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Die Schattenkönigin

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© Klaus Asbeck   
   
Ein Eingeweihter, der abseits eines Dorfes lebt, erzählt diese sagenumwobene Geschichte:

In dem nahen großen und undurchdringlichen Wald, den selbst die Jäger meiden würden, lebe die Schattenkönigin. Eine stattlich große Frau mit schulterlangen, schwarzen Haaren, die einige Dorfbewohner in der Dämmerung und beim ersten Eulenruf gesehen haben wollen, wie sie, in Schwarz gekleidet, wie ein Schatten am Waldrand erschienen sei. Sie habe jedes Mal den Eulenruf nachgeahmt, sich dabei mit ausgebreiteten Armen ganz langsam um sich selbst gedreht, und dann habe der Wald sie wieder verschluckt.

Wie die Sage berichtet, soll sie die Geliebte des Vergessenen Ritters gewesen sein, der bei seiner Verfolgung mit seiner Begleitung Zuflucht in diesem Wald gesucht habe und danach nie mehr gesichtet worden sei. Die Schattenkönigin sei ihm hierher gefolgt, wo sie seit undenkbaren Zeiten herumgeistere. Sie habe ihn so sehr geliebt, dass eben diese große Liebe und ihre Sehnsucht ihr den erlösenden Tod verweigert hätten.

Ferner wird berichtet, dass sie in vollmondklaren Nächten auf eine große lichtumflutete Waldlichtung träte, wo man das Grab des Vergessenen Ritters vermute. In ein weißes Brautkleid gewandet, habe sie dann jedes Mal schrille Klagerufe hervorgebracht, bei denen die vielfältigen Geräusche des Waldes einer unheimlichen Stille gewichen seien. Danach sei sie immer mit leisem Schluchzen zusammengebrochen und von einem großen schwarzen Vogel in den finsteren Wald zurückgetragen worden.

In einer Nacht, als Vollmond und Sommersonnenwende zusammen trafen, sei sie wieder auf der Lichtung in ihrem weißen Brautkleid erschienen und habe klagend nach ihm gerufen. Da sei der Vergessene Ritter vor ihr erschienen, und der Mond habe seine Rüstung in strahlendes Licht getaucht. Seine Seele habe ihr Leiden nicht mehr ertragen können und sich ihrer erbarmt. Bei seinem Anblick sei sie jauchzend in seine Arme gesunken, durch ihren Tod selig erlöst.


K. A. 12.01. 2012.
 

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