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Der Untergang des Hauses Duck

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© Christian Savoy   
   
Der Geldspeicher lag in völligem Dunkel, doch die Tresortür stand offen und das Klimpern ungeheurer Talerberge durchrauschte die nächtliche Ruhe.
„Sei leise, 176-761“, zischte Opa Knack seinen Mannen zu, die schwere Stoffsäcke auf ihre breiten Rücken geladen hatten. Die Männer wirkten wenig vertrauenserweckend, ja sie waren gar maskiert: Es handelte sich um Einbrecher!
„Oder willst du, daß der alte Duck uns hört?“
„Zu spät, ihr Gesindel!“, herrschte eine quakende Stimme vom Eingang her, Licht flammte auf, tauchte den Raum in einen grellen Schein.
„Verdammt!“, brüllte 761-167 entsetzt, „in Deckung!“
Krach bumm! Dagobert Duck, seines Zeichens Multiultrisuperduperfantastilliadär, feuerte seine Salzflinte auf die Eindringlinge ab, die mit weiten Sätzen in Deckung hechteten.
„Ich werde euch lehren, meinen Geldspeicher anzugreifen!“, quakte Dagobert und ließ eine neue Salve auf die bestürzten Panzerknacker ab, die wimmernd hinter Barrikaden aus Gold Schutz suchten.
„Quak! Hinter Gitter gehört ihr, jawoll!“ Der alte Duck war außer sich vor Zorn. So harmlos er in Schlafkleid und Zipfelmütze auch aussehen mochte, das Feuer in seinen Augen lies ihn als rasenden Racheengel erscheinen. „Und genau da werde ich euch jetzt hinbringen!“
Opa Knack trat aus dem Schatten hinter Dagobert, einen Revolver in der Hand, direkt auf Dagoberts Kopf gerichtet.
„Diesmal nicht, Bertl, diesmal nicht“, flüsterte Opa Knack leise.

„Herr Duck, Sie sind plötzlich der reichste Mann der Welt! Was sagen Sie dazu?“
Blitzlichter flammten auf der improvisierten Pressekonferenz, die Donald Duck, Alleinerbe des Duckschen Vermögens, einberufen hatte. Sein Kontostand hatte sich binnen weniger Stunden von minus vier Talern und 13 Kreuzern auf 62457 Kubikkilometer Taler und 13 Kreuzer in Gold, Juwelen und Aktien erhöht, doch der neugewonnene Reichtum schien dem blassen Enterich nichts zu bedeuten, nicht in diesem Moment jedenfalls. Der Schock stand Donald ins Gesicht geschrieben. Er drückte Daisys Hand, die ebenfalls herbeigeeilt war, Lockenwicker in den Haaren, Gurken auf den Augen, aber so stark, wie sie sein mußte, um Donald in diesem Moment den Rückhalt zu geben, den er so dringend benötigte.
„Stimmt es, daß Herrn Ducks Leichnam so übel zugerichtet war, daß Sie seinen Kopf nur noch anhand der Koteletten identifizieren konnten?“, rief ein Reporter aus der Menge, ein unsympathischer Widder, der für den Entenhausener Daily arbeitete, einem der größten Konkurrenten Dagoberts auf dem Sektor der Printmedien. Nein, rief sich Donald ins Gedächtnis, der schärfste Konkurrent des reichsten Mannes der Welt: Donald Ducks! Er schüttelte den Kopf, dankbar erwiderte er Daisys Händedruck.
„Ich möchte mich dazu nicht äußern. Onkel Dago... Herr Dagobert Duck ist tot. Mehr möchte ich nicht sagen.“
„Aber es ist wahr, daß Sie im Testament als Alleinerbe genannt werden?“
„Schluck. Geld spielt in diesem Moment keine Rolle“, erwiderte der cholerische Erpel, dem Tränen in den Augen standen.
„Dann geben Sie‘s doch mir!“, rief der vorlaute Widder-Reporter, was einige der Anwesenden mit lautem „Kicher! Harharhar!“ quittierten.
„Was unterstehen Sie sich!“
Puff! Zack! „Bringt sie auseinander!“ „Autsch!“ „Quak!“
„Donald!“, schnatterte Daisy und zerrte ihren Freund vom Reporter weg. Donald sprang erregt auf und ab und ließ seine Fäuste kreisen. „Wir können uns jetzt keinen Eklat leisten!“, flüsterte Daisy Donald zu und langsam beruhigte sich der Erpel wieder. Er tupfte sich die schweißnasse Stirn mit einem Bündel Talernoten ab.
„Noch Fragen?“, keuchte er und warf einschüchternde Blicke ins Auditorium.
„Nun, Herr Duck, was sagen Sie zur raschen Ausforschung der Täter?“
„Haben Sie auf den Justizminister Druck ausgeübt, damit die Verurteilungen so rasch über die Bühne gingen?“
Das Stimmengewirr schwoll an, bis Donald Duck die Hand hob und das Durcheinander verebbte, um ihm, Donald, dem Tolpatsch, Donald, dem Versager, ihm, dem Pechvogel, ja, seinen Worten zu lauschen.
„Die Panzerknacker haben ein abscheuliches Verbrechen begangen und dafür haben sie gebüßt. Sie wurden heute morgen um 7 Uhr im Stadtgefängnis Sing-Sing auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Ich weiß, daß das in Onkel Dagoberts Sinne gewesen wäre!“, erklärte er mit fester Stimme, auch wenn sein Bürzel nervös hin und her zuckte. „Und nun entschuldigen Sie uns bitte. Wir haben viel zu tun.“
Und geschützt von einem Polizeikordon verließ die reichste Ente der Welt die Pressekonferenz, während hinter ihm Daisy und Donalds schluchzende Neffen folgten.

Die Monate gingen ins Land, das Grün des Sommers wich herbstlichem Gelb, bis die ersten Schneeflocken über der Stadt fielen. Der Aufruhr der ersten Wochen hatte sich gelegt, doch der Aufruhr in Donalds Brust würde noch lange brauchen, bis er verstummte.
Er war längst in den Geldspeicher gezogen, den er aber, im Gegensatz zu seinem knauserigen Oheim, mit allem erdenklichen Komfort ausrüsten hatte lassen. Ja, sogar erweitert hatte man den alten Bau, denn als Donald und Daisy sich vermählt hatten, da hatte die „Braut des Jahrhunderts“, wie sie genannt wurde, auf einem eigenen Trakt für ihre donnerstäglichen Damenkränzchentreffen bestanden. Wer war Donald, den Wunsch seiner Geliebten abzuschlagen? Und dennoch, manches Mal war er ein sehr einsamer Erpel, wenn er wie eben am großen Glasfenster des Geldspeichers stand und auf das Treiben in Entenhausens Straßen hinabblickte, auf die Freunde, die er plötzlich zu haben schien und jene, die er einst hatte und die nun zu ihm sprachen, als habe er sich verändert. Und vielleicht hatte er das auch.
Er sah auf die Titelseite des Economist. Eben erst hatte Donald den Duck-kritischen Entenhausener Daily aufgekauft. „Zeitungsente“ prangte in großen Lettern über seinem Bilde, doch auch solch aufsehenerregende Erfolge konnten nicht länger darüber hinwegtäuschen, daß das unantastbare Ducksche Imperium ins Wanken geraten war. „Martini-Tag an der Börse“, so war der schwarze Mittwoch in die Finanzgeschichte eingegangen, als sich die Aktien des Duck-Konzerns auf eine rasante Talfahrt begeben hatte.
„Donald?“
Er wandte sich um, Daisy war unbemerkt in sein Büro gekommen.
„Du siehst hinreißend aus“, flüsterte der Erpel und lächelte traurig.
„Donald, was stimmt nicht zwischen uns?“, fragte Daisy sanft zurück. „Warum entfernen wir uns immer mehr voneinander?“
„Ich weiß es nicht.“
„Du arbeitest zuviel.“
„Ich muß, Daisy!“
Schmacht! Daisy kam näher, ihr lasziver Gang brachte des Erpels Blut in Wallung. Er sah in ihre Augen, auf ihre langen Wimpern, klimper, klimper, ihre Beine, oh, ihre zarten, orangen Beine! Sie watschelte näher, hauchte mit tiefer Stimme, die auf Donalds Armen eine Gänsehaut lustvoller Erwartung hervorrief.
„Warum kommt ein gewisser Erpel nicht mit mir in unser Bett, wo ihn eine gewisse Daisy sehr, sehr glücklich machen wird?“
Schmatz! Donald erschlaffte.
„Oh Daisy! Es tut mir so leid! Ich habe heute noch eine Konferenz...“ Donald kam nicht weiter. Er war als, nun, temperamentvoll bekannt, aber Daisy konnte zur Furie werden! Fauch! Zeter! Schrei!
Ein Haartrockner, eine Schreibmaschine und ein Geldsack kamen auf den unglücklichen Donald zugeflogen, krach!, und als er wieder zur Besinnung kam, hatte Daisy den Raum verlassen.

Die Limousine rollte beinahe geräuschlos durch die Straßen zum Tagungszentrum.
 

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