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Stefan

Poetisches · Romantisches
[Das folgende Mini-Epos schrieb ich meinem Sohn zu seinem fünften Geburtstag. Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen. Das hier Gesagte gilt aber nach wie vor. Und sein Einverständniß zur Veröffentlichung liegt auch vor. - Regenwolke]



Als ich selbst noch ein kleiner Junge war
Fragte mich jemand
Ob ich später auch Kinder haben wollte
Ich lächelte und sagte JA

Dann kam diese Operation
Der Arzt sagte, daß ich nie Kinder haben werde
Ich fragte warum, er erklärte es mir
Aber ich verstand ihn nicht

Doch ich schwor, ihm das Gegenteil zu beweisen
Jetzt erst recht
Die Enttäuschung wich dem Trotz
Der Tag an dem ich zu kämpfen begann

Jugendzeit, schönste Zeit
Während sich die anderen mit Anke vergnügten
Mußte ich mich mit Akne herumplagen
Aber auch das verging

Die große Liebe kam tatsächlich
Und ging so schnell wie sie erschien
Meinen sehnlichsten Wunsch verlor ich nicht aus den Augen
Aber ich lebte vorerst mein eigenes Leben

Nach Jahren kam sie wieder
Der zweite Versuch
Sie wurde schwanger und sagte es mir
Ich lachte sie aus, glaubte ihren Worten nicht

Als ich es registrierte, wollte ich die Welt umarmen
Mein Glück war nicht in Worte zu kleiden
Das Bäuchlein wuchs
Erste Fotos machten mich mächtig stolz

Der Frauenarzt erlaubte meinen Besuch beim Ultraschall
Sanftes Streicheln über den Bauch
Ich sehe deine ersten Bewegungen auf einem Monitor
Ich weine, denn ein Wunder wird wahr

Der große Tag rückt näher
Du boxt heftiger gegen die Bauchdecke
Wehen - Alarm - Nacht - kein Telefon
Ich renne durch den Schnee zum Krankenhaus

Der Wagen fährt uns drei sicher in die Klinik
Ob ich bei der Geburt dabei sein möchte
Ja - nein lieber nicht, das stehen meine Nerven nicht durch
Jede halbe Stunde rufe ich aus der Telefonzelle an

Nachts halb eins ist es endlich soweit
Mutter und Kind sind wohlauf
Ich bin erleichtert, darf ich sie sehen
Nein erst morgen früh um neun

Ich gehe nach Hause wie in Trance
Zum Schlafen bin ich natürlich viel zu aufgeregt
Träge rinnen die Stunden dahin
Endlich Morgen - ich kaufe einen großen Strauß Rosen

Aufgeregt stehe ich vor der Klinik, mein Herz rast
Ich gehe in das Zimmer, die Mama hängt am Tropf
Ich erschrecke aber sie lächelt und sagt
Kaiserschnittkinder haben einen schönen Kopf

Sie ist schwach und gezeichnet von den Strapazen
Wir reden, ich streiche ihr durchs Haar
Aber mit meinen Gedanken bin ich wo anders
Wo bist du und wie geht es dir

Der große Moment ist eeeeendlich da
Die Schwester rollt dich in deinem kleinen Bettchen herein
Ich frage sie, ob alles in Ordnung
sei Sie nickt, ich schaue gebannt zu dir

Ein kleines Häufchen pures Glück
Alles wirkt so zerbrechlich, so zart
Ich wage nicht, dich anzufassen, zu streicheln
Die Angst etwas kaputtzumachen ist zu groß

Deine Mutter erzählt mit mir, aber ich höre sie nicht
Fasziniert starre ich dich an, beobachte deinen Schlaf
Du bist gezeichnet von der Anstrengung
Scheinst aber zufrieden mit der neuen ungewohnten Umgebung

Ich streiche ganz sanft mit meinem Finger über deine winzige Hand
Nach einem Weilchen umfaßt du ihn
Ein wohliger Schauder durchströmt mich
Schön, daß du endlich da bist

Ich kann meinen Blick nicht von dir lösen
Die Schwester meinte du bist mir wie aus dem Gesicht geschnitten
Ein kurzer Schreck - du schaust mich an
Mit deinen großen dunklen Augen, aber du siehst mich noch nicht

Nach zwei Wochen dürft ihr nach Hause
Eine neue Welt für dich, jeder will dich sehen und knuddeln
Selten unterbrichst du deinen Schlaf
Um dich lautstark bemerkbar zu machen

Nachts gebe ich dir dein Flächschen und wechsele deine Windeln
Deine großen Augen schauen mich neugierig an
Du fühlst dich wohl auf meinem Arm
Deine Geburt brachte mir das Leben zurück

Kleinste Kleinigkeiten werden mit dir zum Erlebnis
Durch dich zum Abenteuer
Durch dich bekam mein Leben einen völlig neuen Sinn
Ich lernte, Verantwortung zu tragen

Jeden Tag gibt es etwas neues zu entdecken
Du lernst schnell und entwickelst dich prächtig Tränen und
Krokodilstränen vermagst du schon sehr gut
Zu unterscheiden und gezielt einzusetzen

Dein erster Geburtstag ist Geschichte
Aus dem Krabbeln werden erste Schritte
Aus Tönen werden erste Worte
Aus Brei und Milch wird feste Nahrung

Du wirst größer und hast schon viel gelernt
Das Laufgitter wird zu eng
Schrankwände werden aus- und abgeräumt
Die Nerven der Eltern ausgetestet

Als Fotomodell machst du dich gut
Deine süsse Schnute formst du oft zum Küsschen geben
Aber auch andere Dinge gehören zum Alltag
Kleine Wehwehchen, Blaue Flecke, Beulen und Tränchen

Der Ärger des Tages ist schnell vergessen
Wenn du mich anlächelst und mir deine Arme entgegenstreckst
Es ist ein gutes Gefühl zu sehen
dass es dir in deiner Haut gefällt

Doch dann der Schock
Deine Mutter will nicht mehr
Sie spricht von Trennung
Wie soll es weitergehen

Sehe ich dich nur noch alle zwei Wochen
Darf ich nicht mehr an deiner Entwicklung teilhaben
Was für Möglichkeiten gibt es noch
Wie kommen alle Beteiligten unbeschadet aus dieser Situation heraus

Die Trennung erfolgt, die Umstellung ist nicht einfach
Aufatmen, du bist jede Woche mindestens drei Tage bei mir
Ich bewundere dich, kleiner Mann
Du bist noch keine drei Jahre alt und mußt zwei Leben leben

Ich lerne, die Zeit mit dir intensiver zu nutzen
Natürlich sind die Tage mit dir ungleich anstrengender
Aber auch aufregender, als die ohne dich
Unvorstellbar, wenn ich dich nicht mehr sehen dürfte

Wenn du nicht da bist, sind meine Gedanken ständig bei dir
Wie geht es dir, was tust du gerade
Zum Glück gibt es Telefon
Ich zähle die Stunden bis zum Wiedersehen

Oft beobachte ich dich fasziniert, wenn du schläfst
Dein leises Schnarchen klingt wie Musik in meinen Ohren
Manchmal erzählst du im Schlaf, ich streiche sanft über dein Haar
Du drehst dich auf die Seite und lächelst zufrieden

Aufgeregt berichtest du von deinen Erlebnissen im Kindergarten
Basteln, neue Freunde, Sport und Spiel
Du singst mir Lieder vor, sagst Gedichte auf
Erzählst, dass du ganz tapfer warst, als der Zahnarzt euch besuchte

Aber auch weniger erfreuliche Dinge lernst du kennen
Die Tage im Krankenhaus brachten viele Kullertränen
Stärkten jedoch deine Abwehrkräfte
Die Genesung schritt schnell voran, das Lachen kehrte zurück

Durch dich lernte ich, Bücher vorzulesen
Trickfilme anzuschauen in Kino und Fernsehen
Beim Mensch ärgere dich nicht zu verlieren
Und das Flair der Spielplätze wieder zu entdecken

Ich wache an deinem Bett, wenn das Fieber zu hoch ist
Salbe dir Brust und Rücken ein, um den Husten zu vertreiben
Und zur Belohnung höre ich sehr oft meinen Lieblingssatz
"Papa, ich habe dich ganz toll lieb"

Faszinierend auch die Mannigfaltigkeit deiner Fortbewegungsmittel
Und wie schnell sie sich verändern
Kinderwagen, Schulter, Dreirad, Roller, Schlitten, Fahrrad
Aber ins Kindertheater fahren wir mit dem Auto

Mein Hobby ist das Aufräumen des Kinderzimmers
Zur Belohnung hören wir dann gemeinsam Schlumpfen-CD's
Und wir singen mit, bis sie uns zum Halse heraus hängen
Danach geht's Fussball spielen oder Kastanien sammeln

Manchmal bist du sehr lieb, manchmal wachsen dir kleine Hörner
Du lernst zwischen Gut und Böse zu unterscheiden
Dass es nicht immer nach deinem Kopf gehen kann
Dass du nicht immer recht hast

Ich beobachte deine Entwicklung und deinen Werdegang
Was bringt die Zukunft für dich, für uns
Ich werde versuchen, dich zu erziehen und zu formen
Und dabei deine Individualität zu erhalten

Du wirst meinen Namen, mein Andenken
Einen Teil meiner Eigenschaften, meines Charakters
Meiner Talente, meiner Sprache, meines Wesens
Und meines Wissens in die nächste Generation tragen

Durch dich komme ich nicht mehr dazu, Trübsal zu blasen
Oder über Banalitäten nachzudenken
Ich werde mitgerissen, auf andere Gedanken gebracht
Bin hauptverantwortlich für deine Entwicklung

Im Moment deiner Zeugung übernahm ich eine große Verantwortung
Jetzt bin ich ein Bestandteil deiner wunderbaren Welt
Ich teile mit dir Freud und Leid
Und bin gespannt, was wir noch alles gemeinsam erleben werden


Und was ich dir unbedingt noch sagen wollte, mein Sohn:

Durch dich habe ich wieder zu mir selbst gefunden
Durch dich hat mein Leben wieder einen Sinn erhalten
Du lernst viel von mir
Aber ich genauso viel von dir

Ich liebe dich, über alle Maßen und rund um die Uhr
Egal ob du ganz nah bei mir oder weit entfernt bist
Ich lebe für dich und ich lebe durch dich
Danke, dass ich dich erleben darf
 
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Kommentare  

Vaterliebe, Vaterstolz, all das liest man aus den Zeilen heraus, der Leser weiß um was es geht, wird, obwohl es sehr persönlich ist, unterhalten.
Als richtige Geschichte, hätte es mir besser gefallen.


NewWolz (21.11.2004)

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