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Die Zweitagefliege (meine erste Geschichte)

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©  Amazone   
   
"Sumserum" pustete mir wer ins Ohr, "Komm mit, und sieh dir die Eintagewelt an" Ich brummelte vor mich hin und wollte mich umdrehen um weiter zu schlafen, als mich mein Bruder anstieß. "Nu los, jetzt bist du gerade mal auf der Welt und willst dein Leben verschlafen?" Ich gähnte laut und nuschelte: "Das Leben ist noch lang genug."
"Eben nicht" Wir haben nur einen Tag. Außerdem habe ich verdammten Hunger", erwiderte er.
"Ok, ok, ich komm ja schon" seufzte ich und rappelte mich auf meine sechs Beine.
Die Drängelei meines Bruders gefiel mir nicht, aber manchmal war es auf lange Sicht besser, nachzugeben.

Unsere Mutter hatte uns in einer Fußbodenritze eingenistet, uns das nötigste Wissen beigebracht und war, kurze Zeit später, verstorben.
Während ich so über meine Vergangenheit nachdachte, drängte sich Bubi hinaus und wurde von einer Katze plattgetreten. Ich konnte nur noch denken, das er doch älter gewesen war als ich, und er sich daran hätte erinnern müssen, wie uns unsere Mutter eingeschärft hatte, "Immer nach oben, rechts und links zu schauen", bevor wir die Bude verliessen. Nun war ich allein und hatte keinen nervigen Bruder mehr. Ich kam schnell drüber weg, denn das Leben ist kurz, dachte ich.

Es machte "Knickknack" als ich meine Flügel zum ersten Mal ausbreitete, aber das war wohl kein Wunder, wenn man sein halbes Leben verschlief.
Verdammt lahm, dachte ich und flog, unsicher schwankend los. Nach einiger Zeit der Übung machte ich mich auf, das Haus zu erkunden.
Meine Flügel schienen nicht daran gewöhnt zu sein, so einen langen Flug durchzuhalten, denn plötzlich, ich war gerade auf dem Landeanflug zum Küchentisch, sackte ich ab und fiel mit einem Salto in eine Schale mit einer grünen, durchscheinenden, glibberigen Masse. Schließlich nach einen paar Happen von dem süßen Zeug, rappelte ich mich aus der klebrigen Masse hoch und wackelte schließlich zum Schüsselrand. Kaum auf dem Rand angekommen, leckte ich meine Flügel sauber und wollte gerade den Abflug machen, als mich eine Zeitung fast erwischt hätte. Ich fiel vorne über, während sich die Schale, samt Inhalt, selbständig machte. Doch ich verlor schnell das Interesse und flog los um das Haus weiter zu erforschen.

Schließlich summte ich in ein Raum, mit hellen Fliesen. Aus einem Wasserhahn tropfte Wasser und ich sah daneben, wie ich zuerst dachte, eine Wasserrutsche. Ich wollte sie mir gerade näher betrachten und übelegte, ob ich die nicht mal ausprobieren sollte, als mich der Schlag traf.
Ich summte zum Spülkasten, setzte mich auf den Rand und starrte sie an. Mein kleines Herz pochte und ich dachte, sie ist es: Meine erste Liebe.
Ich landete neben ihr und flüsterte heiser " Wer bist denn Du?"
Keine Antwort
"Kannst Du nicht sprechen?" fragte ich etwas lauter, als ich meine Stimme wiederfand.
Lansam nahm ich eines meiner Beinchen und berührte sie ehrfurchtsvoll.
Keine Reaktion
"Ich habe sowas wie dich noch nie gesehen. Ich heisse Sumserum" staunte ich und trippelte einmal um sie herum.
Wieder nichts.
Schließlich schwebte ich in Höhe ihres Kopfes, und wedelte mit meinen Vorderbeinchen vor ihrem Gesicht herum, doch sie reagierte einfach nicht. Irgendwie wirkte sie so steif auf mich.
Ich summte um sie herum und betrachtete ihr wunderschönes rosa Kleid, dazu die passenden Schuhe. Und ihr Goldenes Langes Haar das ihr bis zu den Knöcheln reichte, faszinierte mich und ich hätte mich gerne an sie gekuschelt. Aber nein, das traute ich mich nicht.
Also stellte ich mich vor ihr hin, machte mich so groß wie möglich und rief: "Ich habe so was wie Dich noch nie gesehen, du bist so schön, wie heißt du? Ich heiße Summserum!"
Nichts.
So langsam begann ich ungeduldig zu werden, da man mich nur anstarrte und nichts weiter passierte, als dass ich mir langsam bekloppt vorkam. Also drehte ich mich abrupt um und fiel.
"Plitsch" ging es und ich fiel in ein tiefes Loch mit Wasser. Ich zappelte und rief "Hilf mir!", doch ein ein Wasserfall stürzte auf mich herab und ich verlor das Bewußtsein.

Ich erwachte, der Morgen graute und ich fand mich unter einem Abflußrohr wieder, der aus der Erde ragte. Während ich aus meinen Flügeln die letzten Tropfen auswrang, und sie schließlich, zum Trocknen, ausstreckte, dachte ich bei mir: "Komisch, mein Leben müsste doch längst vorbei sein"
Also blieb ich dort sitzen und wartete auf den Tod, der nicht kam

Irgendwann wurde es mir langweilig und ich dachte, wenn ich noch nicht sterben soll, kann ich mich noch umsehen. Ich prüfte meine Flügel und startete schließlich Richtung Wald. Die Bäume waren ziemlich hoch und ich hatte schon ein wenig Angst von einem Ast erschlagen zu werden, aber bald gewöhnte ich mich an das hoch und runter, an den Blättern und Ästen vorbei, das ich mich sicher fühlte und durch den Wald düste.

Plötzlich spürte ich, das jemand hinter mir herflog und als ich mich umschaute, sah ich direkt in zwei große Augen mit riesigen Flügeln dran. Doch das erschreckende war eher der spitze Schnabel, der nach mir pickte.
Gleich würde er mich packen, doch ich trudelte schon in Richtung Erdboden und versuchte meine zitternden Flügel unter Kontrolle zu bringen. Ich plumpste in eine Blume, die böse ihre Pollen aufstauben ließ. Aber das war mir egal, denn ich konnte nur zusehen, das ich hier weg kam. Doch wie ich auch mit meinen Beinchen strampelte, ich konnte mich einfach nicht auf den Bauch drehen. Der Vogel kam immer näher und ich rollte hin und her, das die Blume nur so schwankte. Und dann, kurz bevor der Schnabel mich erwischte, plumpste ich unsaft aus der Blume auf den Erdboden.
Ein Markerschütternder Schrei hallte durch den Wald und der böse Vogel zischte über mich hinweg und gab seine Hetzjagd wütend auf.

Ich seufzte erleichtert auf und machte das ich hier rauskam. So summte ich ein wenig leiser und vorsichtiger durch den Wald bis ich eine Lichtung sah. Jetzt konnte alles nur noch besser werden und ich flog von dannen.
Schließlich kam ich in eine große Stadt. Und als ich durch die Straßen flog und es wurde, fand ich ein offenes Zimmerfenster aus dem die Wärme strömte und ich summte hinein und tastete mich langsam durch die Wohnung. Hier war es so, wie ich mir das Paradies vorstellte. Am liebsten war mir, wenn ich warme Haut spürte und an ihr auf und ab trippelte.

Und wenn ich nicht gestorben bin, dann ärger ich Dich noch heute!
 

http://www.webstories.cc 10.05.2024 - 07:15:19