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Die schöne Zugfahrt nach Neapel

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© Jürgen Hellweg   
   
Einige Stunden vergehen, ohne das geräuschvolle Quietschen gusseiserner Räder.
Dampfende Hitzewellen ersticken jeden Lufthauch.
Es ist heiß...40Grad im Schatten des Bahnhofsvordaches...
Endlich kommt das schnaufende Ungetüm in die Nähe des Steges.
Keine Ahnung, wie es noch Passagiere schaffen sollen, in die überfüllten Kabinen oder Zwischengänge zu gelangen.
Neugierige Köpfe starren aus den verschmierten Fenstern.
Ich stehe in der hektischen Menge, werde mitgerissen, anonym in dieser Menschenflucht...kriege kaum Luft...

Auf den Trittbrettern zwischen den Waggons leckt Jesus
einer wunderschönen Nonne die haarigen Beine.
Ein Geruch von Kot, Schweiß und Dreck frisst sich in meine Nase. Zigarettenqualm vernebelt den Mitfahrern
jede Sicht.
Ein stinkender...Zwiebeln, Knoblauch, Jahre nicht die Zähne geputzt...alter Mann schlurft mit einem sehr großen Bastkorb durchs Gemenge.
Unabsichtlich haut er mir das Teil schmerzvoll in den Magen. Schimpfend spuckt er aus dem Fenster.
Ich stehe irgendwie angelehnt an der Toilettentür, und alle zwei Minuten schubsen mich andere Reisende
an die Seite, weil sie pinkeln oder kacken müssen.
Neidisch blicke ich auf den französischen Rucksack Touristen an der Wand in der Nähe des ersten Klasse Abteils. Er kann wenigstens bequem STEHEN.
Ein kleiner unschuldiger Junge liegt müde auf dem schmutzigen Boden. Seine traurigen Augen, blau, schwarz, groß...suchen einen Ausweg...

Es wird immer enger, auch in meiner Luftröhre.
Endlos rattert der Zug durch die Nacht.
Meine Füße schmerzen, mir ist schlecht und ich habe Hunger.

Gerade als es so ausieht, als ob diese Reise niemals zu Ende gehen würde, höre ich wieder das geräuschvolle Quietschen gusseiserner Räder.

Wir sind da.
Ich bin da.

Hallo Neapel !
...hallo ihr Ratten...
 

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