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Das Glück der Kinder

Trauriges · Kurzgeschichten
Der Moritz aus Moskau ist sechs Jahre alt und wenn er zur Schule ging, musste er über den roten Platz gehen und dort beobachtete er stets die vielen Touristen. Als einmal eine ziemlich dicke Chinesin umfiel und sich eine Traube um sie bildete, kam er zu spät zur Schule und kassierte einen Tadel. Diesen Tadel wiederum musste er zuhause seinen Eltern zwischen Wodka und Seifenoperetten kredenzen und wurde aufgrund von Nichtgefallen und vulkanischer Wut erst aus der Wohnung, dann aus dem Keller und zuletzt aus dem Hausflur gejagt.
Auch heute noch beobachtet Moritz die Touristen und er hat jetzt alle Zeit der Welt. Geduldig umschlendert er den Platz, ein Auge immer auf der Suche nach Uniformierten und das andere tastet die Gesichter der Menschen ab.
Viele Lachfalten bedeutet Geld und Falten auf der Stirn fast immer Sorgen. Am Gang erkennt er das Gewicht der Brieftasche und bevor man ihn sieht, hat er einen schon erblickt, abgetastet, angerempelt und bestohlen.
Das erbeutete Geld investiert er dann in keine schöne Zukunft, sondern in die allerschönste Gegenwart. Nein, er erwirbt sich keine leckere Schokolade, um den süßen Geschmack auf der Zunge zu spüren oder setzt sich ins Kino und schaut Filme für Erwachsene. Er kauft sich im Markt an der Ecke ein paar Tuben Klebstoff, nimmt seine Glücksplastiktüte und sucht sich einen abgelegenen Busch im Park. Wenn er darin sitzt und schnüffelt, ist er zuhause. Dieses Zuhause ist besser als alles was er je Zuhause nannte. Er ist manchmal glücklich.

Wenn Thomas mit einer Fliegenklappe seiner Mutter auf den Po schlägt, davonrennt, um unter Lachen gefangen zu werden, dann lacht er. Geht ja ansonsten auch nicht auf diese Davonrennlachsache. Sie ist nicht oft zuhause und falls er sie mal neben dem Wochenende brauch, zum Beispiel wenn er Nachts wieder mal denkt, dass im Schrank dieser Mann mit den Scherenhänden sitzt und „Eins, Zwei Freddy..“ sing, dann ruft er sie auf der Arbeit an. Wenn besetzt ist, weiß er, dass Mama gerade arbeitet. Dann legt sie nämlich den Hörer beiseite. Thomas hat alle Spielsachen, die seine Freunde nicht haben und diese Freunde können jede Nacht bei ihm zuhause schlafen, aber leider muss man das „können“ in „könnte“ umändern, weil er keine Freunde hat. In der Schule wird er ausgegrenzt, weil er ständig mit seinen Markenklamotten angibt und weil er ausgegrenzt wird, denkt er immer wieder auftrumpfen zu müssen und bittet seine Mama um bessere, neuere Sachen.
Einmal hatte er einen Freund. Der musste sogar aufpassen, dass Thomas nicht zu viele Freunde bekommt und hat die von ihm ferngehalten. Das war zu der Zeit, als Thomas versucht hatte, Freunde zu bekommen, indem er ihnen etwas schenkte. Als er jedoch aufhörte mit dem Schenken, weil seine Mutter nach den fehlendem Spielzeug fragte, hörte auch die Freundschaft auf.
Thomas ist jetzt gerne zuhause und geht auch nicht gerne nach draußen spielen. Er hat sich abgewöhnt, das zu wollen. Er wüsste, dass er sich beobachtet fühlen würde und man ihn wieder „Nuttenkind“ nennen würde.
Er ist gerne alleine, aber noch lieber ist er mit Mama zusammen. Wenn sie da ist, ist er glücklich.

In der Küche, über dem Herd und in jedem anderen Zimmer hängt Jesus an der Wand. Ganz in Weiß, mit Heiligenschein in mehreren Ansichten. Ein vertrauter Anblick für Johanna. So und mit dem Morgengebet, dem Abendgebet und der monatlichen Beichte ist sie aufgewachsen. Mama liest ihr jeden Abend aus der Bibel vor, sie singen im Auto christliche Lieder und die Freunde lernt sie in der Kirche kennen. „Du wirst ein ganz toller Mensch“, sagt Papa immer „Gott wird Dich groß und stark machen und jedes Gebet bringt dir Kraft.“ Bisher war Johanna ein einziges Mal glücklich. Als sie ein Paket für den Nachbarn annahm und die Postbotin meinte: „Du bist ein ganz tolles Kind“.

Letzten Montag wurde die Trainingszeit verlängert. Letzten Montag hatte Kristin Geburtstag. Sie ist 14 Jahre alt geworden. Ein hübsches Mädchen mit großen grünen Augen, blondem Haar und einer vorwitzigen Stupsnase. Ihr Trainer meint, und der muss es wissen, denn er ist ihr Vater, dass mit 14 Jahren noch mehr an sich gearbeitet werden muss. Wenn er das mit 14 Jahren gemacht hätte, bräuchte er jetzt nicht so hart arbeiten und er wäre froh gewesen, wenn seine Eltern…..
Sie muss sich das ständig anhören und hört es doch gar nicht mehr. Mama findet es gut, dass sie so viel Sport treibt. „Besser als faul zu sein und fett zu werden.“ Die Großeltern finden das zu viel Sport, aber was soll Kristin machen? Nicken und es auch so finden? Nach allem was Papa gemacht hat?
Vor Turnieren hat sie immer große Angst. Gar nicht so vor den Leuten, sondern vor der Fahrt nach hause, wenn sie verloren hat. Dann schweigt nicht nur Papa, sondern auch das Auto und diese Stille schreit wiederum entsetzlich laut und bringt sie zum weinen. Letzten Montag hatte Kristin Geburtstag und durfte eine kleine Feier oben in ihrem Zimmer machen. Sie hat auch den Lukas eingeladen. Der mit dieser tollen Frisur und dem herzzerreißenden Lächeln. Wenn sie nun trainiert und nicht mehr weiter kann, stellt sie sich vor, wie sie ihn küsst und ist glücklich.

Lukas möchte später einmal nach Amerika gehen und dort in New York leben. Er guckt sich gerne Filme an, die dort spielen. Am liebsten so Ghetto-Filme mit Gangs, die sich bekriegen und wenn richtig Action ist, fiebert er richtig mit. Natürlich will er da nicht erschossen werden, aber so hart ist es da ja auch nun wieder nicht. Die Medien übertreiben da und die Spielfilme ja eh.
Neben einem Poster von einem Rapsänger hängt die amerikanische Flagge und Lukas hat so aus Quatsch Brandlöcher mit seinem Joint hinein gebrannt. Das ist Gangster-Style weil es nun aussieht wie Einschusslöcher. Später will er richtig fett Kohle machen und dazu brauch er sicher die Schule nicht. Drüben fragt doch keiner, ob ich ne 5 in Biologie hab oder soundso viele Tage unentschuldigt gefehlt habe. Da muss man Kontakte haben und eben cool wirken, dann geht das alles. Und dann einen fetten Schlitten fahren, eine heiße Braut und ständig Party. Lukas bringen seine Gedanken an die Zukunft Glück und je mehr man versucht, seinen Weg in die richtigen Bahnen zu leiten, um so mehr wird er so weitermachen. Er ist wer, weil er wer wird. Wer soll ihm die Zukunft nehmen.

In einem kleinen Dorf, nennen wir es einmal Bobitz, ist ein Junge jeden Tag sehr oft glücklich. Zwar hören die Nachbarn keine fröhliches Kinderlachen, aber sie sehen dafür eine Mutter jeden Tag mit großen Einkaufstüten die Straße entlangkommen und in diesem Haus verschwinden. Ihr Gesicht ist von Sorge zerfressen worden, sie wirkt 20 Jahre älter und das ganze Dorf hat Mitleid mit dieser Frau. Ihr Sohn wiegt 160 Kilo. Sie hätte ihm als Baby keine Schokolade geben dürfen, um ihn ruhig zu stellen.
 
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Kommentare  

*lol*

Sabine Müller (13.07.2006)

weil zoblischer stil sonst ungelungen bedeutet ;) ha ha danke

Robert Zobel (13.07.2006)

Hallo, interessante Geschichten. Die letze ist wieder ein bisschen gemein. Typisch Zoblischer Stil, aber gelungen. lg Sabine

Sabine Müller (13.07.2006)

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