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Der Krampf mit den Dialogen!
Jan Nolte,
30.04.2004 |
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Ich sitze gerade an dem Drehbuch zu meiner Story "Johnny & Anne" und bin mal wieder bei einem Dialog hängengeblieben. Für mich ist er, bis auf einzelne verbesserungswürdige Formulierungen, genau so wie er sein soll, vor allem inhaltlich. Doch höre ich im Hinterkopf schon die (konforme) Kritik dazu: "Die Dialoge sind viel zu ausformuliert und die gesprochenen Sätze viel zu lang. So spricht niemand und überhaupt enthalten sie viel zu viel Informationen".
Was ist gegen solche Dialoge auszusetzen? Ich weiß, man soll zeigen und nicht erzählen. Würde ich aber alles zeigen, was zu zeigen ist, würde der Film über vier Stunden gehen. Würde ich Informationen weglassen, wäre die Charakterisierung der Figuren unvollständig und würde zu viel Fragen hinterlassen. Ich weiß, letzteres ist üblich in Filmen, aber ich habe eben etwas gegen die Mystifizierung von Menschen und ihre Verhaltensweisen.
Ich will ja in den Bereichen in denen ich noch nicht gut genug bin - und da gibt es einige - dazulernen, aber in vielem bin ich einfach mit der konformen Meinung über Kunst bzw. ihrer Form nicht einverstanden und finde sie daher auch nicht erstrebenswert. Das trifft vor allem auf Dialoge zu.
Besonders die Dialoge in deutschen Spielfilmen nehmen immer mehr diese stotternde Seifenopern-Sprache ohne Inhalt an. Das langweilt mich extrem. Wenn ich dagegen dann den Dialogen einer Serie wie Dawson's Creek (schubladen-männisch auch eine Seifenoper) zuhöre, ist das wie Musik in meinen Ohren. Da unterhalten sich 16jährige (gespielt von über 20jährigen :-) ) in einer selbstanalytischen und deutlichen Sprache miteinander, die nicht mal Erwachsene drauf haben und die total unrealistisch ist, aber es trotzdem (oder gerade deshalb) wert ist jede Folge zu schauen. So einer Sprache, die immer einen Drathseilakt zw. Tiefsinn und Klugscheißerrei beihaltet, ist es in meinen Augen dann auch wert als Vorbild zu fungieren.
Jetzt denken einige sicher, warum schreibst dus nicht einfach so wie du es willst und ignorierst die konforme Meinung. Das Problem ist, dass es , im Gegensatz zu einem Roman, bei einem Drehbuch sehr frustriernd sein kann, wenn es niemals verfilmt und veröffentlicht wird und ich meine eh schon minimalen Chancen das Buch an den Mann zu bringen durch die Dialoge zu nichte machen könnte.
Ich weiß, dass Kevin Williamson, der Macher von Dawson's Creek wegen der Dialoge bzw. der Sprache auch auf sehr viel Gegenwehr gestoßen ist (ein Lehrer meinte zu ihm er würde nie erfolgreicher Drehbuchautor werden). Aber er hatte vor der Serie schon Erfolge mit dem Kinofilm Scream, der, soweit ich weiß, ohne diese analytischen Dialoge auskam (müßte ich mal überprüfen ob das wirklich so ist.)
Wenn man erstmal einen Erfolg hat, kann man danach so ziemlich alles machen was man will. Soll ich also bis dahin alles was ich schreibe lieber den Konventionen anpassen oder nicht? Ich meine, gerade ausgefallene Filme oder zumindest welche, die die Konventionen brechen, sind immer sehr erfolgreich (oder gehen unter wie die Titanik :-) ), warum erkennen das die Verantwortlichen nicht? Eigentlich kenne ich die Antwort schon, ich find sie nur nicht sehr befriedigend. Kunst und Kapital sollten sich ebensowenig vermischen wie Kunst und Elite(denken)...
Gruß,
Jan (Meister der Nebensätze :-D ) |
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Alle Antworten |
| Also gut Jan, | Zorni 01.05.2004 - 22:53:07 | | Figuren bekommen auch durch Dialog Charakter.
Gib den Charakteren eine glaubhafte Sprache, eine Ausdrucksweise die ihnen angemessen ist mit auf den Weg. Lass es sie auf ihre Art machen, dann funktioniert das.
So lange das handwerkliche stimmt, hast du alle Freiheit.
Guter Dialog nach Robert McKee:
a) besitzt Takt, Rhythmus, Melodie
b) ist kurz und sparsam (in der Regel zwei oder drei Zeilen pro Figur)
c) ist ein Schlagabtausch [(wie Tennis) ein Machtspiel das sexuell. Physisch,
politisch oder sozial sein kann)
d) vermittelt Konflikte, Überzeugungen, Emotionen, Absichten (er berichtet
nicht über die Figur, er enthüllt sie), Subtext
e) lässt sich leicht sprechen
schlechter Dialog:
a) ist hölzern
b) alle Figuren hören sich gleich an
c) gibt der Subtext preis (jeder Gedanke und jedes Gefühl wird
überdeutlich beschrieben)
d) simplifiziert Menschen, anstatt ihre Vielschichtigkeit zu enthüllen
Lange Dialoge sind Anfängerfehler! Sie sollten vor allen Dingen für lange Erklärungen vermieden werden. Sie wirken unbeholfen und laienhaft.
Übrigens, was versteht ihr darunter: Den Konventionen anpassen.
Es gibt Regeln, an die sollte man sich halten, das ist Handwerk. Sich selbst treu sein kann auch, wenn man aus den Fehlern anderer lernt.
Auch an Regina:
So zu schreiben wie andere es erwarten ist aber bei einem Drehbuch teilweise unumgänglich. Schau dir doch einmal den Unterschied zwischen einem Buch und einem Drehbuch an. Der Romancier hat alle Freiheiten beim Schreiben, der Drehbuchautor nicht. Er muss wissen was er erzählen will, muss eine Struktur schaffen, das Gerüst, an dem sich alles zusammenhält. Er muss sich an sein Thema halten, sonst wird er unglaubwürdig. Eine Story ohne Prämisse ist keine. Fängt er damit an den Leuten zu erzählen die Welt ist schön und stößt am Ende in das gleiche Horn (umgekehrt genauso), hat er umsonst erzählt.
Dabei geht es aber nicht darum ein künstlerisches Talent zu bevormunden, es geht eher darum die vorhandenen Möglichkeiten zu berücksichtigen.
Passt es in das Konzept des Senders, stehen die Mittel zur Verfügung um die Idee zu realisieren, stimmt die Dramaturgie, wird die Verfilmung nicht zu teuer und, und …?
Wer für den Film schreibt hat größere Freiheiten, aber es ist auch schwieriger solch ein Projekt zu realisieren. Es sei denn man hat das nötige Kleingeld und kann es selbst finanzieren. Dann muss nur noch ein Verleiher gefunden werden.
In erster Linie an Tom:
Was hast du davon, wenn dir dein Werk gefällt, aber keiner will es haben. Vielleicht weil ein einziger Punkt nicht stimmt und du weißt nicht welcher. Eine klitzekleine Stelle, sagen wir mal am Anfang des zweiten Aktes, und nichts geht mehr. Hier müssen Leute ran, die Erfahrung haben. Leute, die das Drehbuch lesen und mit dem Finger auf diese Stellen zeigen. Dramaturgen. Beim Fernsehen ist der Erste, der so ein Manuskript (in der Regel erst einmal das Exposè) in die Finger bekommt der zuständige Redakteur. Den musst du überzeugen können, dass deine Geschichte es wert ist abgedreht zu werden. Und da haben wir schon wieder einen wichtigen Punkt: Was ist denn überhaupt momentan gefragt? Was wollen die Leute sehen?
Drehbuchschreiben heißt nicht dem Künstler zu huldigen, es heißt (neue) Ideen flexibel einbringen, die Geschichte den Erfordernissen gemäß anzupassen.
Frag doch mal die Leute, wie viele Drehbücher in den Schubladen liegen und keiner will sie haben.
Für dein Unternehmen Drehbuch drücke ich dir die Daumen, Jan.
Gruß Zorni | antworten | |
| | | Aaaaalso... | Tom 02.05.2004 - 20:01:41 | | Erstens hab ich ja gesagt, daß ich von Drehbüchern keine Ahnung habe, zweitens hab ich auch eher von Kunst im allgemeinen Gesprochen. Mir ist schon klar, daß man als Künstler Kompromisse eingehen muß. Ich würde aber die Drehbuchautoren der meisten Fernsehserien und Fernsehfilme auch nicht als Künstler bezeichnen (GZSZ!!). Das sind für mich Prostituierte einer Gesellschaft, die uns mit belangloser Unterhaltung ruhig stellen will.
Natürlich geht es bei einem Drehbuch darum, daß es verfilmt wird und man Leute damit erreicht. Aber seine Seele sollte man nicht dafür opfern.
Ich gebe zu, es ist wie mit dem alten Spruch:"Nur die inneren Werte zählen."
Ist natürlich Blödsinn. Äußere und Innere Schönheit sollten sich im Idealfall ergänzen, und so ist das wohl auch mit Ausdruck und Inhalt einer Geschichte.
Dennoch: Authentizität!!!! | antworten | |
| | | @Zorni und Tom | Jan Nolte 02.05.2004 - 22:44:52 | | >>Übrigens, was versteht ihr darunter: Den Konventionen anpassen.
Na ja, dazu gehören einige Punkte die du angesprochen hast und als Handwerk bezeichnet werden. Wie zb. die länge der Sätze und Dialoge.
>>Der Romancier hat alle Freiheiten beim Schreiben, der Drehbuchautor nicht.
Das stimmt nicht. Dem Romancier hat genau so mit Konventionen zu kämpfen, wahrscheinlich sogar mehr als der Drehbuchautor. Denn Literatur hat eine viel längere Geschichte wodurch festgefahrene Ansichten wie das geschriebene zu sein hat noch wesentlich stärker manifestiert ist.
>>Was hast du davon, wenn dir dein Werk gefällt, aber keiner will es haben.
Es gibt fast immer genug Leute, die es haben wollen bzw. gut finden würden, wenn sie es kennen würden. Natürlich ist klar, dass, je abgehobener ein Projekt ist, die Gruppe der Interessenten schrumpft. Das eigentliche Problem ist aber, dass die Filmleute keine Risiken eingehen wollen. Sie haben ihre Statistiken in denen steht, was gerade in ist und gut ankommt und wollen exakt danach ihren Film machen.
Ich will nicht gehuldigt werden - nichts liegt mir ferner, ich verabscheue das Huldigen von Idolen - ich schreibe, was ich selbst egrne in Filmen sehen würde. Ich habe als Teenager so viele Filme gesehen, dass mich die ständige Wiederholung - bedingt durch die ständig gleich konzepierten Drehbücher - langsam nervt.
Danke übrigens für die Mail. Einige darin aufgelistete Punkte sind für mich schon ganz interessant und wissenswert.
@Tom:
>>Das sind für mich Prostituierte einer Gesellschaft, die uns mit belangloser Unterhaltung ruhig stellen will.
Dem kann ich nur voll zustimmen! | antworten | |
| | | | | | | @Regina | Jan Nolte 02.05.2004 - 22:19:38 |
| | | | | | | | | | | | | Ja! | Compuexe 01.05.2004 - 00:02:43 |
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