Luft zu, erwiderte das Lächeln eines vorüber flanierenden Mädchens und genoss das Aroma des roten Weines, der in seinem Glas vor mir funkelte. Eva blätterte in der Speisekarte und drohte mir augenfunkelnd mit dem Zeigefinger. Meine leichte, weiße Leinenhose war von der Reise verknittert und mein Hemd verschwitzt von der schwülen Luft. Aber wir hatten nicht warten wollen, hatten unsere Reisetaschen und die Koffer im Hotelzimmer abgestellt, nachdem wir eingecheckt hatten. Es war nur ein Katzensprung von unserem Hotel in der Via Nazionale, quer über den Ledermarkt, an den gusseisernen Konstruktionen der Markthalle vorbei bis hierher, bis zur Piazza San Lorenzo.

Ich wachte aus meinen Gedanken auf, als der Kellner uns den großen Teller mit Pasta auf den Tisch stellte. Der Berg Penne war mit einer verlockenden feurigen Tomatensauce überzogen. Der Duft nach Oregano, frisch gezupften Basilikumblättern, nach Knoblauch und Salbei wärmte die Erinnerungen an meinem Urlaub im letzten Jahr.

Ich hatte Eva schon die ganze Fahrt davon vorgeschwärmt.

Seit Bologna hatte es pausenlos geregnet und die Fahrt über die Appeninausläufer verlief im dichten Nebel. Erst die letzten Kilometer vor Florenz hatte es aufgeklart und die Sonne war durchgebrochen. Die Fahrerei war natürlich unter diesen Bedingungen etwas anstrengend, zumal wir gestern erst spät Bologna erreicht hatten. Unser Hotelzimmer lag unmittelbar über einer ausgesprochen lebhaften Bar, und obwohl wir noch einen reichlichen Schlummertrunk Chianti getrunken hatten, bekamen wir die Nacht über kaum ein Auge zu.

Aber jetzt saßen wir auf der Piazza San Lorenzo, widmeten unsere Aufmerksamkeit der köstlichen Pasta und nahmen mit allen Sinnen La Firenze in uns auf.

Ein schwarzer Blumenverkäufer trat an unseren Tisch und bot uns seine wunderschönen roten Rosen an. Der Mann hatte einen Blick für verliebte Paare, und ich kaufte ihm drei Rosen ab.

Ich reichte sie feierlich, der Würde des Augenblicks angemessen, meiner Liebsten, die sie strahlend entgegen nahm und sich mit einem ausführlichen Kuss bedankte. Der Kellner, der unbemerkt an unseren Tisch getreten war, stellte einen weiteren Krug mit Wein ab, grinste bis über beide Ohren und sagte überschwänglich „Que bella ragazza!“ Dann eilte er wieder davon und kam mit einer großen Vase zurück, die er lächelnd Eva überreichte.

„Ich habe mir schon gedacht, dass ihr hier sitzt und die Seele baumeln lasst!“, hörte ich plötzlich Hannes unverkennbares Organ. Die Beiden bogen gerade um die Ecke und grinsten breit. Maria fiel Eva um den Hals und Hannes boxte mich gegen die Schulter. Dann zogen sie sich die Stühle heran und riefen nach dem Kellner.

„Wann seid ihr angekommen?“, wollte ich wissen, während ich den Beiden Rotwein einschenkte.

„Vor gut zwei Stunden“ meinte Maria, „er ist gebummelt.“ Sie tippte Hannes vor die Brust. „Wir waren kurz im Hotel, dann sind wir zur Markthalle geschlendert und haben uns ein Gläschen Rotwein gegönnt.“ Hannes grinste bis über beide Ohren.
„Was wollt ihr essen?“ lachte Eva, „Ihr seid doch bestimmt bald verhungert“ als Hannes sich mit großen Augen durch die Speisekarte las.
„Die Pasta ist gut, die Soße einfach teuflisch“ trug ich meinen Senf auch noch dazu.
Schnell stand das herrlich duftende Essen auf dem Tisch und der Kellner brachte mit einem Augenzwinkern zwei Gläser und eine weitere Karraffe Wein.
„Heute Abend bummeln wir durch die Stadt. Wir können ja morgen lange ausschlafen, nicht wahr Peterl?“
„Das werden unsere Männer morgen auch brauchen“ grinste Maria verschwörerisch.
„Esst nur, dass ihr Mannsbilder Kräfte sammelt. Peterl hat ordentlich zugelangt“ ergänzte Eva und Beide brachen in schallendes Gelächter aus.
Satt und zufrieden brachen wir auf, schlenderten Arm in Arm durch die Buden des Ledermarktes zum Hotel.
„In einer halben Stunde drüben beim Espresso?“, schlug ich vor. Dann eilten wir die Treppen hinauf um uns umzuziehen.

Der Espresso war gut, ich hatte Caffeé Coretto verlangt. Der Grappa dazu war reichlich bemessen.
„Auf in den Kampf!“ Grinsend zogen wir von dannen.
Eva war schon einmal in Florenz gewesen und machte die Fremdenführerin. Unser Hotel lag sehr zentral, daher waren wir nach wenigen Minuten auf der Piazza zwischen Dom und Baptisterium, der ehemaligen Taufkapelle. Staunend legten wir unsere Köpfe in den Nacken und ließen uns von unseren Eindrücken überwältigen. Im Gegensatz zur schlichten San Lorenzo, schwelgte Santa Maria del Fiore in ihrer Farbenpracht. Grüner und weißer Marmor kleidete die Fassade. Es war wirklich beeindruckend. Die riesige rote Kuppel von Brunelleschi hatten wir schon von der Piazza Michelangelo aus bewundert.
„Jetzt will ich den David sehen“ grinste Maria und Eva stimmte begeistert zu.
„Ihr könnt doch uns auch anschauen. Was hat er denn, was wir nicht haben?“, lachte ich und boxte Hannes gegen die Schulter.
Wir wanderten die Via dei Calzaiuoli (Straße der Schuhmacher)entlang, die direkt auf die Piazza di Signoria mit dem Palazzo Vecchio führte.
Maria stieß einen Jubelschrei aus, als sie die überlebensgroße Gestalt des David erblickte. Unsere Frauen umrundeten die Figur und stießen sich immer wieder grinsend an, während Hannes und ich demonstrativ die danebenstehende weibliche Figur bewunderten.
„He, was ist mit euch? Warum schaut ihr nicht diesen göttlichen Mann an?“ Eva lachte uns auffordernd zu.
„Ach“ meinte Hannes „ich schau mich eben morgen früh im Spiegel an.“ So trocken wie er das herausbrachte, krümmten wir uns vor Lachen.
Mit einem letzten gemeinsamen Seufzer, wandten sich unsere Frauen vom Anblick diese Meisterwerks Michelangelos ab und wir marschierten lachend an den Uffizien vorbei herunter zum Arno zur Ponte Vecchio.
Die Buden der Schmuckverkäufer hatten noch geöffnet und unsere Frauen bekamen große leuchtende Augen. Besonders ein filigranes Kettchen hatte es Eva angetan.
„Das ist ja spottbillig“ flüsterte Eva und schaute mich um. Der junge Verkäufer bemerkte unser Interesse und eilte zu uns heraus. Er nahm mit einer eleganten Bewegung das Goldkettchen von seinem Kissen und legte es Eva um den Hals. Dann griff er zu einem großen Spiegel, damit Eva sich darin bewundern konnte.
Eva konnte ihren Blick nicht von ihrem Spiegelbild lösen.
Ich nickte dem Verkäufer zu, „Que bella signora!“, flüsterte er.
Dann schaute Eva mich mit fragenden Augen an. Ich nickte und gab dem jungen Mann ein Zeichen. Vorsichtig löste er den Verschluss und verschwand mit dem Kettchen in seinem Verkaufsstand.
Eva schaute mich mit einem schelmischen Augenaufschlag an, dann strahlte sie und gab mir einen dicken Kuss. Der Verkäufer hatte unterdessen das Kettchen in einer kleinen Schmuckschatulle verpackt und legte das Schächtelchen Eva in die Hand. Ich drückte dem strahlend lächelnden Mann ein paar Scheine in die Hand, dann verabschiedeten wir uns per Handschlag und schauten was Marias Interesse am Nachbarstand geweckt hatte.
Mit großen Augen sahen wir, wie Hannes seiner Maria einen schmalen Goldreif an den Finger steckte. Dann versanken sie in einer langen Umarmung.
„He, darf man gratulieren?“ lachte ich und stupste Hannes in die Seite.
 

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