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Fabians Musik

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
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Jetzt gerade, während ich diese Zeilen schreibe, übt irgendjemand in meiner Nachbarschaft mit seiner Geige. Ich höre, wie die Klänge vom Wind zu meinen Ohren herangetragen werden; höre, mit wie viel Eifer der Spieler sein Instrument spielt und wie er eine bestimmte Stelle immer und immer wieder wiederholt. Wahrscheinlich die schwerste Stelle des Stückes; wahrscheinlich genau der Teil, den der Komponist als den wichtigsten angesehen hat, sonst hätte er ihn wohl niemals in seinem Stück gelassen.
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Klassische Musik ist ziemlich altmodisch. Es heftet irgendwie etwas verstaubtes, etwas modriges an ihr. So denkt man, dass es die verbreitete Meinung unter den Jugendlichen sei. Sollte dies tatsächlich so sein, so fällt Fabian aus diesem Klischee vollständig heraus. Denn Fabian liebt die klassische Musik.

Selber kann er kein Instrument spielen, was er aber auch gar nicht bedauert. Es reicht ihm völlig aus, dass er die klassische Musik hören kann; dass er dazu imstande ist, die Inspiration, durch die ein Komponist zu seinem Werk gekommen ist, nachspüren bzw. nachempfinden kann. Hört er solche Musik, leben in seinem Inneren längst verloren geglaubte Zeiten wieder auf; spürt er, was die Menschen zu jener Zeit gespürt hatten; fühlt deren zeitgemäßes Gemisch aus Zorn, Liebe und Melancholie nach; spürt ihre Sehnsüchte, Hoffnungen und auch ihre Ängste.
Das ist wahrscheinlich das Talent, das man braucht, um klassische Musik genießen zu können. Und dieses Talent ist in Fabian überdurchschnittlich vorhanden.

Die sprunghafte, virtuose Musik eines Mozarts. Sie fühlt sich für ihn wie ein sehr süßes Fruchtbonbon an. In dem Komponisten müssen eine Inspirationsbombe nach der anderen gezündet sein. Ihn müssen die allerheftigsten Gefühlsschübe überrollt haben, damit er zu solch einer sehnsuchtsvollen und gleichzeitig auch naiv anrührenden Musik fähig war.
Für Fabian ist Mozart der Zauberer unter den Komponisten. Der leichtfüßige Virtuose.

Ganz anders Beethoven: weder leichtfüßig, noch virtuos. Gerade dessen Perfektionismus war es, was seine Musik in Höhen katapultierte, in die vor ihm und nach ihm wohl noch kein Komponist vorgedrungen war bzw. bis heute vorgedrungen ist. Seine Musik ist eine Naturgewalt; ein musikalisches Donnern, das man zuerst nur ganz leise aus weiter Ferne vernehmen kann, dann aber immer näher und näher heranrückt, bis man schließlich vollends von ihm umhüllt ist, sodass man sich der Wirkung in keiner Weise mehr entziehen kann. Für Fabian ist seine Musik ein musikalisches Manifest bzw. die unüberhörbare Stimme eines sehr tief empfundenen Humanismus.
Beethoven ist für ihn der große Humanist unter den Komponisten.

Bach war wohl der größte Perfektionist, was die Musiktheorie und deren technische Umsetzung angeht. Perfekter kann nach Fabians Ansicht Musik gar nicht sein. Er hört sich Bachs Musik nur in Momenten an, in denen er mal wieder innerlich zur Ruhe kommen will, da Bachs Musik Strukturiertheit und auch eine seltsame Art von Bodenhaftigkeit suggeriert. Deshalb ist für Fabian Bach der große Strukturist unter den Komponisten.

Es gibt so viele Komponisten und in jeder Musik gibt es für Fabian unendlich viel zu entdecken; hinter jeder Musik - ja hinter jedem einzelnen Stück, steckt eine ganz eigene Geschichte.
Klassische Musik hält für jeden Menschen ein ganzes Universum parat, das nur darauf wartet, entdeckt zu werden. Und Fabian hat dieses Universum schon vor sehr langer Zeit für sich entdeckt.

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Ich mag den Klang der Geige. Mein Lieblingsspieler auf diesem Instrument ist Nigel Kennedy. Ich weiß gar nicht, wie oft ich seine Interpretation von Vivaldis “Die Vier Jahreszeiten” schon gehört habe. Immer wieder ein Genuss!
Für mich ist Nigel der Punk unter den klassischen Musikinterpreten, weil er seine Geige so herrlich ungeschliffen zu spielen weiß.
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Kommentare  

Ich mag das Schwärmerische an deinem Text. Gefällt auch mir.

Petra (04.03.2009)

Mal ein paar Gedanken zur klassischen Musik. Schöner Text, gefällt mir.

Jochen (04.03.2009)

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