7


3 Seiten

von einem dicken jungen, falco und satan

Trauriges · Kurzgeschichten
Eigentlich wollte ich mich nur in den Schloßpark setzen, ein Bier trinken und die Touristen vollquatschen. Dafür hab ich mich auch unter eine ganz große Hängebuche gesetzt. Über die weiß ich nämlich alles, weil ich die schon seit ewigen Zeiten besuche. Die Hängebuche, ist so dicht, dass nur winzige Lichtpunkte hindurch scheinen und jeder der unter dem Baum sitzt, sieht aus, als wenn er ganz viele kleine Lichtpickel im Gesicht hat. Die Vögel verarschen sich gegenseitig und sanft wirft der See Wellen. Zwei Omas sitzen neben mir und unterhalten sich über ihre toten Männer und darüber das sich ihre Kinder nie melden. Ein alter Tourist, der mir und dem Baum nahe kam, hätte beinahe in mein Bier gehustet.
Aber kommen wir zum eigentlichen Grund meines Schreibens.
Auf dem Weg, von meiner Wohnung in den Park, hab ich schon wieder soviel erlebt, dass ich mich dazu genötigt fühle, es aufzuschreiben. Deswegen stell ich die Idyll mal zur Seite und schreibe.
Ich hatte noch nicht einmal meinen stinkenden Körper um die erste Ecke gelenkt, da lief ein kleiner dicker Junge vor vier Halbstarken davon. Dann verlor er so im Lauf seinen Schlüssel, einer der Vier hob ihn auf und als der Dicke das merkte, drehte er sich um und ging mutig auf die Halbstarken zu. Von soviel Mut überrascht, warfen sie ihm den Schlüssel entgegen und liefen davon. Natürlich nicht, ohne noch mal "Dicke Sau" zu schreien. Genau in diesem Moment war ich in gleicher Höhe mit dem dicken Kind und sprach zu ihm "Ehh das sind doch sowieso nur Assis". Er schaute mich mit traurigen Kinderaugen an und erwiderte "Ja, da haben Sie Recht". Dann gingen wir Beide. Er in die falsche, ich in die richtige Richtung. Vor allem hatte er zu mir "Sie" gesagt. Zu mir, der ich doch selber noch ein Kind bin. Das hatte gesessen.
Das zweite Erlebnis bescherte mir einen dunklen Flyer. Schon von weitem hörte ich kirchlichen Chorgesang. Zwei Flyerverteilern war ich ganz gut ausgewichen. Der dritte Teiler packte mich aber mit seinen Augen und Nullkommanichts hatte ich einen Wisch in der Hand. In solchen Situationen sage ich sonst stets: "Danke, aber ich bin mit dem Auto hier", aber das hab ich irgendwie nicht herausbekommen.
Schnell nahm ich meine Füße in die Hand und verhinderte so wenigstens noch vollgequatscht zu werden. Erst in der nächsten Straße nahm ich den Zettel und hielt ihn in Leshöhe. Dicker noch als der kleine Junge stand da "Out of the Dark" und daneben war ein kleines verschwommenes Bild von Falco. Das hat mich natürlich neugierig gemacht. Is ja auch komisch. Eine christliche Gruppe auf offener Straße macht Werbung für Falco, der ja, das wollen wir nicht vergessen, schon tot ist. Allein diese Abstrusität veranlasste mich dazu, diesen Flyer zu behalten und nicht wie sonst immer absichtlich zu verlieren. Noch im Gehen klappte ich das Schrifttum auf und fing an zu lesen. Mittendrin in meiner Lesung blickte ich kurz auf und sah eine Ex von mir, die überaus miserabel im Bett und sonst auch beschissen war. Sie lächelte.
Ich auch, aber erst zwei Minuten später als ich den Flyer durchgelesen hatte.
Es ging zum Teil wirklich um Falco. Um ihn und seinen letzten Song "Out of the Dark". Hans Hölzel, also Falco, habe mit dem Teufel gebuhlt und weil er ihm zu nahe kam, ist er gestorben, So einfach.
Ein Teil nimmt Falcos Lebensgeschichte ein und der andere Teil beschäftigt sich mit dem Satan. So steht da, dass er überall Fallen aufstellt (Sex, Drogen, Alkohol) und das wir für immer sein sind, wenn wir in sie hineintappen. Ausser natürlich, wir greifen nach dem rettenden Ast. Genau, Jesus. Der Vergleich ist sogar ganz brauchbar, weil man Jesus ja nur als so dünnes Vieh kennt. Dünn wie ein Ast.
Jesus bietet das ewige Leben an. Der Teufel den Tod. Mal überlegen. Was nehmen wir denn da. Für was entscheiden wir uns? Entweder ein unberauschtes, langweiliges Leben ohne Sex mit einem Ast an der Seite oder Ficken, Saufen und Kiffen mit einem lustigen Huftier und dann nach einiger Zeit sterben. Die Entscheidung fällt schwer und sollte ich am Ende meiner Überlegungen den Weg "Out of the Dark-into the Light" wählen, so muss ich 3 Regeln befolgen. Steht so im Flyer und ist somit Gesetz.

1. Gestehen Sie Gott ihre Schuld ein.
2. Glauben Sie, dass Jesus der Retter der Welt ist.
3. Folgen Sie Jesus als ihrem Herrn.

1. Was dass ich in alle Teufelsfallen gefallen bin, die es gibt?
2. Tut mir leid, kann ich nicht glauben, weil ich es nicht selber miterlebt habe, wie er das gemacht hat und auch keinen kenne, der das bestätigen könnte.
3. Wohin und wieso Herr? Bin ich ein Sklave oder was?

Soeben hab ich mich entschieden und reiche meine Hand keiner Asthand, also einem Zweig, sondern lege die meine Hand in eine pelzige, krallenbesetzte Pranke.
Unter all dem geschriebenen Blödsinn, steht dann noch ganz klein geschrieben: "Garantie: Wir werben für keine Sekte". Die hätten diesen Satz auch ein wenig anders schreiben können. Vielleicht: "Wir sind aber eine Sekte aber werben nur für Gott. Nicht für uns".

Kaum hatte ich den Flyer in die Seiten eines Buches gelegt, dass an dieser Stelle nicht genannt werden möchte, da stand ich mitten auf dem Marktplatz. Irgendwas war da aufgebaut und als ich das erste Plakat sah, wußte ich auch was. Kam mir alles ein wenig wie ein Traum vor. Genau in diesem Moment, hätte ich gut aufwachen können. Man hatte direkt auf dem Marktplatz ein Flüchtlingslager aufgebaut. Natürlich ohne Menschen.
Irgendwie fand ich das makaber und ging einfach weiter. Auf dem Plakat hatte gestanden: "Ein Flüchtlingslager zum Anfassen". Was wird nächste Woche sein? Wird man Gaskammern aufbauen oder Folterkammern?
Dann war ich auch schon fast da, wo ich jetzt bin und sah nur noch zwei Strassenmusiker die "My Way" von Sinatra trällerten. Das war es.
Ich sitze noch auf der Bank, die Alten sind längst fort, mein Bier ist leer und ich muss morgen den Text abtippen.

Wenn mir dieser Tag, mit seinem Gebaren, irgendwas sagen wollte, dann sicher: Der Teufel ist ganz ok, Jesus nur ein Ast, kleine dicke Kinder sehen in Dir einen Opa und man kann auch träumen ohne zu schlafen.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

kurze on the fly geschichte - würd trotzdem mehr von Kerouac lesen, der hat diesen stil perfektioniert meine ich.
Sonst gefällts mir, nicht zu abgehoben. Nette alltagsbeobachtung (falls beobachtet und nicht erfunden).


dark blaze (21.06.2003)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Stütze Tagebuch - Inhaltsangabe  
Anna Haller Theaterstück - Inhaltsangabe  
Das Etagenplanetensystem - Inhaltsangabe  
Anmachen - Inhaltsangabe  
Stützes Tagebuch - Inhaltsangabe  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De