... für Leser und Schreiber.  

Schenken und Hingabe

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©  Waldkind   
   
Ich habe ein Geschenk gemacht.
Ein großartiges, ein berührendes, ein rührendes.
Ich habe ein Geschenk gemacht, wie es kein zweites gibt.
Ich schenkte es gerne obgleich es mir wertvoll war.
Ich legte es gebend in andere Hände, obwohl es einzig war.
Ein Unikat.

Es war wie ein Schlag meines Herzens,
eine Momentaufnahme meines Lebens.
Es war ein Teil meiner Seele.
Ich war mir dessen nicht bewusst.
Ich schenkte es frei und ohne
dass eine Erwartung daran geknüpft war.

Ich schenkte es, weil ich es wollte
und schenkte es im festen Glauben daran,
dass es das passendste Geschenk wäre,
was ich hätte machen können.
Ich schenkte es einer einzelnen Person
und erwarte dafür nichts.

Es ist der Abend des 25.12. und zweiter Weihnachtsfeiertag.
Gestern habe ich es geschenkt.
Gestern wurde mir gesagt, das Geschenk sei zu groß.
Gestern war ich irritiert und ein wenig traurig deswegen.
Gestern habe ich das persönlichste Geschenk meines bisherigen Lebens gemacht.
Es ist rein.
Ich weiß um seine Reinheit.
Ich knüpfe nach dem Hinweis auf den wahnsinnigen Wert nun doch etwas daran.
Ich möchte, dass es verstanden wird.

Doch Hingabe wird zu selten verstanden.

Mein Hang zu Hingabe ist groß.
Ich gebe mich Dingen, Menschen oder Taten hin, die mich erfüllen.
Ich gebe ich zuweilen auch hin, wenn mich keine Erfüllung erwartet.
Der Moment der freien Hingabe selbst ist mir dann schon Erfüllung genug.
Ich kann nicht noch mehr schenken.
Ich kann mich nicht noch mehr schenken.

Zuweilen gebe ich mich vor Publikum hin.
Sei es in einem Konzert, oder in einem Theaterschauspiel.
Ich verschreibe mich einer solchen Sache und gebe mich ihr hin.
Ich gebe meine Energie und meine Zeit hin.
Ich möchte, dass diese Sache zum Wohle aller gelingt.
Darum übe ich nicht nur was ich muss sondern darüber hinaus.
Darum befasse ich mich mit jedwedem zu transportierenden Gefühl.
Darum lasse ich zu, zu weinen, wenn mich ein solches berührt.
Darum lache ich, weil ich Freude daran habe.
Darum entsteht diese Sache in meinem Herz und Hirn
schon Wochen vor der Vollendung und strahlt.
Darum, weil ich diese Sache lebe.
Darum, weil ich sie erfahren will.
Darum, weil sie für jeden Anwesenden gut sein soll und erfüllend.

Denn wie könnte ich von einer Sache Erfüllung erhoffen,
wenn ich nicht selbst gewillt und fähig wäre,
zu ihrer Erfüllung beizutragen.

Ich gebe mich hin.
Weil ich es will.
Weil es mich erfüllt.
Weil es etwas dient?

Hingabe wird von so vielen Menschen oft mit dem Bedürfnis verwechselt,
immer im Mittelpunkt stehen zu wollen,
andere ausstechen zu wollen,
großartiger sein zu wollen.
Warum nur stellen sie die Reinheit der Geschenke,
die aus Hingabe entspringen permanent in Frage?

Geschenke die der Hingabe entspringen können so vieles sein.
Und so leicht kann man auf den schenkenden mit Neid oder Unverständnis zeigen.
Und so leicht kann man einen Menschen der sich gibt darin beschämen.
Warum nur erkennen wir so schlecht die Reinheit einer solchen Gabe?

Warum müssen sich hingebende Menschen so oft für ihr Tun rechtfertigen?
Warum nur, warum wird so etwas schönes so oft missverstanden oder
will man es so gerne missverstehen, weil einem selbst die Fähigkeit zur Hingabe fehlt?

Schenken in Hingabe.
Sich schenken in Hingabe.
Erfüllung erfahren.

Einen Hingebenden sich hingeben lassen und ihn ebenso frei,
wie er sich hingibt,
annehmen.

Hingabe erfordert Annahme.

Nicht diese erhobenen Zeigefinger.

Hingabe möchte doch so gerne angenommen werden.


Ich weiß heute,
an diesem Tag nach Heilig Abend,
Dass die reine Hingabe kein Opfer des Gebenden ist.
Denn er ist es, der entscheidet,
und aktiv bestimmt, wie oder welcher Sache er sich oder etwas gibt.
Und noch während er gibt, wird er Erfüllung erfahren.

Der mit einem Geschenk von Hingabe konfrontierte Mensch ist es,
der ein Opfer bringen wird.
Er ist gezwungen in eine Position,
anzunehmen zu behalten, wertzuschätzen
oder zurückzuweisen, abzulehnen.
Ob er will oder nicht.
Das Opfer wird die energetische Hinterlassenschaft seiner Entscheidung sein.

Lassen wir es ein „Buh!“ Rufen sein.
Lassen wir es ein sich berühren lassen sein.
Lassen wir es ein Lästern sein.
Lassen wir es Tränen der Rührung sein.
Lassen wir es ein Auslachen sein.
Lassen wir es freudiges Lachen sein.
Lassen wir es Unverständniss sein.
Lassen wir es das Gefühl puren Glücks sein.
Opfer.
Alles Opfer.

Ist ein Geschenk der Hingabe also schon als solches unrein weil es ein Opfer erfordert?
 

http://www.webstories.cc 05.05.2024 - 18:04:54