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Preis der Lust/Kapitel 5

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©  rosmarin   
   
5. Kapitel
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Der Mann dort! Er konnte nur Gigan sein. Nur er hatte diesen Gang. Diese wiegenden Hüften.
Tausend Gedanken auf einmal schossen mir durch den Kopf. Was wollte der hier? Wie hatte er mich gefunden? Er sollte verschwinden. Die Kollegen wussten, dass ich verheiratet bin. Er musste verschwinden. Auf der Stelle. Er würde alles kaputt machen, jetzt, wo ich mich eingelebt hatte und so wohl fühlte.

„Nein!“, sagte ich laut, „nein!”
„Was heißt hier nein?” Gigan stand schon vor mir, umarmte und küsste mich, als wäre nichts geschehen, als hätten wir uns erst gestern getrennt. „Komm mit.” Er zog mich zu seinem alten blauen Vehikel. „Steig ein.”
Nie und nimmer würde ich jemals wieder in dieses Ding steigen. Zu diesem Verrückten. Niemals!
Eine unbändige Wut stieg langsam in mir hoch, benebelte meine Sinne, mein Denken. Nie wieder wollte ich seinem Charisma verfallen, seinem Charme, seiner fatalen Liebenswürdigkeit.
„Verschwinde!”, schrie ich unbeherrscht, „wie hast du mich überhaupt gefunden?”
„Das ist mein Geheimnis.” Gigan lächelte mich glücklich an. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich überall finden würde. Du kannst mir nicht entfliehen. Ich liebe dich Marie.”
„Du bist verrückt”, flüsterte ich, „total verrückt.”
„Klar bin ich verrückt”, sagte Gigan ruhig, „verrückt nach dir, meine Liebe.”
„Hör endlich auf mit meine Liebe. Ich bin nicht deine Liebe.“
„Meine wilde Blume.” Gigan versuchte, mich wieder zu küssen. Ich stieß ihn von mir. „Du erinnerst dich?”
Und ob ich mich erinnerte. Das war ja der Grund meines Hierseins.
Mario war gekommen, winkte mir zu, schloss die Tür auf.
„Gut”, lenkte ich zu Gigan gewand ein, „du gibst ja doch keine Ruhe. Wir treffen uns nach der Probe. Vierzehn Uhr.”
*
Wie verabredet stand Gigan Punkt vierzehn Uhr an der Ecke. Ich stieg in sein blaues Vehikel. Wir fuhren zu einem kleinen Hotel ganz in der Nähe. Ins Rosenidyll. Rechts und links zur Einfahrt blühten weiße, gelbe und rote Rosen in üppiger Pracht. Den Eingang schmückte eine Rosenlichterkette.
Ich hatte mich einigermaßen beruhigt, wollte Gigan klarmachen, dass er mich in Frieden lassen und wieder nach Berlin fahren sollte. In einem Jahr würden wir weitersehen. Stattdessen sagte ich lächelnd: „Kindskopf. Romantischer.“
Was war nur in mich gefahren? Plötzlich kam mir Gigans Besuch gar nicht mehr so absurd vor. Ich fühlte mich sogar etwas geschmeichelt. Schließlich hatte er sich die Mühe gemacht, meinen Aufenthaltsort herauszufinden und war mehr als sechshundert Kilometer gefahren. Zappi wäre das im Traum nicht eingefallen.
Wir stiegen aus, Gigan führte mich über einen mit roten Rosen bedruckten grünen Teppich in den zweiten Stock des Hauses einen langen Gang entlang zur letzten Tür.
„Überraschung!“ Gigan steckte den Schlüssel ins Schloss. „Augen zu.“
Wie damals in der gemieteten Wohnung trug mich Gigan über die Schwelle.
„Augen auf!“
„Du bist total verrückt Gigan!“, flüsterte ich, „wunderbar verrückt! Liebenswert verrückt! Total verrückt!“
„Alles Liebe zum Geburtstag Marie. Meine wilde Blume. Ich liebe dich.“

Ich wagte nicht, mich zu bewegen. Überrascht stand ich in einem Rosenzimmer. Hinter mir Gigan, der meine langen Haare zur Seite gelegt und mich zärtlich auf den Nacken geküsst hatte.
Aus gläsernen Vasen leuchteten Rosen, lagen verstreut auf dem Teppich und auf dem Himmelbett in der Mitte des geräumigen Zimmers.
Die Spitzenvorhänge vor den zwei großen Fenstern waren zugezogen, doch der Raum leuchtete hell im Schein der vielen Kerzen, die auf den Tischchen, Simsen und Schränkchen in hohen Leuchtern standen. Von irgendwoher erklang leise Mozarts Kleine Nachtmusik. Ein Kloß schnürte mir die Kehle zu.
„Gigan, bitte, erklär mir...“, stammelte ich ergriffen.
„Ich liebe dich. Komm! Komm, bitte! Schlaf mit mir. Gleich. Jetzt. Hier. Ich komme um vor Sehnsucht. Was hast du nur gemacht! Komm!“
Überwältigt von unseren Gefühlen sanken wir auf den Teppichboden. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich diese Liebe vermisst hatte. Diese Leidenschaft, die keinen Raum ließ für Gedanken und Ängste.
Wir hielten uns fest umschlungen, liebten uns auf dem Teppich. Schnell. Heftig. Im Himmelbett dann etwas ruhiger, zärtlicher. Unsere Lust schien unersättlich. Ein Glück, dass das Hotel in der Nähe der Probebühne war, sonst wäre ich bestimmt zu spät zur Probe erschienen.
*
Punkt achtzehn Uhr stand Gigan wieder vor der Tür. Er war schon seit jeher die Pünktlichkeit in Person. Diesmal hatten wir es sehr eilig, in das Rosenidyll zu kommen.
„Ich dusche mich nur schnell.“
„Brauchst du nicht.“ Gigan trug mich auf das Himmelbett. „Ich will deinen natürlichen Duft riechen. Ich will dich schmecken“, flüsterte er, „dich lieben, wie dich noch nie ein Mann geliebt hat.“ Leise stöhnte ich unter seinen Küssen, den zärtlich fordernden Berührungen. „Ich habe eine Fantasie“, flüsterte Gigan.
„Nur eine?“
„Diesmal nur eine.“
„Verrätst du sie mir?“
„Unter einer Bedingung.“
„Die wäre?“
„Schließ deine Augen und öffne sie erst wieder, wenn ich es dir erlaube.“
„Zu Befehl Euer Gnaden von Gigan.“
„Stell dir vor“, begann Gigan, „ich liege allein auf
dem Himmelbett. Der Tüll ist zugezogen. Ich warte auf dich. Splitterfasernackt. Wie Gott mich schuf. Oder meine Eltern“, lachte er, „oder wer auch immer.“
„Na so was“, kicherte ich.
„Ich warte. Und warte. Auf dich. Doch du bist unpünktlich wie immer.“
„Soll nicht wieder vorkommen.“
„Endlich kommst du. Endlich. Du hast dein rotes Kleid an.“
„Dazu brauche ich aber viel Fantasie“, lachte ich, während mir Gigan die Jeans auszog, den Pulli, den BH.
„Den Slip darfst du anbehalten.“ Gigan küsste mich auf den Bauch. „Wie damals. An der Ostsee. Du erinnerst dich?“
„Wie könnte ich das vergessen?“
„Also weiter. Ich sehe dich vor mir, obwohl ich die Augen geschlossen halte. Ich höre das leise Rascheln des Vorhangs, spüre, wie du dich auf das Bett stellst, breitbeinig. Direkt über meinen Kopf. Ich höre mein Herz schneller schlagen. Spüre meinen Mund trocken werden. IHN schmerzhaft wachsen. Meine Hände streicheln deine Waden, ganz zart, fester dann, deine Knie, die Innenseiten deiner wunderbaren Schenkel. Ich ziehe deinen roten Slip zur Seite, spüre deine Lust in meinen Händen. Du bist heiß, feucht und stöhnst wohlig unter meinen Berührungen. Ich öffne meine Augen. Ich muss sehen, was da vor sich geht, betrachte, zitternd vor Verlangen, deine mir so dargebotene Muschel. Wie findest du das?“
„Wundervoll poetisch.“
„Schließe wieder deine Augen. Lass dich verführen. Verwöhnen. Begebe dich einfach in meine Hände, in meine Obhut. Mit dir will ich die schönsten Sachen erleben. Ich liebe dich unbeschreiblich Marie. Ich begehre deinen wunderschönen fraulichen Körper. Ich will dich berühren. Dich schmecken. Deine Lust soll mein Gesicht bedecken.“
„Gigan!“
„Ich will dich ficken!“, sagte Gigan plötzlich mit veränderter Stimme, „ficken! Ficken! Ficken!“ Gigan lag über mir, abgestemmt auf seine muskulösen Arme, starrte mich wild an mit seinem Eisblick, „ficken Marie, ficken“, stöhnte er. „Nicht“, bat ich, „ zerstöre nicht schon wieder alles. Und sag nicht dieses Wort. Es passt nicht zu dir.“
„Welches Wort denn meine Liebe?“
„Das F-Wort.“
„Ach das“, lachte Gigan, „soll ich lieber rammeln sagen? Komm Marie, lass dich rammeln, rammeln, rammeln.“
„Hör auf du Schwachkopf“, wehrte ich mich lachend, „weißt du, dass Ficke in manchen Landstrichen Tasche bedeutet?“
„Nein!“
„Doch. In Sachsen-Anhalt zum Beispiel. Meine Oma hat oft zu mir gesagt: ‚Vergiss die Ficke nicht‘.“
„Wie sinnig“, lachte Gigan.
„Und zu Schuhe putzen sagte sie – Schuhe wichsen.“
„Du bist ja eine ganz Schlimme.“
„Wieso ich?“
„Du hast recht. Ich werde das F-Wort nicht mehr sagen, wenn du es nicht willst.“ Gigans Gesichtsausdruck hatte sich entspannt. „Ich werde dich immer lieben. Immer! Und immer ficken!“, lachte er frech, „oder doch lieber rammeln?“
*
„Wir fahren nach D.“, rief Gigan aus der Dusche, „ich habe da ein wunderschönes chinesisches Restaurant entdeckt.“
Das Restaurant war fast so gemütlich wie das Hen gu ar in Berlin. Nur viel geräumiger. Doch das märchenhafte Ambiente verzauberte auch hier, weckte romantische Erinnerungen. Die Hände ineinander verschlungen sahen wir uns in die Augen, küssten uns wie zwei frisch Verliebte. Das Essen schmeckte herrlich chinesisch. Der süße Pflaumenwein machte schnell einen kleinen Schwips.
„Heirate mich.“
„Verdirb nicht schon wieder alles.“ Ich löste mich abrupt von Gigan. „Ich kann ganz gut ohne dich leben.“
„Aber vermisst hast du mich doch?“
„Ich gestehe.“ Ich nippte lachend von dem süßen Wein. „Wenn es immer so wäre mit uns, wie im Rosenidyll, ginge es ja auch.“
„Ich habe noch eine Überraschung.“
„Du bist ja ein Überraschungsmeister.“
„Ich habe drei Wochen Urlaub genommen. Drei Wochen nur für uns.“
„Sag, dass das nicht wahr ist.“
„Es ist wahr.“ Gigan verschlang mich mit seinen eisblauen Augen. „Ich werde mir hier eine Arbeit und eine Wohnung suchen. Wir könnten ein neues Leben beginnen. Hier, wo uns niemand kennt.“ Er drückte hart meine Hände. „Meine Heimat ist da, wo du bist.“
*
In der Nähe von Weiterstadt fand Gigan eine kleine Pension. Das Zimmer war kärglich eingerichtet. Breites Bett aus hellem Holz. Nachtschränkchen. Kleiderschrank. Runder Tisch. Zwei Stuhlsessel. Eine winzige Kommode, auf der ein Fernseher stand. Das Beste war eine sehr breite Dusche.
„Sex unter der Dusche ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen“, scherzte Gigan und drängte mich zum wiederholten Male fest an die Kabinenwand, „da bin ich sehr ausdauernd.“
„Großkotz!“, foppte ich, „mach schnell. Wir gehen zu Annette.“
*
„Mein Verflossener“, stellte ich Gigan Annette vor.
„Für verflossen ist er aber sehr real. Tag Gigan, sei willkommen.“
„Dank dir.“ Gigan lächelte Annette gewinnend an mit seinen Eisaugen. „Schön ist es hier.“
Annette und ich lachten. „Den Altersunterschied sieht man nicht“, flüsterte Annette in mein Ohr, „ihr passt gut zusammen.“

Gigan kam jeden Morgen und brachte frische Brötchen vom Bäcker. Zu dritt frühstückten wir in Annettes Küche, aus der nach und nach alle Möbel verschwanden. Nur der aufklappbare Tisch und vier Holzstühle waren noch da.
Nach dem Frühstück fuhr mich Gigan zur Arbeit, holte mich in der Pause ab zum Mittagessen, stand abends nach der zweiten Probe wieder wartend im Foyer des Stadttheaters, in das unser Team vor einigen Tagen endlich gezogen war.
Wir gingen in ein Restaurant, ins Kino, in ein Café
oder bummelten einfach durch die Straßen der Stadt. Erst spät am Abend fuhren wir wieder zu Annette. Manchmal, wenn ihr Freund da war, saßen wir noch lange in der Küche bei einer Flasche Wein, erzählten und erzählten und verabschiedeten uns erst kurz nach Mitternacht.
Gigan brachte mich wie ein Kind zu Bett. Das heißt auf die Matratze, die als einziges Möbelstück, wenn man es so nennen konnte, noch in meinem Zimmer war.
„Du bist mein kleines Mädchen“, spielte er, „meine Puppe. Meine süße Puppe Trotteline.“ Er zog mir die Schuhe und die Strümpfe aus, „ich liebe diese Zehen.“ Zärtlich küsste er jeden einzelnen Zeh, „und jetzt kommt das Kleidchen an die Reihe. Ärmchen hoch. Schön, dass du dich immer für mich umziehst. Du hast schnell begriffen, dass ich keine Jeans an dir mag. Nun befreie ich dich von dem engen Dingsda. Eigentlich brauchst du es nicht. Deine Brüste sind auch ohne es wunderschön“, Gigan küsste die steil aufgerichteten Spitzen, „so wunderschön wie deine Lust“, seine Hand fuhr in meinen roten Slip, „ihn behältst du natürlich an.“

Auf Gigans Wunsch trug ich ausschließlich rote Spitzenslips, die er für mich kaufte. Später kaufte er auch halterlose schwarze Strümpfe, die ich ebenfalls bei diesen Spielchen anbehalten musste.
„Das steigert meine Erregung“, sagte Gigan mit kalten Augen. Er streichelte und liebkoste mich, bis ich laut stöhnte, mich von ihm löste, ins Bad schlich und duschte. Er folgte mir, wickelte mich in ein dickes Handtuch, trug mich zurück auf die Matratze, trocknete meinen Körper sorgfältig ab, kämmte meine langen Locken, legte mir die Trotteline in den Arm und ging.

Richtigen Sex hatten wir nie in Annettes Wohnung. Die Wände waren dünn. Die Türen standen überall offen. Und bei unseren Liebesspielen ging es nicht immer leise zu. Nie hätte ich geglaubt, dass das laute Stöhnen und Schreien so einen Spaß machen könnte. Gigan brachte mich immer wieder dazu. Ich konnte nicht anders. Ich musste meine Lust, oft auch den Lustschmerz, hinausschreien. Hinaus aus meinem Körper. Bestimmt wäre ich sonst innerlich verbrannt. So frönten wir drei Wochen lang unserer Lust. Unserer Wollust. Aber, wie gesagt, hoben wir diese für das Hotel auf. Dort störte uns niemand. Und wir störten niemanden. Denn um die Mittagszeit war das Hotel wie ausgestorben. Abends ging ich nur selten mit. Meistens war es schon zu spät und ich zu müde. Doch manchmal war mein Verlangen so groß, dass mich die späte Stunde nicht störte. Gigan störte sie sowieso nicht. Er hatte ja Urlaub. Doch ich musste am nächsten Morgen fit sein. Und wenn Gigan erst einmal mit seinen Liebesspielen angefangen hatte, fand er so schnell kein Ende. Er war der geborene Genießer, musste alles genau sehen, fühlen, riechen, schmecken. Und das sehr ausdauernd.

Für mich war Gigan der beste Liebhaber der Welt. Ich hatte mich ihm ganz geöffnet, ohne Hemmungen und Vorbehalte und wünschte, die Zeit möge nie vergehen. Doch sie verging. Und der Alltag holte uns ein.

***


Fortsetzung folgt in Kapitel 6
 

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