... für Leser und Schreiber.  

Glöckchen

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© Daniel Freedom   
   
„Hallo Glöckchen, wie geht es Dir?“
„Ach ich bin ein wenig traurig.“
„Aber warum? Es ist Weihnachten. Das ist doch deine Zeit. Eine Zeit der Liebe und eine Zeit der Besinnung und der guten Taten.“
„Ist das so?“


Mit wild rudernden Armen lief Anne durch das Wohnzimmer. In der rechten Hand hielt sie einen kleinen Stofftiger. Hinter ihr folgte der kleine Bruder mit bösem Blick und schrie: „Bleib stehen! Bleib stehen!“
Ihr Vater stoppte das ganze Treiben und Geschrei und nahm beide in seine kräftigen Arme.
„Was ist los mit euch? Ihr seid schon den ganzen Tag am Streiten. Morgen ist Weihnachten und wir haben noch so viel zu erledigen. Wir wollen ein schönes Familienfest feiern und Mama und ich bräuchten ein wenig Unterstützung von euch.“
Ben schaute seinen Vater mit leuchtenden Augen an. „Ja endlich Weihnachten. Darf ich heute Nacht aufbleiben und auf das Christkind warten?“
„Es gibt kein Christkind…“ kam die verächtliche Antwort seiner großen Schwester. „Daran glauben doch nur Babys.“
„Glaubst du das wirklich Anne?“, fragte ihr Vater. Sie sah verlegen zur Seite. „Du und Mama besorgt die Geschenke, nicht das Christkind.“
„Okay nehmen wir mal an das wäre so, nur für einen Augenblick. Was würde das wirklich bedeuten? Geht es an Weihnachten nur um die Geschenke? Schnapp deinen Bruder und geht eine Runde spielen. Und vielleicht machst du dir mal Gedanken darüber, was dir Weihnachten bedeutet und heute Abend schmücken wir zusammen den Baum. Okay?“
„Ja Papa ja. Das ist klasse“ freute sich Ben und Anne sah ihn misstrauisch an. „Ich dachte das Christkind stellt den Baum auf?“
„Und ich dachte es gibt kein Christkind“. Sie sah ihm noch einen Moment in die Augen und sagte: „Komm Ben!“
An diesem Abend vor Weihnachten schmückten sie gemeinsam den Baum. Es war ein schöner Abend. Einfach das Gemeinsame reichte schon aus um sich gut zu fühlen. Später schlief Ben auf Mamas Schoss ein und sie saßen gemeinsam vor dem leuchtenden und buntgeschmücktem Grün.
„Und Anne, was bedeutet für dich Weihnachten?“
Es folgte Schweigen und nach einer Weile füllten sich ihre Augen mit Tränen. „Ich weiß nicht Papa. Ich dachte immer es gibt das Christkind aber heute weiß ich, dass das nur ein Märchen ist. Trotzdem ist Weihnachten schön. Wir sind zusammen. Oma und Opa kommen und die Geschenke sind natürlich auch toll aber trotzdem fehlt mir etwas.“
Er nahm seine Tochter in den Arm. „Ich möchte dir eine Geschichte erzählen von einem Mann, der ganz am Ende war und doch zum Held wurde. Nicht weil er reich war, nicht weil er ein großer Politiker oder ein Superheld war. Nein er war ein einfacher Mann, der seinen Job machte und seine Familie liebte aber das Leben spielte ihm übel mit und alles schien sich gegen ihn zu wenden...

Papa erzählte die Geschichte weiter und Mama legte ihren Kopf an seine Schulter. Und beide lauschten der kleinen Weihnachtsgeschichte, die er zum Besten gab. In Annes Gesicht konnte man alle ihre Gefühle sehen und lesen. Von Skepsis und Verblüffung über Wut,Trauer und Freude hin zur Hoffnung.

… und zum Ende der Geschichte erklingt ein Glöckchen und seine Tochter meint: „Und jedes Mal, wenn ein Glöckchen klingelt, bekommt ein Engel seine Flügel.“
So endete Papas Geschichte. Er sah seiner Tochter in die Augen, die im Lichterglanz leuchteten „Vielleicht bedeutet Weihnachten für jeden etwas anderes. Für gläubige Menschen ist es die Geburt Jesu, die sie feiern. Für manche ist es einfach nur Terror und Stress. Für andere ist es die Zeit der großen und noch größeren Geschenke und für wieder andere ist es einfach nur eine schöne Zeit. Die Zeit der Familie, des Zusammenhaltes, der Liebe und vielleicht auch einfach mal das Besinnliche. Sich Gedanken zu machen über die Welt. Die Welt die sich so schnell bewegt, die uns so viele Probleme bereitet, uns immer wieder Stöcke zwischen die Beine wirft, uns ärgert, uns aufhalten will oder uns nur das Schlechte und Böse zeigen will. Aber das ist nicht so. Wir haben alle unsere Familien, unsere Freunde, unseren Verein und jede Menge wundervolles und Schönes. Wir müssen uns nur daran erinnern und auch mal denken: Das Leben ist schön!“

In der Nacht schlich sich Anne leise nach unten und betrachtete das Bäumchen. Morgen würden Oma und Opa kommen. Sie würden gemeinsam Essen, gemeinsam Lachen und über die Welt reden. Danach würde ihr verrückter Papa sie irgendwie ablenken und heimlich die Geschenke unter den Baum legen. Er würde das Glöckchen klingen lassen, welches neben der Grippe unter dem Baum stand und alle würden sich freuen und sich in den Arm nehmen und die Geschenke auspacken.

Anne bückte sich, nahm das Glöckchen und betrachtete es.

„Hallo Glöckchen wie geht es Dir?“
„Ach ich bin ein wenig traurig“.
„Aber warum? Es ist Weihnachten. Das ist doch deine Zeit. Eine Zeit der Liebe und eine Zeit der Besinnung und der guten Taten.“
„Ist das so?“
„Ja das ist auf jeden Fall so. Du glaubst mir nicht?“ Keine Antwort!
„Gut dann hör mir mal zu. Ich will dir eine Geschichte erzählen, wie mein Papa mein Weihnachten rettete und du darin die Hauptrolle gespielt hast…“
 

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