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Puls 49

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©  ilana   
   
Zeigefinger und Mittelfinger auf der Innenseite meines linken Handgelenks, Blick auf den Sekundenzeiger der Uhr gerichtet.
Puls 49. Ein stetiges aber langsames Pochen in mir, das angibt, das ich noch lebe. Mein Kreislauf steht in meinem Dienst.
1...2...3.....
Ich zähle meine Herzschläge in der Minute, kontrolliere meine Atmung.
Ein , aus, ein, aus, tief und entspannt.

Ich grabe mich ganz tief in die Decke hinein, mir ist so kalt.

Du liegst warm und weich neben mir im Bett. Ich lausche deinem Atem, beobachte im Dunkel der Nacht wie du ab und an kurz aufschreckst, um schließlich mit einem schmatzenden Seufzer wieder einzuschlafen. Du hast einen so tiefen Schlaf. Ich ertappe mich dabei, wie ich dich darum beneide, versuche mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal eine ganze Nacht durchgeschlafen habe. Aber es will mir einfach nicht einfallen.

Ich kratze mich am Kopf und betrachte den Büschel Haare in meiner Hand.

„Du hast schönes Haar, hat dir das eigentlich schon mal jemand gesagt? Du bist mir direkt aufgefallen.“

Ich schüttle dich bis du aufwachst.
„Kannst du dich noch erinnern, wie wir uns kennengelernt haben?“
Du reibst dir die Augen und ich beobachte wie du dich aufsetzt. Jetzt tut es mir schon wieder leid, dich einfach aus dem Schlaf gerissen zu haben. Aber es ist doch wichtig.
„Hast du mal auf die Uhr gesehen? Versuch doch zu schlafen.“
Ich glaube dich lächeln zu sehen, du streichst mir mit deiner warmen Hand über die Wange.
„Nein, sag, weißt du das noch?“
Du stößt einen langen Seufzer aus und kratzt dich am Kinn. „Aber natürlich weiß ich das noch. Ich habe dich auf dein schönes Haar angesprochen ... du bist fast auf mich losgegangen.... Wie könnte ich das vergessen, du warst so biestig“. Am Klang deiner Stimme höre ich, dass du lächelst, während du das sagst.
Du legst dich wieder hin, willst weiterschlafen.
„Biestig aber süß“, und tief ausatmend kuschelst du dich wieder in dein Kissen, liegst mit dem Rücken zu mir.
„Und ist es immer noch wunderschön?“
„Bitte?“ deine Stimme klingt angestrengt, ich weiß, ich sollte dir deinen Schlaf lassen. Aber ich brauche deine Antwort. Heute noch. Jetzt noch. Du wirst noch genug Schlaf bekommen.
„Mein Haare. Ist es noch genau so schön?“ frage ich und zupfe unsicher an den dünnen Strähnen, die mir ungleichmäßig ins Gesicht fallen“.
„Das hat doch wirklich bis morgen Zeit, oder?“, grummelst du und ich sehe wie du den Mund verziehst, obwohl es zu dunkel ist, überhaupt etwas zu sehen.
„ Bitte....ich würde das jetzt gerne wissen“, ich schlucke.
Ich höre wie deine Hände nach mir tasten. Du zuckst als du mich berührst, beginnst ganz vorsichtig meine Schulter zu streicheln. Schließlich mein Haar, sparst die kahle Stell aus.

„ Ja ....... , du bist noch genauso schön wie an dem Tag, als ich dich das erste Mal gesehen habe.
Und jetzt versuch bitte zu schlafen, ja? Denk nicht soviel nach Schatz“.

Es ist still im Zimmer. Du bist wieder eingeschlafen, liegst selig neben mir, so warm. Ich bin nun auch müde. So müde.

Nocheinmal lege ich meinen Zeigefinger und Mittelfinger auf mein Handgelenk. Beginne zu zählen. So müde,der Blick auf die leuchtenden Ziffern des Weckers strengt an und meine Augen tränen, kann sie kaum länger offenhalten.
Puls 39, mein Blut fließt langsam durch meine Adern und ich lausche wie mein Herz in unregelmäßigen Abständen schlägt und stoppt.
Ich schließe erschöpft die Augen, fahre mir noch einmal durch die Haare „noch genauso schön wie früher“ murmle ich und lächle.
Jetzt kann ich in Ruhe einschlafen, es wird ein langer Schlaf werden.





 

http://www.webstories.cc 16.05.2024 - 02:00:22