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Mission Titanic - Kapitel 20

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© Francis Dille   
   
Kapitel 20 – Der Countdown beginnt

Unterdessen auf der Titanic…

Nachdem Ike durch das installierte Zeitfenster gestiegen war, um gemeinsam mit Sergeant Nicole Kalbach am 2. Oktober 1911 die zeitreisenden Soldaten auszuschalten, Eloise zu retten und danach in das 25. Jahrhundert zu reisen, herrschte zuerst Stillschweigen in der Luxussuite B-58. Jeder starrte Henry an, der röchelnd auf dem Sofa lag und mit einer extremen Übelkeit sichtlich zu kämpfen hatte. Man konnte seinen gesundheitlichen Zerfall beinahe minütlich beobachten.
Falls Henry nicht in absehbarer Zeit das rettende antiradioaktive Serum verabreicht bekäme, würde er qualvoll sterben. Ebenso war seine Anwesenheit auf dem Schiff für alle Passagiere eine gesundheitliche Bedrohung, insbesondre für seine Tochter Mara, Jean, Piet und Marko, weil sie sich unmittelbar in seiner Nähe aufhielten. Henrys Körper sonderte unaufhörlich radioaktive Strahlungen ab. Selbst das Dienstmädchen Ruthmilda Carter würde alsbald radioaktiv verseucht sein, obwohl sie sich im Nebenzimmer aufhielt und immer noch betäubt im Bett lag. Nur ein Dekontaminations-Spray, welches Ike ebenso aus dem Centrum mitbringen müsste, würde alle Anwesenden im Raum vor weiteren gesundheitlichen Schäden bewahren können. Sowie auch alle anwesende Passagiere der Titanic.
„Paps, was kann ich bloß für dich tun?“, fragte Mara mit weinerlicher Stimme. Die temperamentvolle Frau rüttelte energisch am Arm ihres Ehemanns und schniefte dabei.
„Jeanie, jetzt tu doch irgendwas! Mein Paps darf nicht sterben. Jedenfalls nicht so!“, sprach sie hektisch auf Französisch, was sich beinahe wie ein Befehl anhörte.
Jean allerdings reagierte wie immer besonnen, verschränkte seine Arme und überlegte.
„Mmm … Wir könnten ihm zwar Jodtabletten aus unserem Medikit verabreichen, aber diese würden auch nicht viel nützen. Anbetracht seiner erheblichen radioaktiven Kontamination wäre es ungefähr so, als würde man versuchen, Magenkrebs im Endstadium mit einem Kräutertee zu lindern. Wir können für Henry leider nichts mehr tun.“
Jean holte seine Taschenuhr hervor und blickte drauf.
„Aber eigentlich brauchen wir uns gar nicht zu sorgen, Cherie. Schleuser Ike wird ohnehin in dreißig Sekunden hier erscheinen und dann …“
„Verschwindet sofort von hier, geht zumindest in das Nebenzimmer“, meldete sich Henry krächzend zu Wort. Er richtete sich mühselig auf und spuckte erneut Blut in die Schüssel.
„Ike wird zwar in dreißig Sekunden erscheinen, aber nicht hier in diesem Raum, sondern ein Deck tiefer, in der Kabine C-13. Ich habe über eine verfluchte halbe Stunde gebraucht, um hierher zu gelangen. Ike kennt sich auf der Titanic zwar wesentlich besser aus, aber auch er wird mindestens fünfzehn Minuten benötigen, insofern er nicht irgendwie aufgehalten wird. Ich habe es selber erlebt, dass es kein Spaziergang ist, aus der Arbeiterschicht hoch hinauf zur Ersten Klasse zu gelangen. Und ich bin als ein 2. Klasse-Schiffssteward verkleidet. Was ich damit sagen will ist, dass es für mich eventuell zu spät sein wird, wenn Ike hier auftaucht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich noch fünfzehn Minuten durchstehe. Also, bleibt mir alle vom Leib!“
Jean blickte seinen Schwiegervater entsetzt an, zerrte sogleich an Maras Arm und zog sie in das Nebenzimmer. Der unsichtbare, geruchlose Tod hatte sich auf dem Passagierschiff bereits eingenistet und würde sich unaufhörlich verbreiten. Fünfzehn Minuten klangen wie eine halbe Ewigkeit, wenn man von massiver Radioaktivität direkt konfrontiert wurde.
„Wenn es Ike nicht rechtzeitig schafft und ich tot bin, dann müsst ihr mich schleunigst entsorgen und von hier verschwinden. Dann muss die Mission Titanic resettet werden …“, nuschelte Henry benommen, bevor er sich röchelnd in das Sofa völlig erschöpft niederlegte.

Marko Rijken verzog seinen Mund, setzte seinen hellen Hut auf und marschierte zur Tür, da wurde er von Agent Piet Klaasen festgehalten.
„Hey, wo verdammt nochmal willst du hin?“
„Wo soll ich schon hin wollen? An die frische Luft natürlich. Hier drinnen ist es mir eindeutig zu stickig geworden“, antwortete Marko sarkastisch.
„Vielleicht sollten wir aber jetzt unbedingt zusammen bleiben.“ Piet blickte auf seine Taschenuhr – Es war genau 19:55 Uhr. In knapp vier Stunden müsste die Titanic normalerweise mit einem Eisberg kollidieren.
„Ich habe noch einen Sonderauftrag zu erledigen, schon vergessen? Es fehlt mir nur noch ein klitzekleiner Download, dann weiß ich genau, worum es geht und wofür diese komische Perle nützlich ist“, antwortete Marko wobei er auf seine Hosentasche tätschelte, darin er das kleine Etui mit der geheimnisvollen Perle einstecken hatte. „Auf dem Oberdeck habe ich den besten Empfang, denn der Satellit müsste demnächst über uns vorbeiziehen. Ich hoffe nur, dass die beschissene Zeitmaschine, die direkt über der Titanic unsichtbar schwebt, das Funksignal nicht allzu sehr stört.“
„Ja, ja, ich weiß. Aber vielleicht solltest du trotzdem zuerst auf Ike warten, damit er uns mit dem Spray dekontaminiert. Ich denke dabei auch an die Akteure. Wenn du hier einfach so rumspazierst, wirst du jeden praktisch anstecken. Du bist genauso wie wir alle bereits verstrahlt. Zumindest angestrahlt.“
Marko griff nach dem Türknauf, öffnete und stand im hell beleuchteten Korridor.
„No way, Kumpel. Ich bin doch nicht blöd und warte, bis van Broek eventuell wieder auftaucht. Was ist, wenn Ike am Checkpoint verhaftet wird und nicht zur Titanic zurückkehrt? Dann ist es sowieso scheißegal, ob der Kahn absäuft oder nicht. Henry hat eine gewaltige nukleare Ladung abbekommen. Er ist praktisch eine wandelnde Atombombe, nur ohne Knall. Selbst seine Leiche würde unaufhörlich radioaktives Zeug absondern. Ich schätze, dass innerhalb von zwei Stunden die komplette Technik der Titanic versagen wird und alle Menschen an Bord verseucht sein werden. Du selbst hast Gudimard mit deiner Brille gescannt und müsstest einsehen, dass noch bevor der Eisberg auftaucht, es zahlreiche Todesopfer geben wird, falls es Ike nicht rechtzeitig schafft, Henry dieses godverdomme Serum zu verabreichen. Und niemand an Bord wird sich erklären können, was hier vor sich geht. Alle die sich hier in dieser Suite aufhalten, werden die ersten Toten sein. Das vernünftigste wäre tatsächlich, wenn wir Agent Henry Gudimard jetzt gleich über Bord werfen würden“, flüsterte Marko ihm ins Ohr.
Piet schaute in wütend an und zog ihn in die Luxuskabine zurück.
„Vielleicht solltest du aber wirklich hierbleiben, weil du nämlich die Mission Titanic leitest und ich überhaupt nicht weiß, was ich tun soll!“, erwiderte der Zweiundzwanzigjährige energisch flüsternd. Daraufhin blickte Marko ihn scharf an.
„Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Vielleicht solltest du aber einfach nur die Klappe halten, Präsident Junior. Kümmere dich von mir aus um das Fräulein Ruthie. Die müsste bald aufwachen und wird dann genau da weiter machen, bevor ich sie mit einem Betäubungsschuss ausgeschaltet hatte. Nämlich, uns mit unangenehmen Fragen zu belästigen. Halte sie irgendwie hin, aber geh mir jetzt bloß nicht auf den Wecker. Kapiert, Kumpel?“
„Ja aber, was-was soll ich ihr denn erzählen, wenn Ruthie wach wird? Sie hat alles mitbekommen, dass mit der Zeitmaschine und Naomi, die gar kein Mensch ist und so weiter. Wie soll ich ihr das alles erklären?“
„Was weiß ich?“, motzte Marko ihn flüsternd an. „Erzähle ihr irgendeine Story. Was stellst du dich eigentlich plötzlich so an? In unserem Jahrhundert hast du auch keine Skrupel, die Weiber nach Strich und Faden zu verarschen. Und das blonde Früchtchen ist bloß eine Akteurin, die dir alles glauben wird, insofern du es ihr einigermaßen logisch erläuterst. Das sollte für einen Casanova aus dem Centrum, wie du einer bist, doch dann ein Kinderspiel sein. Oder etwa nicht?“
Piet Klaasen schob seinen Bowler etwas nach hinten, kratzte sich die Stirn und sah wortlos zu, wie Marko fröhlich pfeifend den hell beleuchteten Korridor entlang stolzierte.

Als Marko Rijken vor dem großen, eleganten Treppenhaus stand, gongte die Uhr in der Vertäfelung zwei Mal. Nun war es Punkt 20:15 Uhr und die meisten wohlhabenden Passagiere begaben sich, nachdem sie im Speisesaal diniert hatten, in den Rauchersalon. Ein wirres Gemurmel war zu hören, was aber von der Musik des Orchesters dezent übertüncht wurde.
Marko zupfte an seiner Krawatte und lächelte; er befand sich bereits in der Ersten-Klasse und auch wenn er mit seinem grauen Herrenanzug und hellem Hut eher wie ein Zweite-Klasse-Passagier aussah, würde man ihn jetzt nicht unbedingt davon jagen, insofern an seinen Manieren des frühen Zwanzigsten Jahrhunderts nichts zu bemängeln wäre. Marko schritt lächelnd die Treppe hinunter und entwendete einem Schiffsteward, der mit erhobenem Haupt und einem Tablett herumlief, ein gefülltes Champagnerglas. Er trank in einem Zug aus und stellte es wieder auf das Tablett.
„Thangs, Sonnyboy. Sag mir, wie komme ich hinaus auf das verdammte Promenaden-Deck?“
Der Schiffssteward blickte ihn verwundert an. Zum einen, weil er einen fremdartigen Akzent heraushörte, was sich vermutlich wie holländisch anhörte (aber reiche Holländer gab es auf der Titanic nicht) und zum anderem, weil er sich frivol ausdrückte.
„Dort gelangen Sie hinaus, Mister“, antwortete der Schiffssteward gespielt freundlich, wobei er auf eine verglaste Tür deutete.
„Hinaus zum Promenaden-Deck? Ich danke dir vielmals, Kumpel. Du machst einen echt guten Job“, sagte Marko, klopfte ihm beherzt auf die Schulter, schnappte sich noch ein Champagner und drängeltes sich durch die Prominenz des frühen Zwanzigsten Jahrhunderts hindurch, wobei er sich stets freundlich entschuldigte.
Das Licht schien durch die Fenster direkt auf das Promenaden-Deck hinaus. Das Meer rauschte und der Fahrtwind war zu spüren. Marko Rijken beobachtete dutzende Leute; die Frauen waren mit eleganten Rüschenkleider und riesigen Hüten bekleidet, sowie die Herren in Smokings oder einem Frack mit Zylinderhut erschienen waren. Die Leute mochten vielleicht glauben, dass Rijken ein neugeborener Neureicher wäre, der entweder noch zu knauserig sei, um sich eine anständige Garderobe zu leisten oder aber noch nicht wusste, wie man sich als ein wirklicher Wohlhabender angemessen bekleiden sollte. Was der Schleuser jedoch nicht bemerkte war, dass man schon bereits über ihn tuschelte und die Leute sich heimlich lustig über ihn machten, weil sie sein Outfit als peinlich empfanden und er sich etwas ungehobelt sowie zu arrogant benahm.
Marko trank seinen dritten Champagner abermals in einem Zug aus und schleuderte das geleerte Glas achtlos hinter sich über Bord, und rülpste dezent. Was er seinen Kollegen verheimlichte war, dass er Alkohol durchaus gewohnt war und dessen Auswirkung gut wegstecken konnte. Schließlich wurde Schleuser Rijken, der Mann aus der Zukunft, in Vergangenheit ausschließlich in das frühe Mittelalter beordert und musste des Öfteren unter Barbaren observieren. Und unter Barbaren war man stets angesehen, wenn man trinkfest war. Als Marko Rijken nochmals einen Schiffssteward begegnete, der ebenfalls ein Tablett mit alkoholischen Drinks herumreichte, schnappte sich Marko, ohne ihn zu fragen oder ihn anzublicken, ein Glas mit Brandy. Dann aber schüttelte er sich angewidert und hustete. Solch ein edles, hochprozentiges Tröpfchen hatte er zuvor noch nie gekostet.
„Heilige Scheiße, verdomme aber auch. Ekelhaftes Zeug, was auch immer das für ein mieses Gebräu war. Das brennt ja in der Speiseröhre, als hätte ich eine angezündete Lunte geschluckt. Es geht einfach nichts über ein ordentliches Ale (altertümliches Biergetränk). Aber jetzt reicht’s mir erst mal mit der Sauferei.“
Nichtsdestotrotz hatte der geringe Alkoholkonsum seine Sinne etwas geschärft, kurz bevor zu jenem Moment, wenn es seine Sinne benebeln würde. Marko zog seine Augenbraue zusammen und runzelte die Stirn, als er im Getümmel auf dem Promenaden-Deck eine junge Dame erblickte, die mit einer dunklen Robe bekleidet war und vor einer wesentlich älteren Lady kniete. Sie war genauso mit einer dunklen Robe bekleidet, wie diese Androiden-Frau, diese geheimnisvolle Naomi, die kopfüber von der Titanic in die eiskalte See gesprungen war und dennoch überlebt hatte.
Aber sie war es nicht. Unmöglich, denn diese junge Frau hatte ihre Kapuze nicht übergezogen und man konnte genau erkennen, dass sie volles, langes Haar hatte. Naomi hingegen hatte kurze, gelockte Haare und ihr Hinterkopf sowie seitlich waren kurzrasiert. Dieser weibliche Androide hätte sich mit ihrer auffallenden Haarfrisur niemals unter die Menschen von 1912 getraut, zumal Naomi mit ihrer kaffeebraunen Hautfarbe zudem exotisch aussah. Zur jener Zeit hätte man sie abfällig als eine Negerin bezeichnet, die niemals ohne ihren Herren oder Herrin alleine hätte herumlaufen dürfen. Erst recht nicht in der Ambiente der Ersten Klasse, dort sich ausschließlich die Prominenz aufhielt, gleich wenn die Sklaverei in Großbritannien bereits seit 1833 gesetzlich verboten wurde. Aber Gesetze konnte man schon immer irgendwie umgehen und so wurden dunkelhäutige Menschen legal zu Leibeigenen, indem man sie mit einem Hungerlohn einstellte, der deutlich unter der Bezahlung einer hellhäutigen Dienstmagd lag.
War diese junge Frau etwa die sogenannte „Enkelin“ und somit ebenfalls ein Androide? Aber die Enkelin und die Alte, wie die Geheimagenten sie betitelten, agierten grundsätzlich gemeinsam, wie sie es festgestellt hatten. Androiden waren zwar künstliche Intelligenzen, die fähig waren, ein eigenes Bewusstsein zu erlangen, aber tief in ihren Mikrochips wurden Befehle einprogrammiert, diese sie unweigerlich folgten. Genauso wie dieser wunderschöne, weibliche Androide Naomi dazu programmiert wurde, stets alleine zu agieren.
Marko Rijken blieb stehen und starrte die kniende Frau apathisch an. Er erkannte im Schatten der Beleuchtung des Promenaden-Decks die zarte Silhouette einer ihm bekannten jungen Frau. Jedenfalls glaubte er, diese Person erkannt zu haben, anhand ihrer Gesichtsstaue und ihrer wohlgeformten Stupsnase. Sie gehörte keineswegs zu den weiblichen Androiden, sondern er glaubte, dass diese junge Dame eine Akteurin sei. Eine ihm sehr bekannte Akteurin.
„Da brat mir doch einer mal einen Storch. Das ist doch … Oder täusche ich mich etwa?“, murmelte Marko vor sich hin.
„Halt, du da! Sofort stehen bleiben!“, brüllte Marko, woraufhin sich das Fräulein erschrocken aufrichtete und sogleich über das Promenaden-Deck achtern flüchtete. Marko Rijken rannte ihr hinterher, vorbei an der alten Lady, die ihm verdutzt hinterher schaute.
Im gleichen Atemzug flitzte ein kleines Hündchen dem Geheimagenten aus der Zukunft hinterher, und bekam ihn zu fassen. Der kleine Mops schnappte nach sein Hosenbein und verbiss sich daran, bremste diesen hurtigen Sprint mit seinen kleinen vier Pfötchen ab und rüttelte knurrend daran. Marko blieb daraufhin stehen und versuchte das Hündchen abzuschütteln.
„Hey, lass mich sofort los, du Biest!“, schimpfte Marko erschrocken, auf einem Bein humpelnd. Der kleine Mops aber zerrte unermüdlich an seinem Hosenbein, bis ein langer Stofffetzen seiner Bundfaltenhose mit einem hörbaren „Ratsch“ abriss und der kleine Hund rücklinks purzelte. Der Mops hielt das Stofffetzen mit seinem Maul fest und schüttelte es besessen, woraufhin Marko die alte Lady empört anblickte. Marko Rijken stand mitten auf dem Promenaden-Deck – mit halb nacktem Bein – umgeben von vornehmen Leuten, die ihre Hände vor ihren Münder hielten und schadenfroh kicherten.
„Constantin … AUS!“, schimpfte die alte Lady. „Ganz böse! Was sollen denn die Leute von uns denken?! Mach sofort Platz oder du bekommst heute Abend kein Leckerli!“, drohte die alte Lady ihrem Hund mit erhobenem Zeigefinger, während das Hündchen intensiv das abgerissene Hosenbein rüttelte und dabei knurrte.
Marko schaute die alte Lady entrüstet an. Dann blickte er entsetzt auf seine Hose. Sein rechter Unterschenkel war blank zu sehen.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein! Schauen Sie nur, was Ihr godverdommes Viech angerichtet hat. Und was jetzt?!“, schnauzte Rijken erbost.
„Jetzt hören Sie mal, junger Gentleman. Mein Hund ist kein Viech, wie sie es abwertend betiteln, sondern ein reinrassiger Mops! Entschuldigen Sie sich gefälligst vor meinem Constantin!“, empörte sich die alte Lady aufgebracht.
„Ich mich entschuldigen, vor Ihrem … Was? Das kleine Monster hat meine Hose aufgefressen!“, erwiderte Marko entrüstet.
„Ähm, nun übertreiben Sie bitte nicht, junger Mann. Sie tun ja grad so, als würden Sie komplett nackt dastehen.“
Die alte Lady knüpfte ihr Hutnetz ab, um ihn direkt in die Augen zu schauen. Diese Situation war der englischen Lady sichtlich peinlich.
„I-ich entschuldige mich für das rüpelhafte Benehmen meines Constantins und werde Sie selbstverständlich angemessen entschädigen“, antwortete sie gestelzt.
Sie schaute umher und als sie all die reichen Leute erblickte, die diese Situation belustigend beobachteten, lenkte sie schließlich freundlicher ein, obwohl dieser Mann seiner Kleidung sowie Manieren nach zu beurteilen, lediglich ein Zweiter-Klasse-Passagier war.
„Sie haben ja Recht, Mister ...?“
„Rijken. Marko Rijken. Angenehm Misses…?“, antwortete Marko kurz grinsend, aber blickte sie sogleich wieder erbost an.
„Misses Lady Benetton, Mister Rijken. Tja, also … Ich fühle mich für das Missgeschick meines Constantins irgendwie verantwortlich, Mister Rijken. Ich stimme Ihnen zu, so halbnackt kann ich Sie nicht weiterhin herumlaufen lassen. Was sollen denn die Leute von mir denken?“, sprach die alte Dame vornehm und tupfte sich mit einem Taschentuch das Gesicht ab. Sie wirkte sichtlich gestresst.
„Alles was ich jetzt für Sie tun kann wäre, dass ich Sie zur Boutique führe. Dem Herrgott sei Dank, dass die Titanic eine schwimmende Stadt ist, mit allem Drum und Dran. Ganz anders als die RMS Lusitania und Mauritania, diese Schwesterschiffe schon luxuriös genug sind. Ich würde Sie gerne neu und vor allem anständig einkleiden, wenn Sie erlauben, Mister Rijken“, meinte die alte Dame verschämt lächelnd.
„Wie reizend. Das ist äußerst großzügig von Ihnen“, antwortete Marko zerknirscht. „Ich bin entzückt. Aber über eine Auskunft über diese junge Dame eben, würde mich glücklicher machen und dieses kleine Ungeschick, könnte ich dann eher verkraften. Also, hieß diese junge Dame etwa … Eloise van Broek? Oder hatte sie sich etwa mit ihrem Mädchenname vorgestellt: Eloise O’Brian?“, hakte Marko energisch nach, wobei er immer wieder in die Richtung blickte, wohin diese unbekannte Frau geflüchtet war.
Die alte Lady schaute ihn nachdenklich an und runzelte die Stirn.
„Mmm … van Broek, sagten Sie? Diese junge Dame soll also eine Verwandte von Mister Ike van Broek sein? Tja, es tut mir Leid, geehrter Gentleman. Aber die junge Dame hatte sich nicht vorgestellt. Dazu kam es leider nicht, weil Sie plötzlich erschienen sind. Wir begegneten uns zufällig und sie war von meinem Constantin völlig entzückt. Was ist denn bloß los? Sie ist so ein hübsches Ding und hat wundervolles rotes Haar. Ganz bestimmt ist sie eine Irin. Sie ist ein hinreißendes Mädchen und jetzt frage ich mich schon, wie eine Dritte-Klasse-Passagierin, die sie offensichtlich war, auf das Promenaden-Deck gelangte? Aber da Sie nun van Broek erwähnen. Aus Ihrem Akzent höre ich heraus, dass Sie ebenfalls ein Holländer sind. Richtig?“, fragte die alte Lady und hakte sich einfach in seinen Arm ein.
Marko blickte sie erstaunt an, während er sich von ihr zur Boutique führen ließ.
„Korrekt. Meine Nationalität kann man durchaus dem niederländischen Königreich zuordnen. Jedenfalls in der Vergangenheit“, fügte Marko nuschelnd hinzu, sodass es die alte Lady nicht bewusst mitbekam.
„Was mich aber ebenfalls brennend interessiert ist: Sie kennen Mister van Broek? Ike van Broek?“, fragte er erstaunt.
„Oh ja, gewiss. Mister Ike van Broek ist ein bemerkenswerter und interessanter Gentleman, Mister Rijken. Er ist äußerst höflich, sehr gebildet und wir unternehmen jeden Abend einen Rundgang um die Titanic. Mister van Broek ist ein ziemlich gutaussehender junger Mann, genauso wie Sie, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, ohne Sie dabei in Verlegenheit zu bringen“, lächelte die alte Lady charmant.
Marko Rijken nickte anerkennend. Dieses Kompliment war angekommen und hatte seinen Groll etwas besänftigt. Er fühlte sich geschmeichelt und spazierte mit der betagten, englischen Lady gemächlich auf dem Promenaden-Deck. Sicherlich, mit einem halb abgerissenen Hosenbein durch vornehme Leute zu spazieren, auf dem berühmtesten Schiff aller Zeiten, wäre jedem anderen äußerst peinlich gewesen. Aber Rijken war es relativ egal, solang es der Mission nützte.
In Begleitung der alten Dame könnte er ungehindert das Oberdeck erreichen, damit er seine heißbegehrten Downloads mit einem bestmöglichen Empfang herunterladen konnte, nachdem er sich neu eingekleidet hätte. Der Mops Constantin trottete seinem Frauchen hinterher, wobei das Hündchen immer noch seine Errungenschaft – Rijkens halbes Hosenbein – stolz im Maul behielt. Mrs. Benetton spazierte erhaben voran, weil sie sich abermals in Begleitung eines jungen, attraktiven Mannes der Prominenz präsentieren konnte.
„Sie und Mister van Broek kennen sich etwa zufälligerweise?“
Marko nickte, wobei er grinste.
„Zufälligerweise, ja. Und es ist erstaunlich, Ma`am.“
„Erstaunlich? Was genau meinen Sie mit, erstaunlich?“, hakte die alte Lady neugierig nach.
„Es ist erstaunlich, dass in letzter Zeit jedes Missgeschick, was mir widerfährt, immer irgendwie etwas mit dem ehrenwerten Mister Ike van Broek zu tun hat“, antwortete Marko, wobei er auf seine nackt hervorscheinende Wade blickte.

Mrs. Lady Benetton faltete ihre Hände und war sichtlich entzückt, als Marko aus der Umkleidekabine mit einem nagelneuen Herrenanzug erschien, sich mit ausgebreiteten Armen einmal um die eigene Achse drehte und dabei zufrieden lächelte.
„Und, sehe ich nicht wie neugeboren aus? Der Stoff des Herrenanzuges ist ausgezeichnet. Gute Arbeit, Mister“, lobte Marko und klopfte dem verdutzten Verkäufer kräftig auf die Schulter, sodass er einen Schritt nach vorne taumelte. Was für eine ungehobelte Person, dachte sich der Verkäufer.
Die achtzigjährige Mrs. Lady Benetton lächelte verlegen, weil sich Marko Rijken beinahe denselben grauen Herrenanzug ausgesucht hatte, die gleiche Bundfaltenhose und nicht eine etwas edlere Bekleidung. Mr. Rijken schien eine bescheidene Person zu sein, jeder andere Mann hätte sich sicherlich den edelsten und teuersten Herrenanzug ausgesucht. Plötzlich entschwand die Fröhlichkeit aus Markos Gesicht und blickte den Verkäufer entrüstet an.
„Sagen Sie mal, wo zum Geier sind meine alten Klamotten verblieben? Ich habe mein Jackett und meine kaputte Hose über diesen Stuhl gelegt!“
Der Verkäufer schaute Marko erstaunt an.
„Endschuldigen Sie, Sir. Selbstverständlich kümmern wir uns um ihre alte Kleidung. Das gehört zu unserem Service doch dazu.“
„Wie, kümmern?“, fragte Marko überrascht. „Was soll das bedeuten?“
„Nun ja. Ihr Jackett war noch tadelfrei, deshalb habe ich angeordnet, es in die Wäscherei zu bringen. Seien Sie unbesorgt. Ihre Brille haben wir selbstverständlich aufgehoben.“
„Was für eine nette Geste“, antwortete Marko scheinheilig lächelnd. „Und was ist mit meiner kaputten Hose und dem Utensil geschehen, das in meiner Hosentasche war?“
„Ihre zerrissene Hose? Diese haben wir für Sie selbstverständlich entsorgt, damit Sie keine Umstände haben, Mister Rijken“, lächelte der Verkäufer unsicher.
„Was meinen Sie mit entsorgt? Wo ist mein verdommes Etui hin, was in der Hosentasche steckte?“, motzte Marko den Verkäufer an.
„Etui? I-ich weiß nichts von einem Etui, Sir. Es tut mir aufrichtig leid, Mister Rijken. Wir haben Ihre Hose genommen und sie der Housekeeping überlassen. So ist es doch üblich, schließlich wollen wir unsere Kunden jegliche Unannehmlichkeiten ersparen und …“
„Wo zum Geier ist meine Hose hin? In der Hosentasche befindet sich ein äußerst wertvoller Gegenstand, den ich unbedingt benötige! Ihr könnt doch nicht einfach mein Zeug wegwerfen, ihr dämlichen Akteure!“
„Ja aber, aber das ist doch so üblich“, stammelte der Verkäufer und dachte verzweifelt nach, was er mit dem Ausdruck Akteure meinte.
Marko Rijken holte einmal tief Luft und blickte den Verkäufer ernst an.
„Nun gut. Sagen Sie mir einfach, wo meine Hose just in diesem Augenblick aufbewahrt wird.“
Der Verkäufer schluckte und zuckte mit der Schulter.
„I-ich sehe es ein, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich hätte die Housekeeping darauf hinweisen müssen, die Hosentaschen zu durchsuchen. Aber alle unsere Kunden vertrauen uns und schätzen doch unseren Service“, verteidigte sich der Geschäftsmann.
„Interessiert mich alles nicht. Nur, Hose … Wo?!“
Marko griff den Verkäufer unbeherrscht am Kragen und rüttelte ihn energisch. Der Gegenstand in dem Etui war genauso wichtig, wie seine technologische Nickelbrille, weil dieser möglicherweise die Mission entscheiden würde. Aber genau wusste es Marko noch nicht, weil er nicht genügend Informationen darüber hatte. Erst der komplett heruntergeladene Download würde ihm Gewissheit beschaffen.
„Ihre alte Kleidung wurde in den Müllschacht entsorgt, Sir“, sprach der Verkäufer kleinlaut.
„Müllschacht? Okay, jetzt kommen wir der Sache schon etwas näher. Und wo befindet sich der Müllschacht, wenn ich freundlichst nachfragen darf?“
Der Verkäufer fuchtelte ängstlich mit seiner Hand herum, während er sprach, um Marko den komplizierten Weg dorthin zu erklären.
„Jetzt beruhigen Sie sich doch mal, Sir. Und lassen Sie mich endlich gefälligst los! Gehen Sie über die Halle und folgen Sie dem langen Korridor dort hinten entlang, dieser „Schottlandweg“ genannt wird. Das ist der einzige Korridor, der auf dem B-Deck durchgehend zum Vorderschiff führt. An der dritten Kreuzung halten Sie sich links, danach müssen Sie sogleich rechts abbiegen. Auf der linken Seite befindet sich eine kleine Treppe und unten angekommen, sehen sie gleich rechts die Vorrichtung des Müllschachtes.“
„Aha. Zuerst Schottlandweg dann irgendwann rechts und links und dann … oder war es rechts? He, momentmal. Wo führt dieser komische Müllschacht überhaupt hin?“
„Hinunter zum Kiel, natürlich. Hinunter zu den Heizern. Der gesamte Müll wird in den Kesselräumen verbrannt, Sir.“
Marko Rijken ließ langsam von seinem Kragen ab und blickte ihn erschrocken an.
„Okay, verstehe. Und wie gelange ich hinunter zu den Kesselräumen? Jetzt sagen Sie es mir doch endlich, verdomme aber auch!“
„Tja, da müssten Sie, wie gesagt, den Schottlandweg entlang gehen. Irgendwann müsste eine Stahltreppe hinunter führen zum C-Deck. Aber den genauen Weg hinunter zum F-Deck kann ich Ihnen leider nicht erklären, weil ich es nicht weiß. Sie müssen jedenfalls immer weiter runter. Aber eigentlich ist es sowieso sinnlos zu versuchen, hinunter zum F-Deck zu gelangen. Selbst für einen Erste-Klasse-Passagier ist es strikt untersagt, die Kesselräume zu betreten. Nur die Schiffsoffiziere sind dazu befugt.“
Marko Rijken nickte und überlegte, wie er hinunter zu den Kesselräumen gelangen könnte. Ike wüsste es und mittlerweile müsste er längst wieder erschienen sein, insofern er nicht irgendwie aufgehalten wurde. Aber die Blöße, dass ihm ein wichtiger Gegenstand verloren ging, dieser möglicherweise die Mission zum Erfolg bringen könnte, wollte er sich keinesfalls aussetzen. Ihm blieb ohnehin keine Zeit mehr, sich irgendetwas erklären zu lassen. Marko musste handeln, und zwar jetzt und sofort, ansonsten würde sein begehrtes Utensil verbrannt werden.
Marko Rijken stieß den Verkäufer von sich und sprintete los, wobei er die Ladentür nicht anstaltshalber wieder verschloss.
„Was für eine unverfrorene Person das ist!“, schnauzte der Verkäufer während er sich seine Krawatte zurecht zupfte. Mrs Lady Benetton zuckte mit der Schulter.
„Wissen Sie, er ist ein Holländer.“
„Nein, Misses Benetton. Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, aber dieser Herr ist eher ein Arschling!“

Während Marko verzweifelt versuchte, hinunter zu den Kesselräumen zu gelangen fragte er sich, ob er tatsächlich Eloise O’Brian gesehen hatte. Das war doch eigentlich unmöglich. Aber Zeitreisen konnten das Unmögliche möglich machen, wenn man den Überblick behielt und keine Paradoxe erzeugen würde. Marko wusste zwar, dass Ike Eloise illegal zurückholen wollte, aber wenn er dies tatsächlich geschafft hätte, wie konnte sie sich dann seit Southampton unbemerkt auf der Titanic aufhalten? Was hätte dies überhaupt für einen Sinn? Möglich war aber auch, dass er sich getäuscht hatte und diese Frau nur eine unbedeutende Akteurin war, die er im schattigen Licht verwechselte. Wie dem auch sei; um die wahre Identität dieser Frau herauszufinden, dafür blieb ihm keine Zeit mehr. Sein verlorenes Etui hatte jetzt höchste Priorität. Er musste es unbedingt wiederbeschaffen, andernfalls drohte die Mission Titanic eventuell zu scheitern. Wiedermal.
Schleuser Marko Rijken nahm jeglichen Treppenabgang wahr und eilte hastig hinunter. Hinunter zur 3. Klasse zu gelangen, erwies sich als wesentlich einfacher, als sich irgendwie in die 1. Klasse zu mogeln. Trotzdem wollte er keinesfalls auffällig erscheinen, stoppte seinen Sprint und grüßte jeden Passagier, dem er begegnete. Als er endlich das untere E-Deck erreicht hatte und schnellen Schrittes den Korridor entlang lief, wobei er nach dem Müllschacht Ausschau hielt, traf er plötzlich auf zwei junge Burschen. Ein blonder Junge, allerhöchstens war das Bürschlein vierzehn Jahre alt, hockte auf der Schulter eines großgewachsenen Rothaarigen und hantierte mit einem Schraubenzieher an einer Wandlampe. Diese zwei Jugendlichen waren offensichtlich Handwerker, die für diverse Reparaturen des Schiffes zuständig waren. Sie müssten ihm eigentlich weiterhelfen können, dachte sich Rijken. Marko nahm sein Hut ab und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
„Hallo Jungs, wie geht’s denn so?“, fragte er etwas atemlos. „Könnt ihr mir vielleicht verraten, wie ich schnellstmöglich hinunter zu den Heizkesseln gelange?“
„Na klar“, antwortete der rothaarige Kerl spontan, nahm seine Schirmmütze ab und deutete neben sich, direkt auf den Müllschacht. „Dort geht’s am Schnellsten hinunter.“ Er setzte den Vierzehnjährigen von seiner Schulter ab wobei beide sich kichernd amüsierten.
„Hey, jetzt werdet bloß nicht frech, ihr zwei Rotznasen. Ich habe euch eine anständige Frage gestellt. Ich muss unbedingt irgendwie den Kesselraum erreichen!“, schimpfte er mit vorgehaltenem Zeigefinger.
„Endschuldigen Sie, Sir, aber Aaron hat Recht. Selbstverständlich gibt es auch einen normalen Weg hinunter zum F-Deck, aber der ist für Passagiere verboten“, klärte Sean Ryan ihn mit seiner kindlichen Stimme auf. Marko stutzte.
„Aaron? Bist du etwa Aaron O’Neill?“ Marko Rijken kannte den Schreinerlehrling, weil er die Belfast Mission stets mitverfolgt hatte.
„Woher kennen Sie meinen Namen?“, fragte Aaron verwundert.
„Um dir das zu erklären, dafür habe ich jetzt keine Zeit. Mir ist etwas sehr wichtiges in den Müllschacht gefallen, was ich unbedingt wiederhaben muss. Also, wie habt ihr das gemeint? Kann man da einfach hinunterspringen?“
„NEIN, bloß nicht!“, erwiderte Aaron erschrocken. Da geht’s mindestens acht oder zehn Meter runter. Aber an der Wand ist eine Leiter angebracht. Wenn Sie wollen, begleiten wir Sie.“
„Aaron, bist du verrückt geworden? Wenn wir erwischt werden, wird uns Harland & Wolff hochkantig rauswerfen. Dir ist das vielleicht egal, aber ich bin erst im ersten Lehrjahr und du …“
„Ach, halt doch die Klappe, du kleiner Angsthase“, sagte Aaron, zog ihm dessen Schirmmütze tief ins Gesicht und kicherte. „Ich helfe Ihnen gerne, Mister. Kommen Sie, folgen Sie mir!“
Aaron holte aus seiner Latzhose eine Taschenlampe hervor, öffnete die Klappe des Müllschachtes und stieg hinein. Marko Rijken blies die Backen auf, nickte stetig und stieg hinterher.
Der Elektrikerlehrling Sean Ryan steckte seinen Kopf in den Müllschacht und beobachtete, wie der adrett gekleidete Mann dem Schreinerlehrling auf der anmontierten Stahlleiter folgte.
„Und was soll ich jetzt machen?“, flüsterte er energisch hinunter. Aaron leuchtete mit seiner Taschenlampe nach oben, direkt in sein ängstliches Gesicht.
„Du bleibst wo du bist und stehst Schmiere, Angsthase. Wenn einer kommt, verschließt du die Klappe! Hast du verstanden?“ Der junge Knabe nickte hektisch.
Marko stieg vorsichtig die Leiter hinunter und folgte Aaron.
„Du bist sehr tapfer, mein Junge. Wenn ich mein Etui gefunden habe, werde ich mich erkenntlich zeigen.“
„Sagen Sie mal, Mister. Sind Sie zufälligerweise Holländer? Das hört man an Ihren Akzent. Mein Lehrmeister, Mister van Broek war nämlich auch …“
„Ja, Mann. Ich weiß!“, fiel Marko ihm zerknirscht ins Wort. „Wie weit noch runter? Kannst du irgendwas sehen?“
„Wir haben es gleich geschafft, Sir. Ich sehe bereits den großen Container. Wir haben Glück, denn da liegen jede Menge Altkleider rum und nur wenige Müllsäcke.“
Marko stieg vorsichtig ein Fuß nach dem anderen die Stahlleiter hinunter und grummelt vor sich hin. „Und abermals habe ich es irgendwie mit van Broek zu tun. Hoffentlich reitet mich diese Aktion hier nicht schon wieder in die Scheiße.“
 

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