... für Leser und Schreiber.  

Alle seine Saufkumpanen

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© Florian Adams   
   
Alle seine Saufkumpanen haben ihr Leben in den Griff bekommen. Sie haben eine Frau, ein großes Haus, Kinder, ein schnelles Auto und einen Führerschein. Nur er, der doch mal Antialkoholiker war, er hat es nicht geschafft.Er sitzt zu hause vor dem Fernseher in einem dunklen Raum. Seine kleine Wohnung versinkt im Chaos und unter Pizzaschachteln. Er liegt da, und hat eine Flasche Bier am Hals, ohne sich um Gesundheitsschäden zu kümmern. Er simuliert und achtet nicht auf den Krimi, der gerade im Fernseher läuft.
"Mein Gott. Gut das ich weit weg wohne. Gut das mich von meinen Bekannten so keiner sieht. Die haben ihr Leben gemeistert. Aber ich, ich liege hier und packe wieder nichts. Ja ja. Dabei hab ich nie was getrunken und ich war sogar bekannt dafür und ich wurde natürlich belächelt. Die haben mich doch hier dran gebracht. Jetzt hab ich Selbstmitleid.
Andere haben das nicht nötig. Oh was war ich "cool" als ich angetrunken Blödsinn gemacht hab. Nur wenn ich nüchtern bin fällt mir sowas alles nicht ein und ich weiß mit nichts was anzufangen.
Obwohl ich ja am Anfang gar nichts getrunken hab. Alle meinten sie: ´Ja, ja, der da. Lass ihn doch, wenn er nix trinken will. Prost!´ Jetzt habe ich meistens einen Rücken gesehen. Es wurde gefeiert und gesungen.
Nur wer saß da und hat sich am Arsch gekratzt? Das war natürlich ich. Jetzt häng ich wieder so da. Ich bin schon ein toller Hecht! Hab ich eigentlich irgendwas richtig gemacht in meinem Leben? Ich glaube da bleibt nicht viel übrig?
Der Krimi ist am Ende, und er auch. Jetzt hat er das Ende auch noch verpasst.
Er schimpft: "Kann ich denn überhaupt nichts richtig machen? Jetzt weiß ich das Ende nicht!" Er war nämlich so in Gedanken versunken, dass er den Fernseher nicht registriert hat.
Er löst sich aus seinem schmierigen Sessel und steht auf. Er geht auf die Toilette. Im Spiegelschrank liegt die Packung mit den Schlaftabletten. Er findet sie. "Nein, das ist doch nicht das Richtige. Jetzt steh endlich auf und mach was aus deinem Leben, du alter Sack!! Jetzt such dir endlich mal ne vernünftige Arbeit, Mann. Du bist 36! Da kann man doch noch was machen! Du bist verdammt nochmal Ingenieur geworden! Wofür hast du denn die 4 Jahre studiert? Nur um so zu enden?
Nein. Nicht mit mir. Das hab ich gar nicht nötig. Ich werde jetzt aufstehen, werde mich anziehen und werde dieses verdammte Höllenloch hier mal verlassen und einen Spaziergang machen.
Draußen schauen ihn die Leute an, als wenn er etwas ganz Anderes wäre als sie. Gut, er hat sich seit vier Tagen weder gewaschen noch umgezogen. Aber er spürt Tatendrang und er hat Verlangen nach anderen Menschen. Dahinten ist die Kneipe. ´Ich halte das nicht aus. NEIN NEIN NEIN! Das geht jetzt nicht.` Seine Hand ballt sich zu einer Faust. Er drückt ganz feste zu. Er riecht verschaltes Bier und Schnaps. ´ Nein, jetzt nicht.` Er blickt auf die andere Straßenseite. Er sieht seine Nachbarin. Sie hat zwei schwere Taschen zu tragen. Er eilt hinüber, um ihr zu helfen. "Waschen sie sich erst einmal. Sie haben ja eine Fahne!", ist ihre schnippische Antwort. Er eilt hinüber in die Kneipe. " Zwei Bier!", bestellt er. Das macht er immer. Dann muss er nicht so oft laufen. Das eine trinkt er in einem Zug leer. Das andere langsamer. Er bestellt noch zwei Schnaps dazu. ´Die Frauen sind aber auch ein Teil mit dran schuld. Wieso müssen die auch so schwierig sein? Hätte ich damals eine gefunden wäre alles gut.` Nach zwei Stunden, 7 Hefeweizen und 15 Schnäpsen geht er. ´Endlich dreht es sich wieder`, denkt er. Er lacht.
In seiner Wohnung steigt er über seinen Müllberg und setzte sich auf seinen Sessel. Er schaltet den Fernseher ein.
Obwohl er den Film in dieser Zeit gar nicht mehr sehen konnte weiß er, dass Bud Spencer gerade wieder dabei ist, seine Runden auszuteilen. Er kennte alle Filme von ihm.
Am nächsten Morgen wacht er mit Kopfschmerzen auf. ´Jetzt ist aber Schluss!`, durchfährt es ihn. Er rast aus seinem Sessel und gibt einen lauten Schrei von sich. Er will ins Badezimmer. Der Weg dahin kommt ihm wie eine Ewigkeit vor, obwohl das Bad ein Zimmer weiter ist, da seine Wohnung nur aus drei Zimmern besteht. Er duscht eiskalt. Anschließend geht er in die Küche und will etwas essen. Alles, was er findet ist entweder schlecht, oder abgelaufen. ´Naja dann geh ich halt ins nächste Café.`, denkt er.
Er trifft wieder die Nachbarin. Sie ist ungefähr so alt wie er. Diesmal riecht er nach Kaffee und frischen Brötchen mit einem leichten Hauch eines Aftershaves, dass er schon seit Jahren nicht mehr benutzt hatte.
Er grüßt sie und geht weiter.
"Hallo, warten sie!", ruft sie ihm hinterher. "Ich wollte mich wegen gestern entschuldigen. Es war dumm von mir. Ich denke Sie haben es nur gut gemeint." Er gibt ihr seine Hand. Zögernd gibt sie ihre auch. "Ich nehme die Entschuldigung an. Retten sie öfters anderen Menschen das Leben?" Dies lässt er so stehen und geht schnell, ohne dass die Nachbarin, noch etwas sagen kann. Sie schaut ihm lange hinterher. Er spürt ihren Blick und sonnt sich darin.
 

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