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3 Seiten

Vielleicht Rosen?

Kurzgeschichten · Romantisches
Arndt fühlte sich wie gelähmt. Aus dem Telefonhörer, den er immer noch in der Hand hielt, tönte ein hohles „Düüd-düüd-düüd“, das ihn gar nicht erreichte.
Fast dreißig Jahre war er täglich nach Hause gekommen, und sie war da. Elli hatte für ihn gekocht, sie hatten gemeinem gegessen und sich dann vor den Fernseher gesetzt. Dreißig Jahre! Er kannte es gar nicht anders als dass sie immer da war. Abends der Kuss zur Begüßung, morgens zum Abschied das streicheln über ihren Po – ein Ritual, das beiden etwas bedeutete, weil sie sich lachend verabschieden konnten. Seit dreißig Jahren.
Nie hatte Arndt auch nur einen Geanken daran verschwendet, wie es wäre ohne sie. Sie war zuverlässig immer da. Wenn er morgens aufbrach in die Schlosserei stand schon immer seine Tasche bereit. Vier belegte Brote, ein Apfel oder eine Orange, eine Flasche Bier. Über dreißig Jahre.
Er hatte das so „mitgenommen“, weil es immer war wie immer. Und nun war es plötzlich anders. Elli war gestürzt und lag mit einem Oberschenkelhalsbruch im „Städtischen“. Der Anruf war sachlich, trotzdem glaubte er erst, er hätte sich verhört.
Ja, es war schon komisch, nach Hause zu kommen und niemand war da. Das hatte er noch nie erlebt. Die Wohnung wirkte dunkler und fast kalt. Und dann klingelte auch schon das Telefon, bevor er auch nur seinen Mantel ausziehen konnte.
Und immer noch glaubte er der Stimme der Staionsschwester nicht und war sicher, Elli würde gleich in ihrer Kittelschürze aus der Küche kommen. Oder aus dem Schlafzimmer.
Arndt legte den Hörer auf und ging dann durch die Wohnung. Leer das Wohnzimmer, leer die Küche, leer das Schlafzimmer und leer das Schreibzimmer, das früher Kinderzimmer war.
Sämtliche Kraft schien aus ihm gewichen. Arndt war das, was man einen „Bär“ nannte. Schultern wie ein Kleiderschrank, Hände wie Baggerschaufeln, und jetzt doch nur ein ratloses, kleines Häufchen Elend - so stand er eine ganze Zeit im Flur, zunächst unfähig, überhaupt zu denken.
Christine! Er würde Christine fragen. Seine Tochter wusste Rat, davon war er überzeugt.
„Mutti ist im Krankenhaus …“, begann er gleich, als er sie am Telefon hatte, und es schnürte ihm die Brust zusammen. Aber es war auch gut, ihre Stimme zu hören. Er musste sich zwar anfangs regelrecht zusammenreißen, um ihr zuzuhören, aber sie fragte ihn so lange, bis er alles erzählt hatte, was er wusste. Und irgendwie tat ihm das gut.
„Papa, nun mach‘ dir mal keine Sorgen. Im Krankenhaus wissen sie schon, was sie machen müssen, da ist sie gut aufgehoben. Ich ruf‘ gleich nochmal an und rede mit ihnen, und du gehst hin und bringst Mutti ein paar Blumen.“ Am Wochenende wollte sie dann selber kommen; sie wohnte fast 300 Kilometer entfernt.
Es ging ihm besser jetzt nach diesem Gespräch. Aber er musste sich nun auch sputen, um noch vor sechs ins Blumengeschäft zu kommen. Deshalb war er ein wenig atemlos, als er der Floristin gegenüber stand. „Ich brauche einen Strauß für meine Frau im Krankenhaus“, sagte er und deutete dabei auf ein großes Gebinde roter Rosen.
„Fürs Krankenhaus?“, blickte ihn die junge Frau skeptisch an. „Wissen Sie was? Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Diesen Strauß stellen Sie ihrer Frau hin, wenn sie wieder nach Hause kommt. Und fürs Krankenhaus nehmen wir einen kleineren Strauß, ja? Was sind denn die Lieblingsblumen Ihrer Frau?“
Tja, da stand er nun. „Ähhh … eigentlich mag sie alles so. Irgendwie.“
„Nein“, lächelte sie, „fast jede Frau hat ihre eigene Blume, die ihr etwas Besonderes sagt.“
Arndt gniedelte an seinen Fingernägeln und überlegte.
Und überlegte.
„Kann ich mal schnell telefonieren?“ – „Selbstverständlich!“
„Christine, du, sag mal …“, legte danach auf und schmetterte der Floristin geradezu ein „Veilchen“ entgegen.
„Da hamse Glück“, lächelte sie ihn wieder an, „kleinen Moment“, und ging nach hinten, um nach kurzer Zeit mit einem kleinen, hübsch gebundenen Sträußchen zurück zu kommen.
Arndt war erleichtert und begeistert und rannte dann prompt mit seinem Strauß gegen die Tür, die sich nur nach innen öffnete. Ein verlegenes Lachen und dann raus auf die Straße.
Zuhause legte er die Blumen auf die Flurkommode, dann ging er ins Schlafzimmer, um den dunkelblauen Anzug anzuziehen, in dem Elli ihn immer so stolz anschaute. Wie war das noch mit der Krawatte …?
Dreißig Jahre hatte Elli ihm die Krawatte gebunden, seine eigenen Finger waren einfach zu wurstelig dafür. Und nun stand er da. Aber irgendwie kriegte er den Knoten gebunden – zwar ein wenig schief und unförmig, aber immerhin.
Nun die schwarzen Schuhe an und ein Taxi gerufen
Nervös stand er auf der Straße. Doch der schwarze Wagen ließ nicht lange auf sich warten. Arndt ließ sich in den Sitz plumpsen, „ins Städtische bitte“, und dort angekommen merkte er, dass seine Hände leer waren. 30 Minuten später stand er dann erneut vor dem Portal. Schwitzend. Und so richtig eine Ahnung, wie er den kleinen Blumenstrauß halten sollte, hatte er immer noch nicht.
Seufzend schaute er die Fassade empor, bevor er die Halle betrat und Ellis Zimmernummer im dritten Stock erfragte. Rein in den Fahrstuhl, hochgefahren, und dann stand er da, vor Ellis Zimmertür. Ganz zart klopfte er mit seinen Riesenhänden, wartete und nestelte an seinem Blumenstrauß. Dann erneutes, lauteres Klopfen und ein zweistimmiges „Herein“ darauf.
Drei Betten sah er, zwei davon belegt, und Elli in einem von ihnen. Zaghaft ging er auf sie zu, und seit langem wieder spürte er ihre Augen. Am liebsten wäre er hingelaufen, um sie in den Arm zu nehmen und zu weinen. Aber dies war ja ein Krankenhaus – und dann stand er doch vor ihrem Bett: „Was machst du nur für Sachen?“
Sie lächelte ihn an. „Gut siehst du aus – sind die Blumen für mich?“
Er hatte vergessen, sie aus dem Papier zu nehmen. Verlegen begann er, das jetzt nachzuholen, riss etwas heftig mit seinen großen Händen, und hielt ihr dann die Stiele mit ein paar Blüten dran entgegen.
Sie schien den Tränen nahe. Er ärgerte sich, und ihm war’s peinlich und wollte die Blumen gerade hinter seinem Rücken verstecken, als sie leise sagte: „Lass, Arndt. Das ist der schönste Strauß, den ich je bekommen habe …“
 
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Kommentare  

hätte sie was geändert? glaube ich nicht. sie hat ja nicht einmal gemerkt, dass sie nicht bemerkt worden ist... und das tut mir jetzt echt weh. ich bin eben nicht so aufopferungsfähig. ;-)

Ingrid Alias I (04.10.2013)

Ich weiß nicht ... liebevoll genug scheint er ja zu
sein. Nur eben nicht aufmerksam genug.
Und sie wird's auch nicht wirklich bemerkt haben,
sonst hätte sie bestimmt etwas geändert ;-)


Robert Kühl (04.10.2013)

die arme frau scheint nicht gerade verwöhnt zu sein. aber vielleicht behandelt arndt sie von jetzt an ... netter. ;-)

Ingrid Alias I (03.10.2013)

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