... für Leser und Schreiber.  

Scherben

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© Jürgen Hellweg   
   
Auf meiner Zeit durch die Reisen sehe ich aus dem Fenster. Beim Einschlafen rattert der Zug noch schneller
und sehr viel lauter.
Ihre Hinterkopfschreie rutschen zu den Hügeln, draußen im Atlas Gebirge.
Bleibe ein paar Tage in der Stadt Tanger, wo ich jeden Morgen auf klapprigen Stühlen einen Portwein nach dem anderen trinke. Nachmittags sehe ich, wie die Wörter tropfen, ohne Mord. Dann schlafe ich wieder ein.

Ein Reigen und ein Walzer treffen sich, und verschwinden
schnell, um im Chor mit den Vögeln einen Teufelspakt zu schließen.
Schizophren jazzig lispelt mein Fuß, meine Rippenunterfläche bleibt trocken liegen.
Aber am meisten zu schaffen macht mir die Zersplitterung ihrer Metalscheibe unterhalb der linken Achselhöhle.
Beim Scheißen spüre ich dann ein Kribbeln, als ob mir
fremdartige Toilettenfrauen die Gebeine auseinanderreißen wollten.

Erschreckt schaue ich auf, beim Waschen des kopfumwickelten Fleisches. Kratzige Splitter von verrotteten Weinflaschen fallen aus meinem Gesicht, ins Spülbecken. Und jetzt pinkelt mir auch noch eine Katze ans haarlose Bein.

Aus der Ferne höre ich stürmische Winde Lachen, während ein Baby weint. Irgendwo klingelt ein Telefon.
Niemand geht ran.

Überall in dieser Eisenbahn glotzen mich gelangweilte Kinder an. Sie haben die Schnauze voll von diesen einfallslosen Märchen, und warten mit zerknirschten Gedanken.
Und doch, ein kleiner Junge erinnert sich noch an den Schneesturm, den ich vor ein paar Jahren erfunden habe.

Am nächsten Bahnhof steige ich aus, und wandere durch eine schimmernde Kristallwüste. Die Sandkörner hier glitzern wie Rohdiamanten.
Im inneren meiner Genitalien brennt eine undurchsichtige Flüssigkeit. An den Zähnen kauende Huren stellen sich bereit. Die Arztpraxis mit all den Röntgenaperaturen ist lange nicht mehr in Betrieb.
Meine Bronchitis bringt mich noch um. Trinke Unmengen von Portwein und falle in eine silberne Mülltonne.
Die Prostituierten lachen über mein Lallen. Kulleraugen einer schielenden Eule schubsen mich über die Bettkante hinaus. Am anderen Ende vom Griff rutschen die Knochen meines Herrn durch einen Wüstentornado.
...falsche Schuhe, keine Ruhe...das Piano stimmt nicht...
Niemand geht ran. Irgendwo klingelt ein Telefon, und wenn ich genau hinschaue, sehe ich gerade noch die Ärztekittel in Atombunkern vermodern.
Ein rauschendes Brüllen weckt mich in der Hitze der Nacht.
Im Sand am Strand liegt ein vollbrüstiges Wesen und schreit ebenfalls. Das Baby hat sich beruhigt und lacht. Seine sieben Grillen spielen Polka auf moosbewachsenen Xylophonen.
...Geschichten zerplatzen vor meinem geistigen Auge...in der Mitte durch...dadurch den Lurch im Lemminge Tal...

Die Anatomie des Menschen ist unerträglich
 

http://www.webstories.cc 04.05.2024 - 03:33:57