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Wieso ist meine Schlange immer die langsamste?

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
Das Einkaufen im Supermarkt ist der reinste Stress. Egal wann und wo ich einkaufe, egal an welcher Kasse ich mich anstelle, ich muss immer warten.
Mittlerweile mache ich es auch immer so, dass ich, bevor ich in den Laden gehe, erstmal gucke, wie voll es an den Kassen ist. Wenn die Schlange zu lang ist, geh ich erst gar nicht rein.
Neulich bei Aldi seh ich, dass überhaupt nichts los ist an den Kassen, was ja so gut wie nie vorkommt. Das muss man doch ausnutzen und so geh ich hinein. Ich brauche nur ein paar Flaschen Wasser, in nicht mal einer halben Minute bin ich damit fertig und gehe zur Kasse und traue meinen Augen nicht. In dieser nicht einmal halben Minute hat sich eine Riesenschlange dort gebildet, normalerweise würde ich da wieder rausgehen, aber habe keine Lust in alle möglichen Geschäfte zu gehen. Natürlich könnte ich mir an jedem Kiosk etwas zu trinken holen, von denen es jede Menge in meiner Umgebung gibt, da hätte ich nicht das Problem mit Anstehen. Aber warum sollte ich dort das Doppelte an Geld ausgeben. Auf einen Euro kommt es nicht an, könnte man zwar denken, aber wenn man das immer denkt, summiert es sich auch. Also gehe ich verärgert zur Kasse. Aber damit ich mich noch mehr aufrege, rennt ein Rentner mit überfüllten Einkaufswagen noch an mir vorbei, fährt mir dabei noch fast über den Fuß, nur um eher an der Kasse zu sein als ich, obwohl er sieht, dass ich nur ein Sechserpack Wasser habe. Aber Rentner haben ja so wenig Zeit.
Ah, gut, die andere Kasse macht auf, aber die Freude ist nur von kurzer Dauer, imselben Moment stürzen sich alle dahin und ich hab nun die Wahl an welcher Schlange ich mich nun anstelle. Wahrscheinlich hab ich auch wieder tausend EC-Kartenzahler vor mir, die mich wirklich am meisten ankotze. Ich verstehe einfach nicht, wo das Problem ist, bar zu zahlen, wieso muss man für fünf Euro mit Karte zahlen und den Verkehr nur unnötig aufhalten. Von wegen mit Karte zu zahlen geht schnell, höchstens wenn wieder ein Kunde sein ganzes Portemonaie ausschüttet um nach Kleingeld zu suchen, um genau passend zu zahlen. Genauso wie die Kundin da vorn es gerade macht.
„Wat haben Se nochmal jesacht, wat dat kostet?“, fragt sie.
„21,67“, antwortet die Kassiererin. Und die Kundin zählt weiter ihre Cent-Stücke.
„Ne, die 67 Cent hab ich doch nicht klein, dann machen wir dat so“, sagt sie schließlich und zahlt dann noch mit einem 50 Euro-Schein. Ich krieg schon zu viel, das hat jetzt fast drei Minuten gedauert.
Der nächste Kunde, ein etwa 45-jähriger Mann, der recht flink wirkt. Das müsste schnell gehen eigentlich. Der würde auch bar bezahlen, ich seh mittlerweile den Leuten schon am Gesicht an, ob sie bar oder mit Karte zahlen. Aber was macht er denn jetzt? Er greift in seine Hosentasche, seine Aktentasche, dann in seine Manteltasche. Oh nein, das darf doch nicht wahr sein. Jetzt sucht er sein Geld.
„Oh je, dann hab ich das Portemonaie im Auto vergessen, das ist mir jetzt echt peinlich“, fängt er dann an. Jetzt muss das natürlich wieder alles storniert werden, wozu die Kollegin kommen muss, die den Stornoschlüssel hat. Ich wechsel doch lieber an die andere Kasse, da scheint es ja schneller zu gehen. Aber nicht mehr, nachdem ich mich dort angestellt habe. Eine Blondine (nichts gegen blondes Haar, wenn es natürlich ist oder zumindest natürlich aussieht, aber noch künstlicher als bei ihr ging es schon gar nicht mehr) konnte anscheinend nicht richtig lesen und wundert sich nun, warum die 6er-Packs Limo von denen sie einige im Einkaufswagen hatte, irgendwie viel mehr kosteten als sie gedacht hatte.
„Aber da stand doch 29 Cent“, meint sie ganz verwirrt.
„Die Einzelflasche kostet 29 Cent, aber nicht alle sechs Flaschen zusammen“, belehrt die Kassieren sie dann.
„Ach so, ne, dann nehm ich es doch nicht.“
Alle lachen über die Blondine, nur ich nicht, denn wieder muss storniert werden. Und dann begreift sie wieder nicht, dass der Preis jetzt rausgerechnet war. Das ist echt nicht zum Aushalten. Nachdem ihr drei Mitarbeiter erklären, dass alles nun in Ordnung ist, ist sie endlich zufrieden.
Jetzt ist ein etwa 19-jähriger Hip Hopp Typ an der Reihe mit Kappe. Oh je, ich wette, das ist einer der mit EC-Karte zahlt, ich seh es ihm schon an. Er hat ne Flasche Wodka und ne Tüte Chips auf dem Band. Wahrscheinlich wird das keine 6 Euro kosten, die er aber trotzdem nicht bar zahlt.
„5,58“, die Kassiererin. Und? Natürlich, war mir doch völlig klar, dass er die EC-Karte rausholt. Ich stöhne genervt auf. Nun muss erstmal die Karte eingelesen werden, das dauert. Jetzt muss er die Geheimzahl eingeben, hätte er bar bezahlt, hätte er schon längst das Wechselgeld zurück gekriegt. Es sei denn, er hätte jeden einzelnen Cent gesucht, wie die Kundin von gerade. Nachdem er die Geheimzahl eingegeben hat, dauert es wieder bis die Kassiererin plötzlich sagt: „Tut mir leid, da haben Sie wohl nicht mehr genug Geld auf dem Konto.“ Ich krieg zu viel.
„Äh Öööh Ääh Ääh“, meint der Typ da nur. „Kann aber jetzt nicht sein.“
„Doch hier, können Sie gern selbst gucken“, die Kassiererin hält ihm das Display hin. Der Typ guckt. „Öööh Ääh Ääh“, meint er nur wieder. „Ja ööh, weiß ich jetzt irgendwie auch nicht.“ Ich werd bekloppt, ein Wunder, dass der Typ seine Geheimzahl überhaupt richtig eingeben konnte.
„Dann müssen Sie es bar bezahlen.“ Er holt sein Portemonaie raus, ich frage mich, wieso er dann nicht gleich bar bezahlt.
„Ööh ääh, hab ich jetzt nicht“, er wieder. Ich fasse mit beiden Händen an meinen Kopf. Wie kann man echt nur so Panne sein, dass man sich nicht vorher wenigstens vergewissert, ob das Konto gedeckt ist. Ich könnte schreien. Natürlich muss jetzt wieder storniert werden.
Mir reicht es, ich stell mein Wasser einfach auf dem Boden ab und verlasse wutentbrannt den Laden. Für den Rest des Tages werde ich Kraneberger trinken.

****************

Ist es, wenn ihr einkaufen geht, auch so schlimm? Wenn ja, sind eure storys dazu willkommen.
Killing Joke am 24.08.2009: "Einstein!!!!" Denke ich verzweifelt und betont mit vier Ausrufezeichen.
"Halte dich an Einstein und die Theorie von der relativität der Zeit, deren Geschwindigkeit nur im Auge
und Standpunkt des Betrachters liegt."

Gemäß dem Sinnspruch
"Wenn du bezahlt hast und am Ausgang stehst, dann hast du nicht mehr so lange gewartet, wie du es
tatest, als du noch in der Schlange standest."
wird die Tortur dann auch - im nachhinein - schnell überstanden sein. Wofür Abstraktion nicht alles
gut sein kann.

Aber eine so lange Schlange wie heute habe ich das letze mal erlebt als in unserem sehr abgeschiedenen Dorf der monatliche Laster mit der Würstchenlieferung auf dem Weg hierher umkippte, und die Einwohnerschaft um ihr monatliches Schweinefleisch bangen musste. Damals kam es zu Hamsterkäufen und nahezu jede der 546 Seelen hatte sich beim Supermarkt eingefunden, um auch noch den letzten Wiener zu erstehen. Das war im Mai 1945.
Wie gesagt, sehr abgeschieden.

Heute trage ich keine Würstchenpackungen, sondern Fetatomaten, Olivenkäse und 500g totgebohrene Kuh. Ein vormals lebendes Wesen könnte ich einfach nicht essen. Und ich trage sie still. Ich weis nicht wie das woanders ist, da ich noch nie aus meiner Welt herausgekommen bin, doch hier trägt man seine baldigen Lebensmittel ab 5 Metern vor der Kasse still. Sehr. Still.

Man kratzt sich auch nicht mehr oder murmelt Dinge wie "NachhernochebenRasenmähen,dannSportschauguckenundanschließendüberdieTagesnachrichtenärgern,

dannnochschnelleinehalbeStundeaufdieGrafikkartepusten,damitdienichtwiedersoüberhitztbeimspielen." Nein.
5 Meter vor der Kasse fängt die Neutrale Zone an, die man auch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder
Arztwartezimmern vorfindet.

Dieses fast mit fast greifbarer Metaenergie geladene Feld bringt dann bei erreichen einen menschlichen Schutzmeachanismus zum wirken, der unsere Spezies nicht zum erstenmal vor dem Aussterben bewahrt hat.
Der Angst.

Warum das so ist? Keine Ahnung, hat wahrscheinlich was damit zu tun das der persönliche Bereich in der Einkaufsschlange durchbrochen wird und der Totstellreflex zum tragen kommt, woraufhin jedes Glied der Kette vor der Kasse wie momentmumifiziert wirkt.

Da werden plötzlich Kinder angezischt sie sollten leise sein, junge Kerle ziehen den Bauch etwas weiter ein und stellen ihren Walkman ETWAS leiser, das Deckolltee wird etwas nach oben gezupft und immer wieder auf den Einkauf des anderen geschielt.

Es wäre aber auch recht kontraproduktiv wenn die zwei anderen Angstreaktionsmuster eingesetzt würden: Angriff oder Flucht.

Die Phantasien, die man beim In-der-Schlange-stehen entwickelt begründen sich wahrscheinlich in der unterbewussten Überlegung darum, ob man nun die Keule auspacken und PATSCH machen, oder schreiend davonrennen sollte.

Stattdessen werfen sich alle beteiligten reglos auf den Boden und trippeln ein paar Schritte weiter, sobald der nächste bezahlt hat, so kommen auch alle wieder lebend aus dem Gebäude.

Während all dieser Überlegungen sind dann auch die sieben vor mir gewesenen irgendwie durch Raum und Zeit aus der An-der-Kasse-Raum-zeit-Krümmung Diffundiert und haben eine Riesenlücke zwischen mir und dem Kassierer hinterlassen.

Ich wende mich um, will zu einer Entschuldigung anheben, doch mein hintermann schreit nur, schlägt mir ins Gesicht und rennt noch lauer schreiend aus dem Laden.
Meiner eigenen These nach irgendwie verständlich.
Mist.
 
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Kommentare  

Ich l i e b e Chaos :-))

Margaretha (15.09.2009)

An dieser stelle ein herzliches dankeschön an meine leser fürs lesen und sich an fortsetzungen zu beteiligen.
Die forsetzung gefällt mir auch, mal etwas ganz anderes.


Homo Faber (25.08.2009)

ach, sorry, sichtweise- und weite sollte es heißen .

rosmarin (25.08.2009)

das ist ja wirklich aus dem vollen menschenleben gegriffen. aber joke hat recht, wichtig ist die sichtweite- und weite.
grüß euch


rosmarin (25.08.2009)

Hallo Killing, das ist ja köstlich. Sehr gelungen deine Kassenschlange.

doska (25.08.2009)

Der Titel sagt alles und das frage ich mich auch manchmal. Gut geschrieben.

Evi Apfel (25.08.2009)

Oh ja, stimmt, die gibt's ja nur noch ein paar Tage zu kaufen. Ich habe glücklicherweise schon länger Stromspardinger. So konnte ich mir das sparen.

Killing Joke (24.08.2009)

Und ich habe es erlebt!! Ausgerechnet die Glühbirne, die ich brauchte, hatte keinen Preis und es hat EWIG gedauert!

Sabine Müller (24.08.2009)

Ja, das sind manchmal schon so momente in denen die Decke der Zivilisation dünner wird und man sich hier und dort dabei erwischt ein kleines Ugh-Ugh auszustoßen.

Nichts desto trotz - da muss man durch, auch wenn's nervig ist. Aber hey - ich bin froh SOLCHE sorgen zu haben :D


Killing Joke (24.08.2009)

Ja, da könnte ich auch Geschichten erzählen. Aber das kommt ein anderes Mal. Jetzt geht es erst einmal selbst in den Supermarkt. Ein paar letzte Glühbirnen ergattern, bevor ich meine Lampen alle umbauen muss. LG Sabine

Sabine Müller (24.08.2009)

Hihihi, ist sehr nett geschrieben. Ist dir gelungen.

doska (24.08.2009)

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