8


5 Seiten

Metropolis Teil 1

Spannendes · Experimentelles
© Barrois
Als das Telefon mitten in der Nacht läutete wußte ich schon daß etwas Schreckliches passiert war. Im Halbschlaf griff ich nach dem Hörer und meldete mich mit einem einfachen: «Ja.»
Am anderen Ende der Leitung meldete sich ein Polizist. Ich glaube sein Name war Hancock aber ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern. An das was er mir dann allerdings erzählte werde ich mich wohl für den Rest meines Lebens erinnern.
«Mr. Morrison, ich muß Ihnen leider mitteilen das Peter Higgins heute Nacht verstorben ist.»
Ich weiß noch wie mir der Hörer langsam aus der Hand glitt und neben meinem Bett zu Boden fiel. Der Polizist versuchte noch ein paar mal mich anzusprechen, gab dann allerdings auf.
Ich saß eine halbe Ewigkeit in meinem Bett und starrte durch das kleine Fenster neben meinem Bett in die Düsternis der Nacht hinaus. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf und in meinem Magen hatte sich ein Knoten gebildet. Irgendwann, ich wußte nicht wieviel Zeit vergangen war, raffte ich mich auf und ging wie ein Schlafwandler in meine Küche. Immer wieder sagte ich: «Pete ist tot, Pete ist tot», vor mich hin, wie ein Mantra. Immer und immer wieder. Ich griff nach der Schublade in der ich meine Geldbörse, Schlüssel und anderen Kleinkram verstaute und zog eine Packung Marlboro hervor. Seit drei Jahren hatte ich keine mehr geraucht und die Packung hatte seit eben dieser Zeit dort gelegen falls ich je würde rückfällig werden. Und wenn es je einen Grund gab wieder mit dem Rauchen anzufangen dann war es jetzt.


Stundenlang saß ich in meiner Küche und rauchte eine nach der anderen während der Morgen kam langsam näher kam und die ersten Sonnenstrahlen durch die halbgeschlossenen Rolläden der Küchenfenster fielen. Ich mußte irgend etwas unternehmen, sonst würde ich noch den Verstand verlieren. Peter und ich waren Freunde seit dem Kindergarten. Ich kann mich nicht daran erinnern das es einmal eine Zeit gab in der wir nicht unzertrennlich waren. Jeder der uns kennenlernte hielt uns für Brüder. Das alles änderte sich vor siebzehn Jahren. Peter lernte seine spätere Frau Claire kennen und verschwand zusehends aus meinem Leben. Es dauerte kaum ein halbes Jahr bis die beiden vor den Traualtar schritten. Das war der letzte Tag an dem ich Pete gesehen hatte.
Es war eine schöne Hochzeit gewesen, ich war der Trauzeuge. Claire war eine bezaubernde Frau. Nicht umwerfend schön aber attraktiv, klug und sehr charmant. Peter hätte kaum jemand besseres für sich finden können.
Nach der Trauung verschwand ich und seit dieser Zeit hatten wir uns nicht mehr gesehen. Es gab ein paar Telefonate aber auch die wurden im laufe der Zeit immer seltener. Seit fünfzehn Jahren hatte ich nun nichts mehr von ihm gehört. Und heute, ist er tot.
Langsam erhebe ich mich und schleppe mich wieder in mein Schlafzimmer. Ich wähle die Nummer von Martha Higgins, seiner Mom. Vielleicht kann sie mir sagen was passiert ist. Der Gedanke mich mit einem Polizisten darüber zu Unterhalten wie mein bester, mein einziger Freund gestorben war erschien mir gerade zu widerlich.
Das Telefon läutete. Beim vierten Mal nimmt Martha den Hörer ab.
«Higgins», sagt sie. Ich Stimme jagt mir einen kalten Schauer den Rücken hinunter. Sie wußte es also schon. Damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet. Das Verhältnis zu ihrem Sohn war schon immer sehr gespalten gewesen und ich hatte fast erwartet daß Peter meinen Namen angegeben hätte, um mich bei Notfällen zu benachrichtigen. Vermutlich hatte sich ihr Vater-Mutter-Verhältnis wieder gebessert. Ich meine verdammt, fünfzehn Jahre sind auch eine lange, lange Zeit.
«Martha, hier ist Erik», sage ich. Die Worte kommen nur schwer über meine Lippen. Ich frage mich was die gute, alte Frau wohl über mich denkt. Sie redet mit einem Mann der in der Kindheit gut mit ihrem Sohn befreundet war und dann bei seiner Hochzeit auf nimmer wiedersehen verschwand. Sicher wird sie mich zum Teufel jagen, dachte ich.
«Erik? Erik, bist du’s wirklich?»
«Ja, Martha, ich bin’s. Ich habe das mit Pete gehört», sagte ich und der Klos in meinem Hals wird immer größer. Dann höre ich wie Peters Mom anfängt zu weinen. Ich konnte nicht sagen ob sie weinte weil sie froh war mit mir zu sprechen, froh das der kleine Erik wieder da war oder ob sie aus Trauer um ihren toten Sohn weinte.
«Martha, sag mir was da passiert ist. War es ein Unfall», frage ich direkt und hoffe sie damit dazu zu bewegen mit den Weinen aufzuhören.
«Sie sagen es wäre ein Unfall gewesen aber ich glaube das nicht», beginnt sie, bricht aber sogleich wieder ab und beginnt von neuem bitterlich zu weinen.
«Martha, ich weiß wie schlimm das für dich ist. Ich habe Pete auch geliebt aber bitte, du mußt mir sagen was passiert ist. Ich muß es wissen.»
Langsam beruhigt sie sich und ich kann hören wie Martha sich eine Zigarette anzündet. Schnell entscheide ich mich auch dazu und greife nach dem nur noch einviertel gefüllten Päckchen Marlboro. Hungrig sauge ich den trockenen Qualm in meine Lungen und spüre wie sich meine Nerven beruhigen.
«Weißt du Erik, seit du damals weg gegangen bist hat niemand mehr meinen kleinen Peter Pete genannt», sagt sie.
«Du weißt ja daß ich ihn immer so genannt habe.»
«Ja; ihr beide war immer wie Brüder. Ich glaube er hat dich in den letzten Jahren sehr vermißt.»
Es tat verdammt weh daß zu hören. Ich hatte Pete auch vermißt aber ich hatte es geschafft ihn zu verdrängen. Na ja, fast geschafft.
«Ich glaube das Shannon dich gerne einmal kennen gelernt hätte. Peter hatte ihr immer soviel von dir erzählt. Er hat alle deine Bücher gekauft und deine Karriere genau mitverfolgt. Bis damals, na ja, du weißt ja was ich meine», fährt sie fort. Sie spielte auf mein Alkoholproblem an.
«Wer ist Shannon», fragte ich sie. Ich hatte noch nie von einer Shannon gehört. Vielleicht war sie eine Partnerin in Peters Kanzlei.
«Ach Erik. Er hat dir nie von ihr erzählt oder?»
«Nein», sage ich. Ich rechnete in dieser Nacht mit allem. Hätte mir Martha gesagt das Peter sich von Claire getrennt hätte und eine andere Frau geheiratete, ich hätte mich nicht darüber gewundert.
«Shannon ist Peters Tochter.»
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Seit ich Peter kenne war er immer dagegen ein Kind in diese Welt zu setzten. Er glaubte fest daran das die Welt schlecht war und ich glaube das er auch deshalb Anwalt wurde. Er wollte unschuldigen Menschen helfen in einer ungerechten Welt ein bißchen Gerechtigkeit zurück zu erlangen. Das er eine Tochter haben sollte kam mir so unwahrscheinlich vor wie ein Hund der redete. Mit zitternden Händen zünde ich mir eine weitere Zigarette an.
«Erik, bist du noch dran», fragt Martha.
Sie erzählt mir schnell das wesentliche. Peter und Claire bekamen kurz nach der Hochzeit ihr einziges Kind. Shannon. Sie ist heute vierzehn Jahre alt. Seit gestern wird sie vermißt.
«Martha, was ist mit Pete passiert», frage ich. Diesmal ließ ich mich nicht abwimmeln. Ich mußte es wissen.
«Oh Erik. Die Polizei sagt er hätte Claire mit einem Küchenmesser getötet und wäre betrunken mit seinem Wagen in eine Schlaucht gestürzt. Oh mein Gott, mein Junge würde doch so etwas Scheußliches nie tun, nicht wahr?»
Mit wurde eiskalt. Peter ein Mörder. Niemals.
«Nein, Martha. Pete war ein anständiger Mann. Er würde seiner Frau niemals ein Haar krümmen. Außerdem hat Peter nie getrunken», erwiderte ich mit aller Aufrichtigkeit zu der ich fähig war.
«Ach Erik, Peter hatte sich in den letzten Monaten verändert. Du hättest ihn kaum wieder erkannt.»
«Wie meinst du das», fragte ich. Die ganze Sache wurde immer verrückter. Langsam zweifelte ich an meinem Verstand. Meine ganze Welt schien sich im Kreis zu drehen und ich fühlte mich wie ein ruhender Pol in ihrer Mitte.
«Peter wurde gewalttätig. Er fing an zu trinken und verlor oft die Beherrschung. Claire hatte es nie direkt erwähnt aber ich glaube sie hatte Angst vor Peter. Ich konnte es ganz deutlich spüren.»
«Martha, ich, ich kann das alles nicht glauben», stammele ich fassungslos.
´«Aber leider ist es so. Ich wünschte es wäre anders», sagte sie und fing wieder an zu weinen. Ich fühlte mich auch elend und verabschiedete mich von ihr mit dem Versprechen mich wieder zu bei ihr zu melden. In Wahrheit glaubte ich nicht, das ich Martha je wieder sehen würde.


Ich saß noch eine Weile betäubt neben dem Telefon und versuchte das was ich in den letzten Minuten erfahren hatte irgendwie zu verdauen. Obwohl ich Peter seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte war der Schmerz über seinen Tod gewaltig. Immer wieder mußte ich daran denken wie wir als Kinder miteinander gespielt hatten, wie wir zusammen auf der High Scool versuchten unsere ersten Freundinnen aufzureißen und an all die anderen verrückten Dinge die wir zusammen erlebt hatten. Es wollte mir einfach nicht in den Kopf das es ihn nicht mehr geben sollte. Irgendwie glaubte ich fest daran das wir ewig leben würden. Ich bildete mir ein das wir uns irgendwann wieder trafen und es so sein würde wie früher. Jetzt war dieser Illusion ebenso tot wie Peter. Begraben unter dem Schatten der Gewißheit das alles ein Ende hat. Was blieb mir noch zu tun? Die Leere die sich in mir ausbreitete kam so schnell und unvorbereitet über mich her das ich nur fassungslos dasitzen konnte und mich dem Schmerz in meinem Herzen hingab. Aber hinter der Trauer um meinen einzigen Freund begann etwas neues zu reifen. Pete hatte eine Tochter. Warum hatte er es mir nie gesagt? Sicher, wir hatten uns aus den Augen verloren aber er hätte Schreiben können. Er hätte es mir sagen müssen. Aus Trauer wurde Zorn. Vielleicht war es nur ein Abwehrmechanismus, vielleicht die einzige Möglichkeit mit so etwas fertig zu werden aber in diem Moment haßte ich mich dafür. Ich haßte mich dafür das ich Peter immer um sein Leben beneidet hatte, es ihm aber insgeheim nie wirklich gegönnt hatte. Während ich mein Leben damit vertan hatte eine Inspiration am Boden einer Whiskeyflasche zu suchen hatte Pete geheiratet und, so unglaublich es war, eine Tochter gezeugt. Jetzt war er tot und sie, Shannon, war das einzige was er zurückgelassen hatte. Was auch immer meinen besten Freund dazu getrieben hatte sich das Leben zu nehmen, es hatte es auch geschafft das er seine Frau mit in diesen dunklen Strudel hinab zog wie eine klauenbewehrte Hand die aus dem Trüben Wasser nach einem Greift. Aber dieses etwas hatte es nicht geschafft das er auch seine Tochter mit hinab riß. Warum? Wollte er nicht das sie starb oder hatte sie einfach nur glück? War sie irgendwie seinem Wahn entkommen? Vielleicht hatte er Claire mit voller Absicht getötet?
Meine Gedanken rasten aber nichts ergab wirklich einen Sinn. Pete war nicht der Mann der seine Frau ermorden würde, egal was passiert wäre. Hätte er Claire mit einem anderen Mann im Bett erwicht, Pete hätte resigniert den Kopf gesengt und wäre gegangen. Das war seine Art. Er ging den Problemen immer aus dem Weg. Warum also sollte so ein Mann seine Frau ermorden. Nachdem was mir Martha erzählt hatte war es eine Schlachtung, kein Mord im Affekt. Ich mußte wissen was geschehen war. Ich brauchte Gewißheit.

Ende Teil 1
Wie soll es weitergehen? Diese Story kannst du selber weiterschreiben.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Ein guter Anfang für eine Geschichte mit diesem schon oft verwendeten Namen. Das Anfangssetting ist zwar nicht so überzeugend innovativ, doch für eine Fortsetzungsgeschichte sind viele Möglichkeiten gegeben, was auch so sein sollte, denke ich.

Bisher Sehr gut.


Redfrettchen (21.03.2004)

joa... klingt doch gut spawn...

NeonNacht (26.02.2004)

Einfach klasse!
Bin echt gespannt wie s weiter geht!?!


 (20.02.2004)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
60 Minuten  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De