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4 Seiten

Tell You My Story - 2. Kapitel

Romane/Serien · Romantisches
Der Central Park war einer meiner liebsten Plätze in ganz New York. Im Sommer lag ich hier gerne im Park unter einem der vielen Bäume und las oder beobachtete einfach die Menschen, die an mir vorbei liefen. Ich überlegte dann, wer sie wohl waren und was sie beruflich machten. Zu jedem überlegte ich mir eine eigene kleine Geschichte. Und die Menschen hatten sehr viele interessante Geschichten zu erzählen…
An diesem Morgen joggte ich durch den Park. Vorbei am Lake, dem im Süden des Parks gelegenen See, auf den vielen verschlungenen Wegen entlang. Die Sonne schien bereits warm an diesem herrlichen Tag. Die Vögel sangen in den Bäumen und das Stimmengewirr der Parkbesucher verflocht sich mit dem Säuseln des Windes. Mit meinem iPod in den Ohren lief ich stur meinen Weg ohne großartig auf meine Umgebung zu achten. Dieser Punkt war später an der Reihe. Beim Joggen war ich gerade anwesend genug, um darauf zu achten, dass ich nicht irgendjemanden umrannte. Doch heute schien ich irgendwie noch abwesender zu sein, denn gerade als ich die kleine Brücke über dem Lake überqueren wollte, stieß ich frontal mit einem Jungen zusammen, der ungefähr in meinem Alter war. Durch den Zusammenprall geriet ich ins Straucheln, stolperte und landete schließlich auf dem Boden.
Dann passierte alles wie in Zeitlupe. Ihr kennt das. Als würde in einem Film die weibliche Hauptdarstellerin das erste Mal auf ihren männlichen Gegenpart treffen. Ich betrachtete dieses … Wesen von oben bis unten. Angefangen bei seinen strohblonden Haaren, über seine tiefblauen Augen, den muskulösen Oberkörper (den man unter seinem Muskelshirt sehr gut erkennen konnte), bis zu seinen durchtrainierten Beinen.
Das Gleiche machte er mit mir, bevor er mir die Hand reichte und mir aufhalf. Ich ergriff sie.
„So ein netter Zusammenstoß, und das am frühen Morgen!“ Er hielt meine Hand immer noch fest und lächelte mich an. Sein Lächeln war atemberaubend. Alle Zahnmodels dieser Welt waren nichts dagegen.
„Ääh…ja!“ Auch ich entlockte mir ein Lächeln, das bei weitem nicht an seines heranreichte.
Und dann verschwand er genauso plötzlich wie er vor mir aufgetaucht war. Alles, was ich noch hörte, war: „Machs gut, Amelia!“
Ich schüttelte den Kopf. New York war schon manchmal eine seltsame Stadt. Erst, nachdem ich meine Runde beendet hatte und auf einer Parkbank entspannte, fiel mir ein, dass er mich bei meinem Namen genannt hatte. Und als wäre das nicht schon komisch genug, hatte er auch noch meinen vollen Namen gekannt. Ich überlegte hin und her, ob ich ihn aus irgendwelchen Gründen kennen sollte, konnte mich aber nicht entsinnen, solch einen Modeltypen auch nur im entferntesten Bekanntenkreis zu haben.
Ich ließ mich tiefer in die Bank sinken und lauschte der Musik, die aus meinen Kopfhörern drang. Die Sonne brannte schon ziemlich heftig für die frühe Uhrzeit. Ich sah auf die Uhr und stöhnte. Na wunderbar, es war gerade mal 10 Uhr, ich war bereits joggen gewesen und wusste jetzt nicht, was ich mit diesem angebrochenen Samstagmorgen anstellen sollte. Außerdem ärgerte ich mich grün und blau, dass ich nicht mal fähig gewesen war, dieses … naja, Wesen von einem Mann wenigstens nach seinem Namen zu fragen! Was soll’s?! Voraussichtlich würde ich ihn sowieso nie wieder sehen… Aber das Leben schreibt dann doch seine eigenen Geschichten…

Bevor ich mich auf den Weg nach Hause machte, machte ich noch bei dem kleinen Laden bei uns im Haus halt, um noch ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. So, wie ich meine Mutter einschätzte, hatte sie bei ihrem wöchentlichen Einkauf wieder die Hälfte vergessen.
Meine Mutter lebte manchmal (so wie ich) in ihrer eigenen Welt. Wenn Ryan oder ich sie brauchten, war sie immer für uns da, aber bei solch banalen Dingen, wie dem wöchentlichen Einkauf, vergaß sie oft, weshalb sie eigentlich in einem Laden war oder weshalb sie überhaupt einkaufen sollte.
Das Glöckchen über der Eingangstür klingelte, als ich den kleinen Tante-Emma-Laden im Erdgeschoss unseres Wohnhauses betrat.
„Hallo, Mr Smith!“, grüßte ich den älteren Herrn hinter der Ladentheke. Er war der Besitzer und ich kannte ihn seit ich denken konnte. Wenn ich als kleines Mädchen mit meiner Mutter hier herunter kam, schenkte er mir immer einen Lolli. Ich mochte den alten Herrn.
„Hallo, Mia!“, erwiderte er meinen Gruß. „Schön, Dich mal wieder zu sehen!“
Ich musste lachen. „Tja, Mr Smith, meine Mutter lässt mir ja keine andere Wahl, nachdem sie gestern mal wieder die Hälfte vergessen hat…“
Auch Mr Smith musste lachen. Er kannte meine Mutter mindestens genauso gut wie ich. Ich lief durch die Regalreihen und griff immer mal wieder in eines hinein, um die Dinge, die meine Mutter vergessen hatte, in meinen Korb fallen zu lassen, den ich am Arm hängen hatte. Kurz vor der Kasse blieb ich stehen, warf noch einmal eine Blick in meinen Korb und kam zu dem Schluss, dass ich alles hatte: Schokolade für mich, Zigaretten für meine Mutter und Chips für meinen Bruder – so würden wir wenigstens das Wochenende überleben.
Das kleine Laufband surrte mir ruckartigen Bewegungen nach vorne zu Mr Smith, der bereits dabei war meine Einkäufe mit erstaunlicher Geschwindigkeit in seine Kasse einzutippen. Nachdem ich dann den nicht allzu hohen Betrag bezahlt hatte, machte ich mich mit meinen Errungenschaften auf den Weg nach oben.
Wie bereits erwähnt, lebten wir in einem Mehrfamilienhaus. Mit den anderen Familien hatten wir nicht sonderlich viel zu tun. Sie passten nicht so ganz hier rein. Oder vielleicht waren wir es, die nicht passten.
Die drei anderen Haushalte, die sich noch in unserem Haus befanden, existierten meiner Meinung nach nur auf dem Papier. In den acht Jahren, in denen ich in diesem Haus wohnte, hatte ich höchst selten einen unserer Mitbewohner zu Gesicht bekommen. Und als es doch einmal der Fall war (mitten in der Nacht, als ich gerade von einer Party nach Hause kam, in einem dunklen Hausflur – und er war Gothic), bekam ich so einen Schock, dass ich nicht mehr sonderlich Wert legte auf die Gesellschaft unserer Nachbarn. Wer weiß, was sonst noch für Gestalten in unserem Haus herumschliche. Ich wollte es besser gar nicht wissen.
Nachdem ich die drei Stockwerke erklommen hatte – der Aufzug war schon seit Jahren kaputt – steckte ich den Schlüssel ins Schloss und schloss unsere Wohnungstür auf. Noch bevor ich einen Blick in die Wohnung werfen konnte, schlug mir ein entsetzlicher Gestank entgegen. Dicke Rauchschwaden kamen aus Richtung unserer Küche. Ich stellte meine Tüte ab und hatte mit drei Schritten unsere Küchentür erreicht. Drinnen stand Ryan und mühte sich mit drei Kochtöpfen auf dem Herd ab.
„Oh mein Gott, Ryan!“, schrie ich mit meiner schrillsten Stimme (für die hatte ich jahrelang geübt). Ich kämpfte mich durch den Rauch an den Herd durch und schaltete erst einmal den Dunstabzug an. Man merkte, wie sich der Rauch in der Küche lichtete.
„Ryan, was machst Du hier? Seit wann versuchst Du Dich denn im Kochen?“
Ryan stand wie ein Häufchen Elend am Herd und starrte auf das angekohlte Etwas, das im Kochtopf schmorte.
„Vany wollte heute kommen und ich habe versprochen, dass ich koche!“, stammelte er, den Tränen nahe.
„Ach, Ryan“, ich musste lächeln und zersauste ihm die Haare, wozu ich mich dann doch ein bisschen strecken musste. „Komm, wir kippen das weg und kochen etwas Neues! Damit Dein Date auch was wird und deine Herzallerliebste nicht mit einer Lebensmittelvergiftung im Sacred Heart landet…“
„Danke!“, seufzte Ryan und gemeinsam machten wir uns daran ein Menü für sein erstes Date zu zaubern.
Ich sage doch, wir lieben uns abgöttisch!
 
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Humorvoll und lebensecht entführst du uns in die Welt der jungen Amelia. Und nun hat sie ihren Traumtypen kennengelernt, aber er ist sofort wieder verschwunden.Stattdessen muss sie nun ihrem Bruder helfen. Da wollen wir doch mal sehen ob sie das schafft und was noch so werden wird.

Petra (24.03.2010)

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