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4 Seiten

Roter Akzent

Spannendes · Kurzgeschichten
Fred Klaubitsch saß nun schon einige Stunden in seinem verrosteten VW Käfer und lag vor einem heruntergekommenen Haus in einer ebenso dahinsiechenden Gasse auf der Lauer.
Man hatte ihn hier her bestellt, um Nummer siebzehn zu beobachten.
Klaubitsch - ein Mann mit eisernen Prinzipien, dem niemand so leicht etwas vormachen konnte, saß in der Klemme. Mächtig tief in der Klemme. Angefangen hatte alles vor einem halben Jahr, als ein gewisser Mohrmann – der Name war mit sicherheit falsch – in seinem kleinen Büro erschienen war und ihm einen sehr lukrativen Job angeboten hatte. Für gewöhnlich kümmerte sich Klaubitsch um Ehebrecher oder kleine Ganoven, die in irgendwelchen Ladengeschäften ihr Unwesen trieben. Er hatte so manch untreuem Ehemann das Leben zur Hölle gemacht. Dabei ging er immer ganz auf Wunsch seiner Klientinnen vor. Sollte jemand nur überwacht werden, so versprach ihm dies zumindest die Miete einzubringen. Aber es gab auch sehr rachsüchtige Damen, die mehr verlangten als nur Beweise der Seitensprünge ihrer Männer.
Dann und wann ließ er sich dazu überreden die entsprechenden Herren, nachdem sie ertappt worden waren zunächst zu erpressen. Nur um kleine Summen versteht sich. Wenn sie sich weigerten wurde er – wenn der Auftraggeber dies ausdrücklich forderte – auch handgreiflich.
Aber all das begann ihn zu langweilen und er eröffnete eine Art Inkassobüro. Mit zwei Angestellten besuchte er säumige Zahler und machte ihnen auf drastische Weise klar, daß sie ihren Forderungen unverzüglich nachzukommen hätten. Meist ging dabei ein mehr oder minder wertvoller Bestandteil der Wohnungs- oder Büroeinrichtung zu bruch.
Dies wirkte zumeist sehr nachdrücklich. Doch er und seine beiden Kollegen unterließen es nicht, noch einmal wieder zu kommen, wenn der Schuldner nicht kooperativ war. Dann kam nicht nur Inventar zu Schaden sondern auch der Besitzer des selben. Gebrochene Arme waren eine Spezialität Klaubitschs. Er liebte den Ton brechender Knochen. Ja man konnte sagen, er war ein kleiner Sadist. Allerdings einer aus der Sorte, die ihr Handwerk verstanden. Er war in seiner herzensguten Art immer bemüht das Leiden seiner Kunden so kurz wie möglich zu halten.
Alles natürlich volkommen illegal. Doch äußerst einträglich und zuweilen auch recht kurzweilig.
Fred Klaubitsch war ein Mann von vierzig Jahren. Klein und drahtig mit einem Wieselgesicht und Kräften, die man diesem, augenscheinlich mickerigen Männchen, gar nicht zutrauen mochte. Gewiß hätte er sein Geschäft auch allein betreiben können, doch seine beiden Helfer entlasteten ihn sehr.

Alles lief hervorragend. Die Polizei ließ ihn – dank üppiger Schmiergelder – vollkommen unbehelligt. Und von seinen Kunden, die ihr Geld mit dubiosen Geschäften verdienten, hatte erst recht keiner Interesse, die Ordnungsmacht mit herein zu ziehen. Der überwiegende Teil der Leute, von denen er säumige Raten eintrieb, hatte sich bei Karlo Portz – einem windigen Finanzmakkler und Geldverleier – zu horrenden Zinssätzen Geld besorgt.
Was blieb ihnen auch schon anderes übrig, wenn ihre Hausbanken sich weigerten, weitere Mittel für ihre, dem Ruin entgegen stürzenden Firmen, zu geben?
Dann, an einem verregneten Donnerstag im September, war Mohrmann in dem kleinen schäbigen Büro der Dedektei Klaubitsch – Röhlhorn & Brassak erschienen.
„Klaubitsch? Sind Sie das?“ fragte der Mann, der in einen dunklen vom Regen durchnässten Trenchcoat in das Büro trat.
Die Tür stand immer offen. Zumindest wenn einer der drei Schnüffler im Büro saß und sich die Zeit mit was auch immer vertrieb.
„Das kommt darauf an, wer das wissen will“ gab Klaubitsch zurück und nahm seine Füße langsam vom Schreibtisch.
„Ich bin Josef Mohrmann. Haben Sie einen Moment Zeit für mich?“
„Bitte. Setzen Sie sich.“
„Danke.“
Der Mann, der sich als Mohrmann vorgestellt hatte, nahm auf dem, ihm zugewiesenen Stuhl, Platz. Langsam ließ er den Blick über die verstaubten Regale gleiten. Die Tapeten waren in einem fleckigen gelb – braun gemustert. Nikotinflecken. Hier wurde sehr viel geraucht, wie es schien. Alles in allem machte das Büro einen sehr herunter gekommenen Eindruck.
Die Gardinen – irgendwann einmal waren sie wohl so weiß gewesen, wie das kleine Viereck hinter Klaubitsch, an dem ein Bild gehangen haben mußte – hingen halb zerrissen herunter und waren ebenso gelb – braun wie die Wände.
„Wenn ich mich hier so umsehe, bezweifle ich offengestanden, dass Sie in der Lage sein sollten, meinen Auftrag zu übernehmen.“
„Es steht Ihnen frei zu gehen. Ich halte Sie nicht.“
Mohrmann bohrte seinen Blick in sein Gegenüber und versuchte zu ergründen, was er von ihm halten sollte.
„Wenn man mir Sie nicht als absolut vertrauenswürdig und zuverlässig empfohlen hätte, dann würde ich das wahrscheinlich auch tun. Also zur Sache...“
Fred Klaubitsch ließ den Mann reden und einige Papiere auf den Schreibtisch legen. Er stellte keine Fragen. Aber er beobachtete seinen neuen Auftraggeber sehr genau. Dennoch konnte er sich keinen Reim auf diese Person machen.
Es hatte eine gute halbe Stunde gedauert, ehe Mohrmann schwieg. Klaubitsch sah ihn noch immer eindringlich an. Dann griff er zu den Papieren, die der Mann auf seinen Schreibtisch gelegt hatte.
„Warum kommen Sie damit zu mir ? Das ist eindeutig eine Sache für den Staatsschutz oder die Kriminalpolizei. Haben Sie mir etwas noch nicht mitgeteilt, das ich wissen sollte?“
Mohrmann schwieg. Seine Mine zeigte keine Regung. Wie aus Marmor gemeißelt. Kein Muskel zuckte. Vollkommene Kontrolle.
„Ich habe Ihnen in der Tat noch eine Information vorenthalten,“ gab Mohrmann nach einigen Augenblicken zu.
„Und? Wie lautet diese?“
„Sollten Sie sich weigern diesen Auftrag zu übernehmen, werde ich sie auf der Stelle liquidieren müssen.“
Klaubitsch schluckte hörbar.
„Gut. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun.“
„Das hatte ich von einem Profi, wie Sie einer sind, auch nicht anders erwartet.“
Mohrmann griff noch einmal in seine Aktentasche, die er neben seinem Stuhl abgestellt hatte und legte ein braunes Briefcouvert auf den Tisch. Dann erhob er sich langsam und ging zur Tür.
„In diesem Umschlag befinden sich fünfzehntausend Euro. Das ist die erste Rate. Ich werde Sie in zwei Wochen noch einmal aufsuchen. Falls Sie es bis dahin überleben sollten...“
Klaubitsch schluckte noch einmal laut. Dann atmete er tief durch und sah sich das Material von Mohrmann noch einmal genauer an.
„Scheiße....“ flüsterte er und hatte das unbändige Verlangen nach einer sehr großen Flasche Korn.



*

Der Regen hatte wieder eingesetzt. Schon den ganzen Tag über, war es trüb und verhangen gewesen. Grau in grau. Das beste Wetter um depresiv zu werden. Und so war es nun schon seit bald drei Wochen. Regen oder wolkenverhangener Himmel.
Fast schien es, als gebe es die Sonne nicht mehr. Der alte Käfer hatte auch schon bessere Tage gesehen. Langsam sammelte sich Wasser auf dem Boden der Beifahrerseite. Das Dach leckte.
Offenbar hatte der Hagelschlag vor einigen Tagen es tatsächlich geschafft ein kleines Loch ins Dach des Wagens zu schlagen.
Fred trommelte gelangweilt mit den Fingern auf das Lenkrad.

„ Ihre Aufgabe besteht vor allem darin, die Mitglieder der Terrorgruppe ROTER AKZENT zu observieren. Melden Sie alles Verdächtige. Im Bedarfsfall wenden Sie Gewalt an, um Anschläge zu verhindern!“

„Ich hätte mich nie auf diesen Mist einlassen sollen!“ schimpfte Fred und starrte weiter aus dem Wagenfenster, um das Zielobjekt zu beobachten. Sein Kollege überwachte die Hintertür. In dem Gebäude hielt sich einer der drei übrig gebliebenen Terroristen auf.
Es hatte im vergangenen halben Jahr mehrere Schießereien mit den Mitgliedern des ROTEN AKZENT gegeben. Doch Klaubitsch hatte dabei nur Zivilisten in Gefahr gebracht und zwei seiner fünf zusätzlichen Mitarbeiter verloren.
Die Polizei hielt sich heraus. Man deklarierte das ganze kurzerhand als Bandenkrieg, der sich von selbst lösen werde. Auch als sein Büro sammt dem restlichen Gebäude in die Luft ging, fand man eine gute Erklärung.
„EXPLOSION IN WOHNHAUS! GASLEITUNG DEFEKT“
Und damit war alles erklärt. Doch er wußte es besser. Und er wußte, daß er dem Spuk ein Ende bereiten mußte. Heute Nacht oder wann auch immer Klaus Renner seine Wohnung verlassen würde, würde es aufhören. Es mußte aufhören! Zu viele unschuldige Menschen waren schon durch diese Fanatiker umgekommen.
Dann sah er ihn. Doch viel zu spät. Er hörte noch das Klacken als Renner seine Maschinenpistole durchlud. Erschrocken sah er ihn an. Dann bellte die Waffe los und spieh ihren todbringenden Atem gegen Klaubitschs Wagen.
Sein Kopf sank gegen die Kopfstütze. Der Atem ging gepresst. Er war getroffen. Mehrfach. „Das ist es also gewesen...“ dachte er, ehe es dunkel wurde und er das Bewustsein verlor.
 
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Kommentare  

Offenbar hat niemand Interesse daran diese Geschichte hier weiter zu schreiben.
Deshalb werde ich sie noch einmal veröffentlichen und sie selbst weiterfrühren, diese hier aber dennoch stehen lassen, für den Fall das ja doch jemand sich erbarmt und weiter schreiben möchte
B. Brüllmückel


Bernhard Brüllmückel (18.12.2009)

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