... für Leser und Schreiber.  

Ein außergewöhnliches Ereignis 1.Teil

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©  doska   
   
Ich glaube es gibt so einige außergewöhnliche Ereignisse im Leben eines Menschen. Man muss sie nur als solche betrachten. Die meisten erlebt man wohl als Kind. Alles ist dann neu und ungeheuer aufregend. Ich habe lange überlegt, welches wohl von meinen vielen spannenden Kinder- und Jugenderlebnissen wohl das größte gewesen ist und habe mich für ein ganz besonderes Ereignis entschieden, das wohl nicht jedem widerfahren ist. Um die Umstände besser verstehen zu können, unter denen ich damals leben musste, will ich zuvor zwei andere Erlebnisse bringen.

1. außergewöhnliches Erlebnis.
Wie ich schon einmal erzählte, verlief meine Kindheit nicht ganz unproblematisch, was zum großen Teil an der gestörten Verbindung zu meiner Großmutter lag. Du kannst das Verhalten eines jeden Menschen erklären, wenn du nur ein Stückchen von dessen Vergangenheit kennen gelernt hast und meine Großmutter hatte ein derart abenteuerliches Leben hinter sich - mit viel Gewalt - dass sie eben sehr stark an sich selber glauben musste, um am Leben nicht zu zerbrechen. Sie war nie irgendwie selbstreflektiert und herrschte wie eine Despotin bis ins hohe Alter über ihre beiden Töchter, deren Ehemänner und deren Kinder. Meine Großmutter war der Meinung, dass niemand an ihre hohe Intelligenz heran reichen konnte. Dabei gab es keinerlei Beweise für diese Begabung. Weder begriff meine Großmutter etwas schneller als die anderen, noch merkte sie sich mehr als gewöhnliche Leute. Sie zeigte sich auch sonst in keiner Weise als voraussschauend und klug. Ich fand immer, dass sie sich eher wie ein Kind benahm, das ganz schnell böse wurde, wenn man nicht gleich einer Meinung mit ihm war. Dass sie diese überdurchschnittliche Intelligenz nie beweisen konnte, schob sie darauf, aus ärmlichen Verhältnissen zu stammen, lediglich eine Dorfschule besucht zu haben, wo sie allerdings die beste Schülerin, der einen Klasse mit verschiedenen Jahrgängen, gewesen war. Eine Ausbildung hatte sie auch später nie gemacht, lediglich sich manchmal als Magd verdingt. Als junge Frau hatte sie sehr früh einen Beamten geheiratet und es mit großer Sparsamkeit zu einem kleinen Häuschen gebracht, in dem sogar ihre älteste Lieblingstochter mit ihrem Mann nebst kleinem Sohn Platz hatte. Im Gegensatz zu ihren übrigen Familienmitgliedern, war sie wohlhabend zu nennen und dieser Umstand trug wohl auch dazu bei, sich als etwas wesentlich Bessers als die anderen zu fühlen. Mit ihrem Mann verstand sie sich nicht besonders gut, obwohl sie ihm diesen Wohlstand verdankte, denn er arbeitete ja und sie blieb zu Hause. Er konnte ihre Launen nicht ertragen und machte schließlich was er nur wollte. Er liebte meine Großmutter sehr, hoffte immer wieder, dass sie sich ändern, ein wenig liebevoller mit den Menschen umgehen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil, meine Großmutter verbitterte immer mehr, wohl weil sie ahnte, dass sie niemand so recht mochte und nur wegen des späteren Erbes nett zu ihr war. Leider verstarb mein, über alles geliebter, Opapa ziemlich früh und es war niemand da, der vor allem meine Mutter, gegenüber der – stets zynisch einher schwatzenden – Großmutter, in Schutz nehmen konnte. Seltsamerweise klammerte sich meine Mutter sehr an diese selbstherrliche Frau, obwohl sie immer wieder von ihr zurück gewiesen wurde. Warum Großmutter vor allem ihre jüngere Tochter nicht mochte, ist mir nie so richtig klar geworden. Es wurde nicht offen darüber gesprochen. Jedenfalls war es für mich als Kind deutlich spürbar, dass zwischen den beiden irgendetwas nicht stimmte. Meine Mutter wirkte gegenüber Großmutter immer ein wenig unsicher und irgendwie schuldbewusst und meine Großmutter schob stets herrisch das Kinn vor und musterte meine Muttter mit einem sonderbaren Blick. In der Gesellschaft allerdings tat meine Großmutter immer so, als wäre alles in schönster Ordnung
Ich empfand aus diesem Grunde meine Großmutter als hinterhältig, ja zum Teil sogar boshaft und diesen boshaften Charakter schien auch die Schwester meiner Mutter zu haben- meine Tante also - und ebenso deren Sohn- mein Cousin.
Daher war ich total überrascht, dass ich ausgerechnet bei dieser Großmutter und meiner Tante plötzlich leben sollte. Verwirrt stand ich in der Tür, wo man mich rasch abgesetzt hatte. Erst drei Jahre alt, mit meinem alten Teddybären in den Armen, den ich –in meiner Hilflosigkeit – fest an mich drückte. Was war passiert, dass man mich ausgerechnet zu diesen Leuten geschickt hatte?
Meine Großmutter zeigte mir auch gleich wo es hier lang ging.
„ Da bist du ja!“ , sagte sie kühl, ohne jede freundliche Begrüßung und musterte mich, wieder mit diesem gewissen Blick, den sie auch bei meiner Mutter anwendete. Doch im Gegensatz zu meiner Mutter, blickte ich nicht schuldbewusst zu Boden, sondern direkt in diese kalten Augen. Meine Großmutter grinste seltsam. „ Ein trotziges Kind bist du!“ , sagte sie verärgert. „Aber das wird sich ändern.“
Dann entfernte sie sich vom Tisch, an welchem auch mein kleiner Cousin saß und gerade mit einem Bilderbuch beschäftigt war. Großmutter ergriff sich meinen Koffer und schloss die Tür hinter mir. Sie lief wortlos an mir vorbei und stellte den Koffer mit mürrischer Miene in einer Ecke des kleinen Zimmers ab. „Opas Liebling!“ , wisperte sie meinem Cousin zu. „ Ausgerechnet DIE lebt jetzt bei uns!“
Der kleine, stets von ihr verwöhnte Cousin, der ungefähr mein Alter hatte und ebenfalls an diese Großmutter abgegeben worden war, nickte seufzend.
Ich merkte wie sehr die beiden harmonierten und fühlte mich in diesem Moment noch einsamer als je zuvor. Eine Träne kroch ganz langsam aus meinen Augenwinkel, als ich auf die zwei zutapste, denn ich wusste nicht wohin ich nun gehen sollte. Ich hoffte, dass niemand mein trauriges Gesicht sehen konnte und drückte meinen Teddy noch fester an mich. So, als wäre der mein Schutzschild.
„ Gib mir deinen Teddy!“, zischelte meine Großmutter, stand abermals auf und öffnete den kleinen Ofen, in dem ein kräftiges Feuer brodelte
Ich war entsetzt und starrte in die gierigen Flammen. Eine zweite Träne kam und lief mir die Wange hinunter, denn ich ahnte, was mit meinem Bärchen geschehen sollte. Mein Cousin grinste in stiller Vorfreude. Seine Augen blitzten.
„Nein!“, sagte ich sehr, sehr leise. „ Du bekommst meinen Teddy nicht!“
Sie hatte alles gehört. „Hier gibt es kein „Nein“! , meinte Großmutter und schritt auf mich zu.
„Warum willst du meinen Teddy?“, keuchte ich und versteckte den Bären einfach hinter meinem Rücken.
„Warum, warum, warum!“, äffte sie meine helle Kinderstimme quäkig nach. „ Gehorche einfach!“
Und wieder grinste mein Cousin hämisch.
„ Erst die Antwort!“, beharrte ich und weitere Tränen flossen leider. Mein Cousin sah es und klatschte in die Hände.
„ Du weißt, dass ich es hasse, wenn man mir nicht sofort gehorcht!“, schrie mich Großmutter an.
Ich nickte mit einem Klos im Halse.
„ Dreh dich um!“
„Nein! Erst die Antwort!“, keuchte ich und dann rannte ich mit dem Teddy in den Armen einfach weg.
„Deine Mutter hat Tuberkulose, du dummes Ding!“, brüllte sie wütend „ Deswegen bist du hier und du kannst dich von diesem Stofftier anstecken!“ Mein Cousin schüttelte verwirrt den Kopf, denn sie jagte hinter mir her, um mir den Teddybären zu entreißen, den ich, dicht an mich gepresst, vor meiner Brust trug. „Deine Mutter könnte deinen Bären angefasst haben und deshalb wird er verbrannt! Stehe also endlich still!“
„Niemals“, schluchzte ich und die Tränen tropften in das ausgefranste Fell meines heißgeliebten Teddys. „ Mich hat meine Mama doch auch angefasst, ganz bestimmt!“
Da lachte sie schallend, irgendwie schien ihr die ganze Sache plötzlich Spaß zu machen. Sie stieß mich zurück und schloss die Tür ab.
Mein Cousin lachte ebenfalls und ich warf mich in meiner Not zu Boden, schützend über meinen Bären, küsste dessen Teddygesicht ab. „ Mein kleiner Bär, ich pass` auf dich auf.“ schluchzte ich laut, denn ich konnte, obwohl erst drei Jahre alt, ganz gut sprechen. „Dir wird niemand was tun. Niemand, hörst du!“
Meine Großmutter schäumte vor Wut. „ Weißt du, wie du bist. Ganz wie dein Großvater. Aber das wird sich ändern, du kleines verwöhntes Opakind. Und dann griff sie einfach nach dem linken Bein des Teddys, das unter einem meiner dünnen Ärmchen hervorlugte. Sie war leider stärker als ich und ein schmerzerfüllter Schrei, entwich meiner Kehle, als sie den Teddy schließlich doch hervorgezerrt hatte. „Hier wird gemacht, was ICH sage und zwar ohne Widerrede!“. Sie lachte laut und boshaft. Mein Cousin hüpfte vor Freude, als sie den Teddy vor meinen weit aufgerissen Augen ins lodernde Feuer warf. Sie ließ die Klappe offen, damit ich sehen konnte was mit meinem Bären geschah und ich schaute zu und weinte. Auch als der Bär längst verbrannt war, und man mich vom Boden hochzerrte, weinte ich noch den ganzen Abend. Ich glaube ich weinte tagelang.

So machte ich also nähere Bekanntschaft mit meiner Großmutter und weitere Elebnisse dieser Art sollten folgen. Meine Großmutter war rein äußerlich ein erwachsener Mensch, ebenso meine Tante und mein Onkel, aber sie benahmen sich nicht selten wie Kinder, wenn es darum ging, meinen Vater, meine Mutter und vor allem mich zu ärgern. Letzteres fand ich besonders fies, denn ich durfte ja gar nicht entscheiden, wo ich mein Kinderleben verbringen wollte. Ich musste dort leben und konnte mich weder körperlich noch verbal gegen drei Erwachsene wehren. Und sie verspotteten mich sehr gern oder zogen mit spitzer Zunge über meine Eltern her.
Diese Chancen- und Lieblosigkeit brachte mich mehr und mehr dazu, mich in eine Fantasiewelt zurückzuziehen. Dort konnte man mir kein Stofftier wegnehmen und verbrennen und ich lebte wieder bei meinen Eltern. Alles veränderte ich mit Hilfe meiner Gedanken und ich war glücklich. In meinem Kopf erlebte ich die schönsten Abenteuer. Mit Hilfe kleiner ausgedachter Geschichten und dazu gemalter Bildchen konnte ich meinen Cousin für mich gewinnen. Wir spielten oft stundenlang, sehr zum Verdruss der Erwachsenen, die sich oft langweilten.
Heute glaube ich, dass diese Übermacht, vor der es kein Entrinnen gab, mich derart prägte, dass sich daraus unbewusst die Grundidee zu meinem Roman dem „ Licht der Hajeps“ entwickelte. Auch hier sind Margrit und ihre Kinder den gefühlkalten spöttischen Hajeps restlos ausgeliefert. Wie mir meine Fantasie weiterhalf und immer mehr ins wirkliche Leben eingriff, davon erzähle ich das nächste Mal.
 

http://www.webstories.cc 30.04.2024 - 06:02:56