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Patricia /Vampyrgeschichte 4

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©  rosmarin   
   
Patricia saß auf einer Bank im Park vor dem Märkischen Museum und verträumte die Zeit. Sie dachte an die vergangene Nacht mit dem Kellner. Natürlich ahnte er nicht, dass sie eine Vampyrin ist. Und zwar eine ganz besondere, die sich im Verlauf der Evolution den Bedingungen der Zeit angepasst hatte und sogar bei Tageslicht spazieren gehen konnte. Sie hatte den Kellner angerufen und sich mit ihm getroffen, nachdem sie ihr Wollen abgeklärt hatten. Nur Sex. Und nur in dieser Nacht. Und der Kellner sollte sie bedienen.
„Ihr habt mich und meinen Kollegen ganz schön scharf gemacht“, begrüßte der Kellner Patricia. „Ich wusste sofort, was da unter dem Tisch abgeht. Wie habe ich den Kerl beneidet.“
Den Kerl hatte Patricia in der Kneipe kennengelernt. Er war wirklich süß. Doch ihr Hunger zu stark. Der Durst übermächtig. Jetzt weilte er nicht mehr unter den Sterblichen.
„Jetzt bist du ja an seiner Stelle“, hatte sie erwidert und ihren schwarzen Mantel, unter dem sie nackt war, zurückgeschlagen.
„Wahnsinn! Nur Sex? Schnellen harten Sex?“ Der Kellner befreite sich hastig von Jeans und Hemd, unter dem auch er nackt war. „Sofort und ohne Vorspiel?“
Patricia war nur imstande zu nicken. Der Prügel des Kellners war nicht von schlechten Eltern. Ohne noch ein Wort zu verlieren, nahm er sie auf seine Arme, legte sie auf die erstbeste Bank in dem kleinen Park und stieß sofort wie ein Berserker in sie hinein. Sie stöhnte leise auf, war ja so Einiges gewohnt. Aber dieser Angriff kam wohl doch zu plötzlich. Doch dann genoss sie genüsslich dieses wilde Ding in sich, das auch nach drei Stunden keine Pause brauchte. Allerdings wechselten sie mehrmals die Position. Das Vorspiel kam dann als Nachspiel in den frühen Morgenstunden. Das machte die Sache perfekt. Der Kellner leckte und schlürfte sich sozusagen selbst auf. Als es anfing, hell zu werden und die Vögel mit ihnen um die Wette tirilierten, hüllte sich Patricia, ziemlich schwach auf den Beinen, schwerelos und völlig zufrieden, wie eine Traumwandlerin in ihren schwarzen Mantel.
„Wenn du mal wieder bedient werden willst“, sagte der Kellner zum Abschied, „bin ich jederzeit bereit. Und mein Kollege auch“, fügte er noch schnell hinzu.
Patricia legte ihre Lippen sacht auf seine Lippen, dann auf seinen Hals. Ihre Zähne hackten sich tief in seine Halsschlagader. Er war nicht mehr fähig, sich zu wehren. Der Angriff kam wohl zu überraschend. Es hätte ihm auch nichts genützt. Ihr Durst war zu übermächtig. Gierig trank sie sein Leben in sich hinein. Wenig später hing er wie ein geschlagenes Wild kraftlos in ihren Armen. Vorsichtig legte sie ihn auf der nächtlichen Liebesbank ab. Sein Blut hatte ihr für wenige Stunden Leben eingehaucht, ihr Herz schneller schlagen lassen, ihre sonst kalte, marmorweiße Haut erwärmt und gerötet.
Glücklich lächelte Patricia vor sich hin, starrte zufrieden auf den reglosen, kalten Körper. Jetzt würde sie sich wohl in eine Fledermaus verwandeln müssen, um keine Spuren zu hinterlassen und den Leichnam in ihrem Versteck auf dem Friedhof unter ihrem Sarg entsorgen. Wie all die anderen auch.

*
Alles in Patricia war licht und leicht. Andächtig lauschte sie dem Abgesang der Vögel, dem Wispern in der flirrenden Luft. Tief atmete sie den sommermüden Duft der Gräser, Blumen und Sträucher, den modrig süßen Geruch, der unaufhaltsam aufstieg von der Erde. Es hatte was von Friedhofsflair, von ewigem Frieden. Ewigem Frieden. Sie würde ihn wohl niemals finden. Ihr Jagdtrieb meldete sich. Entschlossen stand sie auf. Schaute sich witternd um. Die Dunkelheit würde schnell kommen und sie es dann schwer haben, ein geeignetes Opfer zu finden. Verlangend leckte sie über ihre Lippen. Der unstillbare Durst begann in ihren Eingeweiden zu brennen, obwohl sie ja eigentlich vorerst genug haben müsste. Zwei leckere Bürschchen in zwei hintereinanderfolgenden Nächten gab es auch nicht jede Nacht.
„Hallo.“
„Hallo.“
Aus der Dämmerung wuchs langsam eine Gestalt. Eine männliche. Ganz nach Patricias Geschmack. Sich an einer Frau zu laben, war ihr noch nie in den Sinn gekommen. Es musste etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun haben. Es war ein Mann, der sie vor vielen Jahrhunderten zur Vampyrin gerammelt hatte. Und zwar gegen ihren Willen. Einfach so. In der zivilisierten Welt nennt man so etwas Vergewaltigung. Und diese ist strafbar. Aber was noch verwerflicher ist: Dieser Kerl hat ihr mit ihrer Unschuld, die ihr heilig war, auch ihre Sterblichkeit geraubt. Ihre Ruhe. Ihren ewigen Frieden. Seither ist sie verdammt, durch die zivilisierte Welt zu irren. Durstig, hungrig. Immer auf der Jagd. Immer auf der Flucht. In immerwährender Angst, erkannt und getötet zu werden.
„Graf Gustav von der Röhr“, stellte sich der Fremde vor. „So allein bei Dunkelheit?“
„Patricia“, lachte Patricia, „ein furchtloses Mädchen. Aber Sie könnten mich ja trotzdem beschützen.“
Graf Gustav von der Röhr. Was für ein Name. Ein Adliger also. Die tauchten ja jetzt auf wie Sand am Meer. Verlangten ihre Burgen und Schlösser zurück, nachdem die ostdeutsche Mauer gefallen war. Doch was soll‘s. Auch ein Adliger war nur ein Mann.
Patricia beschloss, sofort aufs Ganze zu gehen. Männer, die sich nachts allein im Park herumtreiben, sind bestimmt auf der Suche nach einem willigen Opfer, wusste sie aus Erfahrung. Langsam öffnete sie ihren schwarzen Mantel, in den sie sich wegen der Kühle der Nachtluft etwas fester gehüllt hatte. Für wenige Augenblicke konnte der Herr Graf ihre weiße, vom Vollmond hell beleuchtete, Gestalt bewundern. Alles andere würde sich ergeben. Sie war noch nie enttäuscht worden. Und sie irrte sich auch diesmal nicht. Graf Gustav von der Röhr schien zu Stein erstarrt. Nachdem er sich von seinem Schreck und seiner Bewunderung erholt und Patricia sich wieder verhüllt hatte, lud er sie ein, in seine Wohnung zu kommen, um sie näher kennen zu lernen.
„Mein Butler hat heute seinen freien Abend“, erklärte er.
Graf Gustav von der Röhr hatte seinen amerikanischen Jeep in der Nähe des Parks geparkt. Sie fuhren zu seinem Haus am Potsdamer Platz, stellten den Wagen in der Tiefgarage ab, fuhren dann mit dem Fahrstuhl in den neunten Stock.
In dem Riesenhaus begegneten sie keiner Menschenseele. Die unzähligen gleich aussehenden Türen, die langen hellgelb gestrichenen Gänge und Winkel, die überdimensionalen Glastüren, die die Gänge von den Winkeln trennten, waren wie ausgestorben.
Graf Gustav schloss eine der vielen Türen auf. Gleich darauf standen sie in einer geräumigen Diele.
Im Wohnzimmer ließ Patricia ihre schwarzen Pumps auf den grauen Teppichboden plumpsen und machte es sich auf der schwarzen Ledercouch bequem. Den Mantel behielt sie natürlich an. Immerhin wusste sie, was sich gehörte.
Nach einer Weile kam der Graf in den etwas spießig eingerichteten Raum, in seinen Händen ein Tablett mit Wein, Knabberzeug und zwei Gläsern. Vorsichtig stellte er es auf den kleinen Glastisch vor der Couch und schenkte den Wein in die Gläser.
„Zum Wohl. Auf unseren heutigen Abend“, sagte er, bevor er sich am Kamin, der fast eine ganze Wand einnahm, zu schaffen machte. Wenige Augenblicke und ein anheimelndes Feuerchen war entfacht.
„Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, ich darf doch du sagen?, wenn ich dich bitte, mir die heutige Nacht mit einigen schönen Sexspielchen zu versüßen?“ Der Graf setzte sich neben Patricia auf das Sofa. „Es soll dein Schade nicht sein.“
„Aber gern“, lächelte Patricia verführerisch, „das heißt, wenn du aufgeschlossen bist für ausgefallene Spielchen.“
„Das kommst mir sehr entgegen“, freute sich der Graf.
Sie tranken und lachten und unterhielten sich angeregt über dies und das. Die Nacht war ja noch jung. Und sie hatten gesagt, was sie wollten. Also war alles klar. Sie hatten alle Zeit der Welt. Nur nichts überstürzen. Den unstillbaren Durst ignorieren. Vorerst.
Patricia musste achtgeben, dass sie nur von dem Rotwein trank. Das Knabberzeug durfte sie nicht anrühren. Schon ein winziges Krümelchen würde ihr im Hals stecken bleiben.
„Darf ich fragen, welchen Beruf du ausübst?“
Graf Gustav von der Röhr sah Patricia verlangend an.
Beruf. Ja. Patricia kicherte in sich hinein. Sie lebte lange genug, um jeden Beruf ausüben zu können. Sie hatte schon in jeder Branche gearbeitet, sogar in solchen, die normalerweise nur den Männern vorbehalten waren. Sie brauchte allerdings viel frisches Blut, um ihre Kräfte ständig zu erneuern.
Aufmerksam betrachtete Patricia den Grafen. Ihre Blicke liebkosten das aristokratische Profil, das ihn unnahbar, fast arrogant, erscheinen ließ. Er hatte die hohen Wangenknochen, die sie so mochte, eine schmale Nase, ein kantiges Kinn. Die dezent gebräunte, samtige Haut und die wohlproportionierten Muskeln, bestimmt Ergebnisse nobler Fitnessstudios, ließen sie leise aufstöhnen und verliehen ihren Blicken den ganz besonderen Glanz. In ihren Eingeweiden rumorte der Schmerz. Lange würde sie sich nicht beherrschen können. Sie verspürte plötzlich den Wunsch, in seinen blonden Haaren, die in leichten Wellen über seine Schultern fielen und nach einem teuren Shampoo dufteten, zu wühlen. Graf Gustav von der Röhr war schöner als Michelangelos berühmter David.
Lächelnd entblößte Patricia ihr blendend weißes Gebiss, leckte mit der Zunge über ihre spitzen, etwas längeren, Eckzähne und das bewusste Kribbeln der Vorfreude machte sie immer unruhiger.
„Schön, dass ich hier sein kann“, überging sie die pikante Frage.
„Die Freude ist ganz meinerseits.“ Der Graf sah Patricia zärtlich an, erschrak über das Feuer in ihren hellen Augen, wertete es jedoch als Begehren.
„Ich glaube, es ist an der Zeit, dir mein Schlafzimmer zu zeigen.“ Graf Gustav von der Röhr stellte sein Glas auf das Tischchen, erhob sich, nahm Patricia, die ihm leicht wie eine Feder vorkam, auf seine Arme. Im Schlafzimmer warf er sie sofort auf das riesige Bett, das wie eine Schaukel, die zwischen vier Pfosten, die überdimensialen Phallussen glichen, hin und her schwankte.
Patricia spürte heiße Lippen auf ihren kalten, eine warme, fleischige Zunge, die sich verlangend in ihren Mund schob. Dann Hände zwischen ihren Schenkeln, die sie bereitwillig öffnete.
„Eine Moment bitte.“
Der Graf löste sich vorsichtig von Patricia. Zog sich nackt aus. Und der Anblick des durchtrainierten Körpers, des schon stark erigierten Phallus erwärmte langsam Patricias kaltes Blut. Vorsichtig drang der Graf in sie ein. Die Natur hatte ihn tatsächlich großzügig ausgestattet. Sie schrie leise auf. Doch der Schmerz verging schnell, als er sich bewegte. Immer tiefer schob er sich in sie hinein. Sie stöhnte auf vor Lust. Über ihr lag ein pulsierender, heißer Körper und die Gier machte sie fast verrückt. Doch sie wollte es hinauszögern, das unvermeidliche Ende. Sie leckte das salzige Nass von Gustavs Hals, schmeckte den Schweiß, ahnte den Eisengeruch des Blutes. Schnell schlängelte sie ihre Zunge in seinen Mund, saugte daran, biss hinein. Hitze strömte in ihren Magen, in jeden Winkel ihres Körpers. Und die Wärme und der rote Saft verstärkten ihre Erregung.
Der Graf verspürte nur einen kurzen Schmerz. Seine Bewegungen waren noch immer sehr kraftvoll. Er spürte seinen Höhepunkt kommen, wollte sich etwas zurückziehen, doch Patricia hielt ihn fest mit ihren Zähnen. Vorbei war es mit ihren guten Vorsätzen. Sie musste trinken. Dieses wollüstige, unstillbare Blutrauschgefühl hatte sie voll im Griff.
Graf Gustav von der Röhr wimmerte leise. Sein Puls raste. Der Blutdruck stieg. Sein Körper verfiel in ein unkontrolliertes Zucken. Er genoss seine letzten Bewegungen.
Mit einem Knurren riss Patricia ihre Kiefer auf, packte Gustavs Kehle. Er verkrampfte sich bei ihrem Biss, griff panisch in ihr schwarzes Haar, zerrte daran. Lächerlich diese Gegenwehr der Sterblichen. Sie könnte ihn lässig zerquetschen.
Patricias Aufmerksamkeit galt jetzt nur noch dem menschlichen Blut. Heiß floss es durch ihre Adern. Das war der Gipfel der Genüsse. Die Mischung aus sexueller Lust und die Befriedigung des Tötungstriebes waren immer wieder ein Erlebnis berauschender Macht. Ihre Zähne drangen jetzt durch die fahler gewordene Haut. Sie spürte die verzweifelte Anspannung seines Körpers, sein Herz schlug immer schwächer, ihm wurde schwindlig, er verlor das Bewusstsein, bevor er endgültig sein Leben aushauchte. Doch sein Körper war noch warm und die Luft geschwängert von menschlichen Gerüchen. Das stachelte Patricias Hunger erneut an. Sie biss nochmals zu. Riss mit einem Ruck ihrer kräftigen Kiefer seinen Hals auf, zerriss die Arterie, umschloss die Wunde zärtlich mit ihren Lippen und schlürfte den Rest seines Blutes genüsslich in sich hinein.

Graf Gustav von der Röhr kühlte bereits aus. Wie schnell das doch immer ging. Patricia lag neben seiner Leiche auf dem blutverschmierten Bett, starrte in den Spiegel an der Decke über dem Bett. Sie betrachtete das blutige Gesicht, den aufgerissenen Hals und der Anblick des roten, glitzernden Saftes auf der jetzt hellen, matten Haut entzückte sie zutiefst. Sie stand jetzt wieder in voller Blüte. Rote Lippen. Rosige Wangen. Eine menschliche Hautfarbe. Sie hätte die sprichwörtlichen Bäume ausreißen können. Doch sie musste aufräumen. Jede Spur verwischen. Das war das Lästige an der ganzen Sache.
Patricia zog die Leinentücher von der Matratze, wickelte den Leichnam und das blutige Bettzeug darin ein und warf alles zusammen in den großen Kamin. Die Flammen züngelten lodernd empor. Bald würde von Graf Gustav von der Röhr nichts mehr übrig sein.
Patricia ging ins Badezimmer. Stellte sich unter die Dusche. Wusch sich das getrocknete Blut von der Haut. Dann wickelte sie sich wieder in ihren schwarzen Mantel, zog die schwarzen Pumps an und setzte sich in einen Korbsessel auf der Terrasse vor dem Schlafzimmer. Aufatmend genoss sie die frische Nachtluft. Den Sternenhimmel. Und die Lichter der Stadt weit unter sich. Es war ein wunderbarer Abend gewesen. Sex, Blut, Gewalt.
„Es wird Zeit“, sprach sie zu sich selbst.
Patricia stand auf. Breitete weit ihre Arme unter dem Fledermausmantel aus, um zu dem Friedhof mit ihrem Grab zu fliegen.
„Was ist denn hier los?“ Ein Mann im dunklen Frack, weißem Hemd, schwarzer Fliege und schwarzen Lackschuhen stand wütend vor Patricia. „Wo ist der Graf? Warum riecht es hier so verbrannt!"
„Ich, ich …“, stammelte Patricia, bemüht um eine Erklärung.
Der Mann griff in Patricias Haare, zog sie brutal zu dem Kamin. „Was ist geschehen?“, brüllte er. „Wo ist mein Herr?“
Der Butler ergriff die Axt, die neben dem Stapel Holz vor dem Kamin lag und spaltete mit einem einzigen Schlag Patricias Schädel in zwei Teile.

***
 

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