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Lang lebe das Raucherbein

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
Die Regierungen der Welt sind seit alters her um das Wohlergehen ihrer Bürger besorgt, damit genug Leute da sind, die Steuern zahlen, in Bergwerken arbeiten oder sich im Krieg totschießen lassen. Solcher Bestandserhaltung wurden schon immer die ausgefallensten Ideen dienstbar gemacht. Im alten Rom lockte die Obrigkeit zu Kurzweil und Zerstreuung und Erhalt der geistigen Gesundheit der breiten Bevölkerungsschichten ins Kolosseum, wo zur allgemeinen Belustigung Weinpanscher und hartnäckige Christen auf unschuldige Löwen losgelassen wurden.

Genauso wie im Lauf der Jahrhunderte die Hochkulturen allmählich niedergingen, ließ auch der Einfallsreichtum nach. Setzten die Römer noch auf Zerstreuung, gute Laune und die Thermen als Eckpfeiler der Volksgesundheit, hofft die Bürokratie des 21. Jahrhunderts auch noch den hinfälligsten Greis mit Verboten in die Vitalität zu zwingen. Seit dem ersten Oktober muss auf 40% der Rück- und 30% der Vorderseite aller Zigarettenverpackungen etwas Abschreckendes stehen wie "Zigarettenrauchen kann einen langsamen und schmerzhaften Tod verursachen“.

Da wäre in Westeuropa sicher niemand von selber draufgekommen, wo schon jedes dreijährige Kind weiß, dass der Marlboromann an Lungenkrebs Hopps gegangen ist. Und müssen wir nicht alle einmal sterben? Lieber doch mit 105 als freier Mann mit nicht mehr ganz taufrischer Lunge friedlich einschlafen, als mit 45, nach 20 Jahren Versklavung durch einen bösen Vorgesetzten, kerngesund am Herzinfarkt krepieren!

Bei dem Schlendrian, den eine ausufernde Bürokratie im allgemeinen mit sich bringt, hat bis zum Ergebnis der Werte 30% und 40 % eine 50köpfige Expertenkommission bestimmt 10 Milliarden Euro Steuergelder für Gutachten und internationale Meetings und die dafür nötige Hin- und Herfliegerei verpulvert. Bei der Effektivität, mit der Brüssel normalerweise arbeitet, hat es wahrscheinlich allein für die 10% Differenz 25 international besetzte Vermittlungsausschüsse gegeben. Für das Geld hätte man gut und gerne 400 Jahre lang alle Raucherbeine Europas amputieren können. Und wenn man die paar hundert Millionen zusammenkratzt, mit dem die EU jährlich den Tabakanbau subventioniert, wäre sogar noch ein schickes Reha-Zentrum drin.

Aber es stimmt schon, Raucher sind asoziale Schweine, denen man mal sagen muss, was Sache ist. Würden da einfach vor sich hinrauchen und Raucherbeine bekommen! Verpesten frisch durchgelüftete Büros, kotzen Ihren Auswurf in jedes weiß glänzende deutsche Keramik-Waschbecken. Nur zu Recht sperrt man sie beispielweise an Flughäfen im Dutzend in drei Quadratmeter große verglaste Schweigen-der-Lämmer-Massenmörderkabinen, wo vor lauter Rauch nur noch unten die Beine herausschauen.

Andererseits sind Raucher gesellige Wesen. Rotten sich beispielsweise in den Raucherpausen vor Firmen ganztägig von sich aus zu kleinen kommunikativen Gruppen zusammen, wo sie sich gegenseitig die Probleme von der Seele reden oder abends zum Essen einladen. Hier kann der Soziologe beobachten, dass Raucher sich über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg viel einfacher besser verstehen als eine vergleichbare Nichtraucherhorde. Rauchen ist eigentlich ein Symbol der klassenlosen Gesellschaft. Darum kann es sich auch der Russe nach 70 Jahren Kommunismus nur so schwer abgewöhnen.

Zurück zur Schachtel: steht auf Kohls Zeitungsbildern etwa quer drüber: "Vorsicht, Ganovenehre-Heli ermuntert Jugendliche zur Kriminalität“ oder auf der Kühlerhaube eines 500er Silbermetallic-Mercedes: "Vorsicht! Kann dir den Arsch abfahren. Fährt 5000 Kinder im Jahr tot. Bringt 10000 Zuhälter im Jahr zu Ihren Ostblock-Nutten. Macht Loch in Ozon“?

In schwierigen Zeiten soll man sich an altbewährte Sprichworte klammern. Wie wäre es mit "Wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“. Und tatsächlich - die Renaissance des silbernen Zigarettenetuis, aus rauschenden UFA Filmen gar nicht wegzudenken, ist in greifbare Nähe gerückt. Müssen wir nur noch Marlene aus einem Hüftknochen klonen und die gute alte Zeit ist zurück.

Also liebe Raucher, die Lösung ist gefunden: am Automat Geld einwerfen, kurz die Augen zu und dann ins Silberetui umfüllen. Hat mehrere Vorteile: Die Zigaretten werden nicht mehr so zerdrückt, in der Brusttasche getragen bewahrt es bei jeder Schiesserei vor dem sicheren Tod und bis zur Marktsättigung mit Zigaretten-Silberetuis wird sogar noch die lahme Wirtschaft angekurbelt.
 
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Kommentare  

Ich bin zwar gottfroh, von der verdammten Qualmerei losgekommen zu sein, aber mir gefällt Dein Stil sehr gut und ich finde, Du solltest unbedingt weiterschreiben - und vor allen - mehr von Dir lesen lassen.

Rauchfreie aber herzhaft amüsierte
Grüße aus dem Schwarzwald


Gabi Mast (26.05.2004)

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