... für Leser und Schreiber.  

Istanbul

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© Luna Seele   
   
Als ich nach Istanbul kam, wollte ich dort für immer bleiben. Für mich war es damals die schönste Stadt der Welt, auch wenn ich nie darüber nachgedacht hatte, dort irgendwann zu leben. Alles schien mir so perfekt. Es war warm, die Sonne schien scheinbar immer, das Meer glitzerte unter ihr, diese Stadt lebte und überall standen die riesigen, strahlenden Moscheen und wachten über die Bewohner. Istanbul ist abwechslungsreich und anders und doch fühlte ich mich zuhause. Die ersten Monate waren die besten meines Lebens. Bis mir die hässlichen Seiten der Metropole auffielen, die, vor denen Freunde und Verwandte mich gewarnt hatten. Die Stadt war dreckig, sie war arm, aufdringlich und anstrengend. Allerdings nicht immer und ich probierte, nun, wo ich mir dieser Fehler in der vormals makellosen Fassade bewusst war, ihnen fernzubleiben. Aber es war, als hätte Istanbul nun endlich erkannt,dass ich keinesfalls ein Teil von ihr war. Ich liebte meine Wohnung, den Hafen, den Basar, die kleinen versteckten Cafes und die nahegelegenen Inseln, aber die Wege verschreckten mich. Ich wusste nicht mehr, wie lamge ich es dort noch aushalten könnte. Ich sprach die Sprache dieser Stadt nicht, verstand die Melodie nicht, es war kein Leben mehr, nur noch Überlben, von Tag zu Tag in der Hoffnung, mich endlich wieder willkommen zu fühlen. Ich liebte diese Stadt, aber sie machte mich fertig, bedrängte mich, nahm mir die Luft zum Atmen. Ich war nicht bereit für sie, ich war zu anders und wieder riet man mir, einfach zu gehen, wo anders von vorne zu beginnen. Aber das wollte ich nicht. Ich war hier zuhause. Istanbul ist die schönste Stadt der Welt. Die Männer, die mir hinterherriefen nervten mich und machten mir Angst, gleichzeitig aber schmeichelte mir ihre Aufmerksamkeit. Das ist Istanbul. Überall wo ich langlief kamen mir Tiere entgegen, Hunde und Katzen, die um mich herumstrichen und krank und ausgezerrt um Futter winselten, ihre vertrauensvollen Augen auf meine Hände gerichtet. Das ist Istanbul. Ich liebte das Essen. Gutes Brot, gute Suppen, guter Fisch, gutes Fleisch, guter Reis, Küchen voller Kakerlaken. Das ist Istanbul. Es riecht nach Meer und nach altem Fisch. Das ist Istanbul. An den reich geschmückten Ständen voller Kostbarkeiten und leuchtendem, glitzernden Dekor kriecht eine Frau auf ihren Händen entlang, ihre Füße sind bloß Stümpfe. Das ist Istanbul. Letztendlich hat diese Stadt mich vertrieben. Ich vermisse sie jeden Tag. Den Gerich nach frischem Brot, den Ausblick über die glänzende Silhouette der Stadt von meinem Balkon, das Leuchten der tausend Restaurants im Dunkeln, die winzigen Läden, die mit jedem ihrer Kunden befreundet sind. Das Lächeln jedes Verkäufers, die Gebetsrufe, die jede Stunde erklingen. Das Gefühl zuhause zu sein. Irgendwann komme ich wieder, irgendwann bin ich stark genug, um zurückzukehren. Ich muss, denn nur in Istanbul bin ich glücklich.
 

http://www.webstories.cc 16.05.2024 - 11:13:05