... für Leser und Schreiber.  

Das Ritual/ Kapitel 17

311
311 Stimmen
   
©  rosmarin   
   
17. Kapitel
__________________
Wieder war Vollmond. Groß, rund, verlockend, prahlte er am Himmel. Unruhig warf ich mich hin und her. Warum nur verbrachte ich einsame Nächte in meinem wie für die Liebe geschaffenen blauen Metallbett mit dem verschnörkelten Bettgestell? Ich brauchte doch nur ja zu Matthias zu sagen und alles wäre gut.
Mein Schattenmann Seht hatte sich auch nicht mehr blicken lassen, nachdem ich mich mit den Erdenmännern Matthias und Otto eingelassen hatte. Nur seine Musik war lebendig wie eh und je.

Das Handy! Um diese Zeit! Helli erschien auf dem Display.
„Die Band Luzifer gibt es tatsächlich“, informierte sie mich ohne lange Vorrede. „Das ist so eine verrückte Kellerband. Bestimmt hast du den verrückten Frontmann abgeschleppt.“
„Meinst du?“
„Klar. Du kannst ja mal googlen.“
„Werde ich.“
„Bestimmt hat der dich mit Drogen abgefüllt und du hast deshalb nur verschwommene Erinnerungen.“
„Klar“, sagte ich schockiert, „es muss real gewesen sein. Sonst wäre ja nicht die rote Rose in der Vase gewesen. Wir sehen uns später Helli.“

Voll Verlangen dachte ich an die Nacht mit Luzifer. Die erste und einzige Nacht in diesem Bett. Die entfesselte Fesselnacht, die Nacht, in der ich mich mit dem Teufel vereinigt hatte. Noch immer fühlte ich seine langen schwarzen Haare mich warm umhüllen, die gierigen Teufelskrallen in meinem Fleisch, ersehnte schmerzhaft die bestialische Männlichkeit des Teufels, den Albtraum eines entarteten Phallus. Die legendäre gespaltene Zunge Satans.
Ich erinnerte mich an das weiße Pülverchen und die Flaschen Rotwein. Meine Güte, ich war auf einem Trip. Und das war immer noch besser als wenn es nur eine Fantasie gewesen wäre. Zeigte es mir doch, dass ich durchaus normal war. Doch was machte ich nun mit meiner entfesselten Fleischeslust? Es war Vollmond. Ein Mann musste her. Ein Erdenmann. Ich stand wieder auf, setzte mich vor meinen Geliebten. Googlete und fand die Band Luzifer mit ihrem Frontmann Luzifer. Meinen Luzifer mit den langen schwarzen Haaren und den schönen braunen Augen.

*

Vier Wochen waren vergangen. Vier lange Wochen, in denen nichts besonders Aufregendes passiert war. Ich war meiner Arbeit nachgegangen, hatte weiter an meiner Doktorarbeit geschrieben, mit Rudi, Matthias, Will und Helli telefoniert und es mir in der Wohnung gemütlich gemacht.
Ab und an hatte ich natürlich auch an die verrückte Vollmondnacht mit Otto gedacht und einige Tage in großer Angst gelebt, in der Befürchtung, der Mord könnte entdeckt und eine Spur zu mir gelegt worden sein. Doch als nichts geschah, keine Polizei vor meiner Tür und auch nichts davon in den Zeitungen stand, beruhigte ich mich wieder. Die Erinnerung verblasste und die Nacht mit Otto erschien mir allmählich wie ein böser Traum.

*

Unruhig atmete ich den Duft der Nacht.
„Ich komme“, schrie ich in die Dunkelheit. „Ich komme!“
Schnell wickelte ich mich in meinen schwarzen Mantel und verließ die Wohnung. Auf der Jannowitzbrücke blieb ich stehen, beugte mich, wie so oft, über das Geländer, schaute in das dunkle Wasser der Spree, die jetzt, in der Nacht, träge und ruhig dahin floss, und wartete.
Nach einigen Minuten sah ich den Mann. Aufrecht und stolz ging er an mir vorüber ohne mich zu beachten, ja, nicht einmal zu bemerken. Erregt schaute ich ihm nach. Wohlige Schauer im Rücken.
„Das ist er“, flüsterte ich. „Das ist er.“

Unauffällig folgte ich dem Mann. Er drehte sich nicht ein einziges Mal um. Kreuz und quer liefen wir durch die Stadt. Wir gelangten in eine Gegend, die überhaupt nicht meinem Geschmack entsprach. Die engen Straßen waren schmutzig. Überall lag Unrat. Die Straßenbeleuchtung war mehr als dürftig. Manchmal huschte ein Schatten an den ungepflegten Hausfronten entlang.
Auf einmal blieb der Fremde stehen. Abrupt wandte er sich um und sah direkt in meine Augen. Grüngelb wie die Augen eines wilden Katers funkelten sie mich an. Er war es!
„Komm“, sagte ich, „man begegnet sich immer zweimal im Leben.“ Ich kicherte: „Die Zeit ist reif.“

Die Erinnerung war da.

*

Es war ein schöner Sommertag. Die Menschen mussten der Stadt, in der zwischen den Häuserschluchten die Luft heiß und stickig stand, entfliehen. Wer konnte und wollte fuhr hinaus ins Grüne. Ich konnte und wollte. Wollte mal alle Fünfe grade sein lassen. Im Treptower Park setzte ich mich in den Biergarten, trank einen Kaffee, verschlang einen riesigen Eisbecher mit viel Früchten und Sahne und schaute den Schwänen und Enten auf dem nahen Wasser zu.
Viele Männerblicke wanderten begehrlich über meinen Körper. Es gefiel mir, wenn die Blicke von meinem Gesicht tiefer wanderten, hin zu dem knappen roten Top, unter dem meine üppigen Brüste besonders vorteilhaft zur Geltung kamen. Weiter zu dem schwarzen Mini, der beim Sitzen immer so hoch rutschte, dass man den Ansatz meiner Schenkel erblicken konnte, hinunter zu meinen Beinen in den roten Schuhen mit den hohen Absätzen. Ich war eine einzige Provokation. Und ich genoss es. Doch wie immer war kein Mann in Sicht. Jedenfalls keiner, der mir hätte gefallen können. So fuhr ich gegen Abend mit der S-Bahn zurück in die Stadt.
Am Alexanderplatz spielten abwechselnd zwei unbekannte Bands auf einer provisorischen Bühne. Von irgendwoher schallte laute Musik aus Lautsprechern. Ein kleiner Mann auf einer Minibühne fuchtelte wild mit den Armen, hielt eine Rede. Es ging wohl um HartzVier.

Plötzlich fühlte ich mich beobachtet, schaute mich suchend um und blickte inmitten der applaudierenden Menge verwundert in Augen, die mich zu hypnotisieren schienen. In eben diese grüngelben Augen eines wilden Katers. Augen, die ich mein Lebtag nicht vergessen würde. Und auch nicht das erotische Kribbeln, das auch jetzt kribbelnd durch meinen Körper kribbelte.
Allerdings wusste ich damals noch nichts von Liliths Macht. Verbannte sie ins Reich der Träume. Der Fantasie. Der Mythen. Ich schrieb über sie. Die Frau im Spiegel. Lilith. Ich recherchierte. Und auch mehr aus astrologischer Sicht.

Lilith ist kein Himmelskörper wie die Planeten. Sie ist der zweite Brennpunkt der elliptischen Umlaufbahn des Mondes um die Erde und nichts Materielles. Sie ist ein leerer Punkt am Himmel und entspricht somit auch keinem klar definierbaren Teilaspekt der menschlichen Persönlichkeit. Sie muss eher als eine tiefgründige Gefühlsenergie verstanden werden, die uns hilft, unser Potential zu verwirklichen. Mit ihrer Unterstützung können wir im Leben etwas aufbauen, zu einem Höhepunkt bringen, es loslassen, um uns wieder Neuem zuzuwenden.

Welches Potenzial wirklich in mir steckt, hatte sie mich erst die letzten Monate gelehrt. Also nach Ricardos geheimnisvollem Verschwinden. Jetzt wusste ich, dass Lilith eine weibliche Urenergie ist. Unbewusst. Geheimnisvoll. Nicht fassbar. Gegen diese Energie des Nichtfassbaren wehrt sich unser Ego. Wir leben lieber in unseren Vorstellungen. Wollen an unseren Illusionen festhalten. Und wenn dann die weibliche Urkraft der Lilith aus dem Unbewussten auftaucht wie die Nixe aus dem Teich, das Ego in die Tiefe zieht und uns mit dem Besten oder auch Schlimmsten im Leben konfrontiert, empfinden wir dies meist als sehr schmerzhaften Eingriff in unser Leben. Also müssen wir lernen, uns vom Leben tragen zu lassen. Wenn uns das gelingt, bleibt jedes Mal, wenn Lilith auftaucht, ein goldener Schimmer zurück. Ein Glanz in unseren Augen. Dann wird der Spiegel randvoll sein, denn dann haben wir einen Blick in unsere eigenen Tiefen geworfen, vielleicht einen blinden Fleck erkannt oder eine Ahnung von der Welt hinter dem Vorhang unseres Bewusstseins gestreift. Und das ist der Sinn des Lilith -Teiles in uns.
Mich jedenfalls wollte sie aus meiner devoten Evarolle locken. Mir meine ureigenste Kraft offenbaren. Mich unabhängig und frei machen und allem, was sich mir in diesem Prozess entgegenstellte, erbarmungslos in die Schranken weisen und sogar vor Morden nicht zurückschrecken.
*
Der Mann sah unverschämt gut aus. Sportlich. Gebräuntes Gesicht. Dunkle lange Locken. Er lächelte mir zu. Ich lächelte zurück. Der Fremde wühlte sich langsam zielsicher aus der Menge, überquerte den Alexanderplatz und ging Richtung Weinmeisterstraße. Wie unter Zwang lief ich ihm hinterher. Er hatte sich nicht ein einziges Mal umgedreht. So sicher war er sich meiner. So wie jetzt auch. Lange liefen wir kreuz und quer durch die Stadt. Es war schon dunkel, als wir in eine Gegend gelangten, die eigentlich nicht meinem Geschmack entsprach. Auf den engen Straßen lag Unrat, die Straßenbeleuchtung war mehr als dürftig. Vereinzelt huschten Schatten an den ungepflegten Hausfronten entlang.
Es war das Bild, das ich kannte. Nichts schien sich verändert zu haben.

*

Wir liefen immer weiter durch die Nacht. Der Fremde vorneweg. Ich immer im gleichen Abstand hinterher. Plötzlich blieb er stehen. Wir standen vor einem schmiedeeisernen Tor.
„Wir sind da“, sagte der Mann. „Ich weiß, was du ersehnst.“

Inzwischen war es stockfinster geworden. Nur die wenigen Straßenlaternen verbreiteten etwas Licht. Der Mann schloss mit einem großen Schlüssel die schwere Tür auf. Schweigend liefen wir über einen riesigen Hof zu einem niedrigen Eingang eines verkommenen Hinterhauses. Wieder schloss der Unbekannte eine Tür auf. Ich schlüpfte hinter ihm her. Der Fremde griff grob in meine langen Haare, schlang sie um seine Hand, zog mich unsanft einige Stufen hinunter in einen Kellergang.

Mein Herz klopfte wie verrückt. Mir zitterten die Beine. Ich sagte kein Wort. War stumm und willig. Ich war ihm ja freiwillig gefolgt.
„So Kleine“, der Mann zog meinen Kopf nach hinten, schaute tief in meine Augen, „wenn du mir schon hinterher läufst, werde ich es mit dir versuchen.“
Er ließ meine Haare los. Ich nickte ergeben. Sein wilder Katerblick Blick brannte auf meinem Körper.
Wir liefen noch einige Schritte und blieben vor einem Keller stehen. Der Mann suchte das Schlüsselloch in der schweren Eisentür. Dabei berührte er meine Hüfte und ein Beben durchfuhr mich wild und lüstern.
Die Tür öffnete sich mit einem lauten Quietschen, durchschnitt gespenstisch die Stille der Nacht. Der Mann drückte die Notbeleuchtung. Wir standen in einem Vorraum. Dahinter war wieder ein Keller.
Mich befiel nun doch ein Gefühl der Panik. Vielleicht hätte ich noch zurück gekonnt. Vielleicht. Ich versuchte es auch, machte eine Bewegung hin zur Tür, reiner Reflex. Doch da war wieder der Griff in meinem Haar. Mein Kopf zuckte schmerzhaft nach hinten. Es war zu spät. Es gab kein Entkommen.
Der Mann drehte meine Hände mit festem Griff auf meinen Rücken. Ich seufzte laut auf vor Schmerz.
„Wunderschönes Haar hast du“, sagte der Kerl. „Wie geschaffen für mein Vorhaben.“
„Aber…“
„Kein aber meine Schöne.“ Seine Hände fuhren unter meinen Top. Mit beiden Händen presste er meine Brüste. „Ich weiß, was du dir schon lange in deinen Träumen erwünscht und erhofft hast“, flüsterte er nah an meinem Mund, „ich kenne deine Fantasien, deinen Hang zur Unterwerfung.“ Grob zwirbelte er meine erigierten Nippel. „Du willst die Lust und den Schmerz“, raunte er heiser. Er zwirbelte heftiger. Ich stöhnte lauter, lief fast aus. Drückte krampfhaft meine Muskeln zusammen.

Der Kerl hatte recht. Immer, wenn ich an dieses Erlebnis dachte, stieg mir die Schamröte ins Gesicht. Der Mann hatte mich erkannt. Ich wollte mich ihm unterwerfen. Ich wollte benutzt werden. Es bereitete mir höchste Lust, das Weibchen zu spielen. Ich war das Weibchen. Der Mann der Herr. Wie Gott Vater, der Eva das Gehorchen gelehrt hatte. Doch Eva hatte auch auf Lilith gehört und von der verbotenen Frucht gegessen. Und wie ich Lilith nicht erkannt, nachdem diese sich in die Schlange verwandelt hatte. Und bestimmt hatte Gott Vater Angst, dass Lilith zurückkehren und seine Macht erschüttern könnte.

Ich wollte der männlichen Domäne vertrauen. Ich hatte mich Will unterworfen und ihm vertraut. Und dann Ricardo. Ich war das Gehorchen gewohnt. Hinter den Klostermauern gab es nichts anderes.
Ich stöhnte lauter.
„Und lass die Hände hinter dem Rücken“, knurrte der Mann. „Beweg dich nicht!“
Ich gehorchte. Genoss die Lust, gepaart mit Angst. Etwas Angst. Das erhöhte die Spannung.

In dem Gebäude herrschte tiefe Stille. Wir konnten unseren Atem hören, denn auch der Mann atmete jetzt schneller. Er war ebenso erregt wie ich. Hatte aber keinen Mut, es zuzugeben.
Boshaft kicherte ich in mich hinein. Es gefiel mir ausnehmend gut, die Männer lüstern zu machen. Ihr Begehren zu wecken. Das war tief in mir drin. Nur damals noch nicht so bewusst. Aus meiner jetzigen Sicht gesehen, war eigentlich ich es, die schon damals die Macht hatte. Denn ich war es, die sie herausforderte und glauben ließ, sie seien es gewesen. Das Gehorchen hatte mir Spaß und Lust bereitet. Lilith hatte es mir bewusst gemacht. Und das war ein spannendes Abenteuer.

*

Der Mann hatte mich an den Schultern gepackt. Mit einem Ruck drehte er mich um. Stieß mich zur Wand. Mein Gesicht berührte die kalten Steine. Der Mann drückte seinen muskulösen Körper eng an meinen, mich damit fest an die grob gemauerte Wand. Unerwartet leckte er mit seiner Zunge langsam über meinen Hals. Erschrocken zuckte ich zurück.
„Wirst du wohl still halten!“, fauchte der Mann. Er drehte meine Haare zu einem dicken Knoten, zog meinen Kopf etwas nach unten, leckte schmatzend meinen Nacken. Seine linke Hand ertastete wieder meine Brüste. Er spürte mein Verlangen, drehte mich zu sich, stand nah vor mir. Sah mich lüstern an mit seinem feurigen Katerblick. „Kleines Luder“, keuchte er.

Der Mann beugte seinen Kopf und leckte genüsslich den Ansatz meiner Brüste. Ich erbebte, drängte mich seinen Lippen entgegen. Er hob mit zwei Fingern mein Kinn und legte seine ganz sanft auf meinen Mund, während er mit beiden Händen gezielt zwischen meine Schenkel griff.
„Wirst du wohl ruhig stehen bleiben“, herrschte er mich an, als ich instinktiv etwas zurückwich. „Geiles Luder.“
Ich stöhnte laut auf, fügte mich seinen Händen, öffnete meine Beine, passte mich den fordernden Bewegungen seines Körpers an und fühlte schaudernd die Nässe meine Beine hinablaufen.
„Wusste ich es doch“, triumphierte der Fremde, „du stehst drauf.“

Fast wütend hatte er mich in die Dunkelheit des Kellers gestoßen.

***

Fortsetzung folgt
 

http://www.webstories.cc 28.03.2024 - 17:31:43