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15 Seiten

For your Love - Die Suche nach mehr

Kurzgeschichten · Romantisches
1
 
Ein Schrei.
Ich schrecke aus dem Schlaf.
Woher kam nur dieser entsetzliche, flehende Schrei?
Wer schreit überhaupt um diese Uhrzeit?
Nur langsam fällt mir mein Traum wieder ein und ich begreife, dass es meiner war.
 
Es ist immer der gleiche Traum, naja zumindest hat er immer das gleiche Ende.
Ich bin irgendwo unter Menschen – einmal war ich mit Freunden in der Stadt unterwegs und einmal auf einer Party – und plötzlich verschwimmt alles vor meinen Augen und die Menschen verschwinden, bis nur noch eine Stimme übrig bleibt, die sagt: „du bist für immer allein und es gibt nichts, dass du dagegen tun könntest!“
danach wache ich immer mit einem Schrei unter Tränen auf. Nach wenigen Sekunden fällt mir mein Traum wieder ein und ich spüre wie es mir die Luft zuschnürt. Mir wird eiskalt mein Magen dreht sich um und ich kriege keine Luft mehr.
Warum ist es bloß so verflucht dunkel
…1…2…3…4…5…6…7…8…9….
In dieser Situation kann mir nur zählen helfen.
Es ist die Aufsteigende Angstattacke.
Ich versuche sie zu unterdrücken, indem ich mich aufsetze, zähle und gleichmäßig atme.
Nach einigen Minuten habe ich mich beruhigt, stehe auf und ziehe mich um.
Vielleicht ist es nicht die beste Idee jede Nacht um 3 Uhr Joggen zu gehen, aber wenn ich erst einmal wach bin ist das der einzige Weg um weiteren Angstattacken und meinen Gedanken aus dem Weg zu gehen. Ich suche meinen mp3-Player, schleiche aus dem Motelzimmer, um andere Gäste nicht zu wecken, die Hintertür raus und laufe los. Jedes Mal eine neue Strecke und die gleiche dröhnende Musik. Ich singe die Texte mit und konzentriere mich auf den Weg, damit ich zurückfinde. Das lenkt mich am besten ab. Wenn das nicht hilft fange ich wieder an zu zählen. Zählen ist das einzige, das mich durchgebracht hat. Ich weiß nicht ob ich es sonst geschafft hätte ohne durchzudrehen oder sogar schlimmeres.
Nach gut einer Stunde, komme ich wieder im Motelzimmer an und gehe Duschen.
Ich Föhne und Glätte meine Haare bis zur Perfektion, bevor ich sie mit einem zartrosa band zusammenbinde. Dann ziehe ich ein zartes weißes Spitzenkleid an. Dann eine dicke Schicht Make-up mit Eyeliner. Das verdeckt die Augen-ringe fast komplett und betont meine Grünen Augen.
Noch ein letzter Kontrollblick in den Spiegel.
Ich streiche das Kleid glatt, bis auch die letzte Falte draußen ist.
Auf der Suche nach meinen Schuhen, öffne ich einen der drei großen Koffer.
Nichts
Ich stöhne auf. Wenn ich jeden der Koffer und Reisetaschen durchsuchen muss, komme ich zu spät.
Und das am zweiten Tag…
Ich versuche mich zu erinnern, wo die Schuhe beim Packen lagen. Alle Schuhe lagen auf zwei Haufen aufgeteilt. Der größere der Beiden für den Umzugskarton, der andere für den Koffer, den ich eben durchsucht habe.
Warte mal…
Ich weiß wo sie sind!
Ich griff nach der kleinsten Reisetasche und zog wenig später triumphierend die Schuhe raus.
Sie sind Rotgold mir feinen Riemchen. Das Plateau ist 4 cm hoch und der Rest des Schuhs 16 cm. Eigentlich wollte ich alles, an dem schlechte Erinnerungen hängen Zuhause lassen, aber von einigen Teilen, konnte ich mich doch nicht trennen. Dabei sind diese Schuhe, der schlimmsten Geschichte in meinem Leben.
Ich schüttle kräftig den Kopf um die Gedanken loszuwerden.
Ein Klopfen an der Tür lässt mich aufschrecken. Wer könnte das sein?
In der Tür steht Luna.
Luna ist ein Mädchen aus der Redaktion. Wir haben uns am ersten Tag kennengelernt. Ich musste dem Chefredakteur einen Kaffee holen und bin dabei so um die Ecke gehastet, dass ich sie umgerannt habe und den gesamten Kaffee über uns ergossen habe. Seit dem sind wir unzertrennlich.
„Wow, siehst du toll aus! Dieses Kleid, diese Schuhe und dann dieses Make up!“
Luna deutet mit ihrer Hand eine Bewegung über meine Silhouette an. Ich will ihr gerade widersprechen, als sie mich ruckartig an die Hand nimmt.
„Komm wir gehen frühstücken!“
Sie greift mit ihrer freien Hand nach meiner Tasche und dem Zimmerschlüssel. Ohne ein weiteres Wort zieht sie mich aus dem Zimmer, schließt die Tür ab verstaut den Schlüssel in meiner Tasche und geht mit mir zu Wealers.
 
 
2
 
Argghh!
Ich halte mir schmerzverzerrt die Stirn. Ich muss irgendwo gegengelaufen sein. Ich versuche mich umzusehen, aber vor meinen Augen blitzen durchgängig schwarze Flecken auf. So sehr wie das wehtat, muss das eine Steinwand gewesen sein. Das kann aber eigentlich nicht sein. Es sei denn, sie haben über Nacht eine Wand gebaut, die den gigantischen Flur einteilt. Langsam werden die schwarzen Punkte weniger. Ich starte einen zweiten Versuch mich umzusehen. Diesmal sehe ich schon deutlich mehr.
Das was ich sehe beunruhigt mich fast noch mehr, als der stechende Schmerz und die anfängliche Unfähigkeit zu sehen. Ich starre ungläubig geradeaus.
Es müssen einige Sekunden vergangen sein, bis ich begreife, was ich sehe.
Ich sehe nichts.
Vor mir ist der Flur der Uni. Es sieht alles aus wie immer. Ein breiter offener Flur, mit hohen Decken und großen Fenstern. Hier ist nichts, dass mir im Weg stehen könnte. Keine Wand, kein Aufsteller, kein offenes Fenster, nichts. Nur ein leerer Flur, wie ich ihn erwartet habe, bevor ich gegen dieses unbekannte Objekt gerannt bin. Das lässt mich fast noch mehr an einem Verstand zweifeln, als die Tatsache, dass ich angenommen habe, es könnte wirklich über Nacht eine Wand gebaut worden sein. Aber was kann es gewesen sein? Ich würde ja fast behaupten, dass ich mir das alles nur eingebildet habe, wenn da nicht die Tatsache wäre, dass mein ganzer Körper – besonders meine Stirn vor Schmerzen pocht. Die schwarzen Punkte sind schon fast verschwunden, allerdings brummt mein Schädel immer noch, als hätte ich gestern zu viel getrunken.
Ein lautes Knacken reißt mich aus den Gedanken. Bin ich doch nicht so unversehrt, wie ich dachte. Es knackt nochmal. Dieses Mal noch deutlich Lauter. Durch die Lautstärke kann ich diesmal identifizieren, aus welcher Richtung es kam. Es kam direkt vom Boden vor mir. Die Möglichkeit, dass ich einen Aufsteller womöglich zu Boden gerissen haben könnte, habe ich noch gar nicht in Betracht gezogen. Mit meinen 1,66 m und einer relativ schmalen Figur bin ich nicht gerade die Person, die genug Kraft hätte, einen Aufsteller umzurennen und selbst stehen zu bleiben.
Ich gucke in die Richtung, aus der das Knacken kam und erstarre.
Vor mir sitzt ein ziemlich muskulöser Typ. Er hält sich das Kinn. Die Stirn in Furchen und ein selbstgefälliges Grinsen auf dem Gesicht.
Unfähig mich zu bewegen starre ich ihn einfach nur an. Eigentlich müsste ich ihm meine Hand reichen und aufhelfen, aber mein Körper fühlt sich an, als hätte ihn jemand mit Zement gefüllt. Außerdem, wäre ihm aufhelfen eine reine Geste der Höflichkeit gewesen, denn richtig helfen könnte ich ihm eh nicht. Nicht nur, dass ich eine eher kleine und schmale Gestalt bin, nein, er ist auch noch groß -bestimmt 1.86- und dazu noch muskulös. Der Typ steht auf. Er muss gemerkt haben, dass ich ihn die ganze Zeit ungläubig anstarre, denn sein Grinsen ist noch breiter und überheblicher geworden.
Er verschränkt die Arme hinterm Kopf. Ein paar seiner, sonst perfekt gestylten, Haselnussbraunen Haare fallen ihm in die Stirn, doch er macht keine Anstalten sie wieder in Form zu bringen. Mein Blick, bleibt daran hängen. Ich fixiere die Strähnen kurz mit meinem Blick und lasse ihn dann weiter zu seinen Augen gleiten.
Seine Augen sind so schokobraun und wirken so unschuldig und ehrlich, wie ich es noch nie in meinem Leben gesehen habe. Ein verdächtiges flattern macht sich in meinem Bauch breit.
Seine Augen sind so ein Kontrast zum Rest, dass es sich fast schon zu perfekt ergänzt.
Erst jetzt merke ich, dass er mich mindestens genauso eindringlich mustert, wie ich ihn. Dabei bleibt sein Blick einen Moment zu lange an meinen Brüsten hängen.
Ich verschränke schnell die arme vor der Brust.
Ich wusste nicht das er noch selbstgefälliger und Arroganter gucken kann, wie noch wenige Sekunden zuvor, doch sein Grinsen, übertrifft sich noch mehr. Automatisch gleitet mein Blick zurück zu seinen Augen. Sie wirken immer noch wie die von einem Hund. So ehrlich und unschuldig.
Ich könnte sie mir ewig angucken…
Er räuspert sich deutlich.
Er muss meinen Sehnsuchtsvollen Blick gesehen haben. Vielleicht kann ich sie mir doch nicht den ganzen Tag angucken. Ich wende meinen Blick stattdessen betreten zu Boden.
Als er sich erneut räuspert, kann ich den Drang ihn anzusehen, nicht weiter unterdrücken. Vorsichtig schaue ich wieder zu ihm hoch. Dabei bemerke ich, dass sein Kinn, ziemlich genau auf meiner Kopfhöhe ist, das muss der Grund für meine pochende Stirn und meinen brummenden Schädel sein.
„Bist du ein Pitbull?“ seine warme, tiefe Stimme ergänzt sein Erscheinungsbild perfekt. Erst jetzt realisiere ich was er gesagt hat. Verwirrt schaue ich ihn an.
„Was meinst du?“
„Nur wenige Menschen deiner Statur rennen mich um und bleiben selbst unversehrt stehen.“
„ganz unversehrt nun auch wieder nicht.“ Bei diesen Worten halte ich mir wieder die Stirn „Beton-Kiefer oder was? Mal im Ernst was ist das für ein hartes Gerät?!“
„Dieser ‚Beton-Kiefer‘ konnte deiner Stirn nicht standhalten. Ich glaub ich habe ihn mir verrenkt.“
„Oh, das tut mir echt unendlich leid. Das wollte ich nicht!“
„schon ok, Stormy. Es ist alles halb so wild.“
„Stormy?“
Fragend sehe ich ihn an. Wie kommt er denn jetzt auf Stormy und was meint er damit? Das Wetter kann es nicht sein. Der Sommer tut sein Bestes. Es ist typisches August Wetter: 32 Grad und strahlender Sonnenschein. Trotz meines kurzen Luftigen Kleides, bin ich ziemlich am Schwitzen. Der Typ sieht nicht so aus, als wäre ihm so warm wie mir. Trotz seiner langen Hose und dem langen grauen Sweatshirt, schwitzt er nicht. Einzig ein kleiner Schweißtropfen zieht sich über seine Wange, als hätte er sich da verirrt. Erst jetzt merke ich, wie gut er riecht. Es ist ein unbeschreiblicher Duft. Eine Mischung aus etwas das ich nicht kenne. Es muss, er selbst sein, aber das kann ich nicht genau sagen. Zumindest riecht es Fantastisch. Dazu kommt eine Mischung aus Zimt, Aftershave und vielleicht ein wenig Moschus. In diesen Duft könnte ich mich echt reinlegen.
Seine Lippen bewegen sich. Scheinbar redet er mit mir.
„Sorry kannst du das nochmal wiederholen? Mein Kopf brummt noch etwas vom Zusammenstoß.“
Meine Stimme klingt kehlig und mir selbst sehr fremd. Hoffentlich merkt er es nicht, aber wir kennen uns seit 5 Minuten, erkennt meine normale Stimme kaum. Sein, mir jetzt schon sehr bekanntgewordenes Grinsen, wird noch breiter.
Verdammt!
Er weiß, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Außerdem jagt mir dieses Grinsen einen angenehmen Schauer über den Rücken.
Jetzt konzentrier dich endlich! Ermahne ich mich selbst.
Zum Glück geht er nicht weiter auf mein Verhalten ein. Er muss mich langsam echt für verrückt erklären. Was sag ich mit langsam. Er muss mich schon die ganze Zeit für verrückt erklärt haben. Angefangen, dass ich ihn umgerannt habe.
„Ich habe dir auf die Frage geantwortet, warum ich dich Stormy nenne. Ich habe mir schon immer einen Hund gewünscht. Am liebsten einen Pitbull. Meinen ersten Pitbull werde ich Stormy nennen und so wie du mich umgerannt hast,“ er fasst mir mit der Hand unters Kinn und zwingt mich so, ihm direkt in seine unendlich schönen Augen zu gucken. „hast du mich an einen starken, niedlichen Pitbull erinnert.“
Mir stockt der Atem. Flirtet er etwa gerade mit mir? Ich kann gar nicht daran denken, dass er mir gerade den dümmsten Spitznamen der Welt gegeben hat. Ich kann ihn nur ungläubig anstarren. Ich muss dringend etwas Abstand zwischen uns bringen. Beim sprechen ist er mir so nah gekommen, dass sich unsere Gesichter fast berühren. Sein warmer Atem kitzelt mein Gesicht. Seine Lippen sind nur einen Hauch Selbstbeherrschung von mir entfernt. Er versucht mich heraus zu Vordern. Er hält sich für unwiderstehlich und denkt ich wäre ihm schon verfallen. Ich stehe tatsächlich kurz davor. Trotzdem würde ich ihm das nicht auf die Nase binden. Ich löse mein Gesicht aus seiner Hand und mache einen halben Schritt zurück um genug Abstand zwischen uns zu bringen, um mich wieder fangen zu können.
„Ich bin Starla, nicht Stormy. Spar dir den Namen lieber für deinen zukünftigen Hund, auch wenn er mir somit jetzt schon leidtut. Stormy ist ein echt dämlicher Name.“
Sein Grinsen verrutscht einige Millimeter. Unbeirrt fahre ich fort. Es war echt nötig, Abstand zwischen unsere Gesichter zu bringen. Jetzt arbeitet mein Verstand wieder auf Hochtouren.
„Meinen zukünftigen Pitbull werde ich definitiv anders nennen.“
„Du willst einen Pitbull?“
Jetzt sieht er mich schon fast ernst an. Dieser Gesichtsausdruck passt viel besser zum Ausdruck seiner Augen. Trotzdem vermisse ich das Grinsen. So viel zum Thema, mein Verstand arbeitet wieder.
Er guckt mich abwartend an. Ach ja er hat eine Frage gestellt.
„Ja, Pitbull ist meine Lieblingshunderasse.“
„und wie würdest du ihn nennen?“
„Weiß ich noch nicht ganz sicher. Wahrscheinlich wird er eh einen Namen haben, da ich ihn, aus dem Tierheim holen will. Allerdings, wahrscheinlich erst nach dem Studium. Wenn ich mir einen Namen aussuchen kann, dann Gaven.“
Sein überhebliches Grinsen ist zurück
Verdammt, ich habe gebrabbelt. Manchmal, kann ich mich einfach nicht vom Reden stoppen.
„Tut mir leid, wenn das zu viel auf einmal war.“
Ich laufe wahrscheinlich gerade tiefrot an. Ich drehe den Kopf nach unten.
„Manchmal kann ich den Redeschwall nicht stoppen.“
Er macht den Schritt nach vorne, den ich eben nach hinten gemacht habe und überbrückt so die Entfernung zwischen uns beiden. Er nimmt mein Gesicht in beide Hände. Bei jedem anderen Fremden wäre mir das komisch vorgekommen, aber bei ihm hat diese Handlung etwas so Natürliches, dass es mich nicht stört.
„Ich heiße Gaven“
Ohh.
Das erklärt einiges. Dieser Name passt perfekt zu ihm und ich liebe diesen Namen!
„Und du meinst ich darf dich nicht so nennen, wie ich meinen ersten Pitbull nennen werde, obwohl du es genauso machen wirst.“
„Das ist nicht fair, du heißt ja wirklich so, außerdem ist der Name ‚Gaven‘ besser als ‚Stormy‘. Aber wenn du willst denk ich mir gern einen anderen Namen für dich aus!“
So langsam macht er mich wütend. Das es zum Teil daran liegen könnte, dass er mich so aus dem Konzept bringt, will ich lieber gar nicht erst in Betracht ziehen.
„Gib es zu! Du findest den Namen Gaven echt heiß. Aber wenn du mich anders nennen willst, nur zu. Nenn mich doch einfach deine große Liebe. Dann bist du so ehrlich wie es nur geht. Dann nennen wir uns gegenseitig beim Spitznamen. Sieh es ein, du wirst deinen neuen Spitznamen nicht mehr los.“
Ich mache einen frustrierten Laut. So wie meine Wangen glühen, muss Gaven bald die Feuerwehr rufen. Würde er doch endlich die Hände aus meinem Gesicht nehmen, obwohl ich mir nicht sicher bin ob ich das wirklich will. Die eine Seite von mir ist wütend und würde seine Hände am liebsten runterreißen. Doch ein Großteil in meinem inneren wünsch sich noch deutlich mehr, als nur seine Hände in meinem Gesicht.
NEIN! Das geht nicht!
Mein Verstand, von dem ich dachte er hätte sich gänzlich ausgeschaltet, ermahnt mich. Ich kann kaum noch klar denken, wenn er mir so nah ist. Ich komme schon auf abwegige Ideen. Er muss also die Hände runternehmen. Sonst drehe ich bald endgültig durch.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, nimmt er die Hände aus meinem Gesicht und verschränkt sie hinter seinem Kopf. Sofort vermisste ich die Wärme, die seine warmen und leicht rauen Hände hinterlassen haben.
„Bleibt nur noch eine Frage.“
Sagt er schließlich.
„Was machst du überhaupt hier. Die meisten sind gerade in Seminaren. Nur die Leute aus…“
„...dem Kurs für Englische Literatur nicht, denn der Fängt erst nächste Woche an.“
Ergänze ich seinen Satz. Ihm scheint im selben Moment wie mir zu blühen, was hier los ist. Wir haben beide den Kurs für Englische Literatur belegt. Es war echt schwer einen Platz in diesem Kurs zu kriegen, da die Anzahl der Teilnehmer begrenzt ist. Höchstens 15 Studenten dürfen Teilnehmen, da dieses Thema sich eher in einem kleineren, familiärer wirkendem Kurs besprechen lässt.
„Dann sehen wir uns ja bald wieder.“
Sagt er und zwinkert mir zu. Ich könnte schwören, dass das Lächeln, das er mir jetzt zuwirft ehrlich und nicht selbstgefällig ist. Ich muss automatisch zurück lächeln. Es ist, als hätte ich nicht mehr die Gewalt über meinen eigenen Körper.
„Dann bis Morgen Stormy.“
Sagt er und wirft mir noch einen Luftkuss zu, bevor er sich in Bewegung setzt und gemütlich um die Ecke schlendert.
Es ist als würde mir jemand die ganze Energie, die ich eben gefühlt habe wieder wegnehmen. Meine Knie werden weich und ich muss mich an der nächstbesten Wand abstützen, um nicht hinzufallen. Was war das denn? Ich muss das Geschehen einmal komplett Revue passieren lassen, bevor ich meinen Weg, zum Ende des Flurs fortsetzen kann. Als ich dann viel später, als ursprünglich geplant, am schwarzen Brett ankomme, habe ich mich so langsam wieder im Griff. Ich schiebe die Begegnung mit Gaven in die letzte Ecke meines Bewusstseins und konzentriere mich auf das was ich sehe.
Ich analysiere jede Anzeige für Wohnungen, die ich sehe. Es ist schwierig zu erkennen, welche Anzeigen etwas taugen und welche nicht. In den ersten Tagen, die ich hier an der Uni schon verbracht habe, habe ich jeden Tag in den Orientierungs-Vorlesungen von Horror-Wohnungen und Mitmietern gehört. Deswegen Versuche ich genau zu erkennen ob eine Wohnung etwas Taugt oder nicht.
Da ich eine Wohnung kaufen möchte -oder besser gesagt die Hälfte- ist die Auswahl deutlich geringer, als bei den Mietwohnungen. Weiterhin suche ich eine Eigentumswohnung, in die ich möglichst direkt einziehen kann.
Keinen Tag länger, als nötig, bleibe ich in diesen dreckigen, alten Motel Zimmer, in dem ich jetzt schon seit 4 Tagen lebe. Mein Budget ist für etwas anderes eingeplant, aber ich hatte nicht erwartet, dass die Wohnungssuche so schwer wird. Wenn ich in drei Tagen keine Wohnung habe, werde ich mir wohl oder übel eine Parkbank auf dem Campus aussuchen müssen.
Ich finde 3 Anzeigen, die zu meinen Vorstellungen passen. Alle sind in Laufnähe zur Uni. Ich versuche mich noch nicht zu überschwänglich zu freuen. Den Fehler habe ich schon bei den Anzeigen im Internet gemacht. Sie sahen so perfekt aus. Aber die meisten haben sich als herbe Enttäuschung herausgestellt. Die wenigen Wohnungen, die ich mochte, habe ich nicht bekommen, da ein großer Andrang auf sie herrschte.
Selbst wenn die Wohnungen so gut sind wie sie scheinen -was ich schon für unwahrscheinlich halte- ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie kriege sehr gering. Kurz habe ich überlegt die Anzeigen ganz abzureißen, aber das schien mir dann doch eine schlechte Idee.
Das wäre den Schreibern der Anzeigen unfair gegenüber. Sie wollen die Wohnungsanteile ja auch verkaufen und ich werde definitiv nicht alle kaufen.
Außerdem wäre es kein guter Start, vor allem wenn das rauskommen sollte. Ich werde mich wohl auf dem normalen Weg beweisen müssen.

3
 
‚Nester&‘
Tief durchatmen.
…1…2…3…4…5…6…7…8…9…
Ein…und Aus…
Eigentlich wollte ich nie wieder gedanklich zählen, doch wenn ich nervös bin, kann ich es nicht lassen. Es war schon immer die Taktik, mit der ich mich beruhigt habe. Selbst, wenn ich kurz vor dem Zusammenbruch stand, weil mein Vater mich mit seiner Ignoranz und Starsinnigkeit zum Wahnsinn getrieben hat.
Ich schüttele schnell die Gedanken weg. Ich kann darüber jetzt nicht nachdenken. Meine Nerven hängen sowieso schon an einem seidenen Faden. Wenn ich jetzt nur einen Gedanken an meine Vergangenheit verschwende, breche ich zusammen.
Ich habe es geschafft. Ich bin in Norwood Hilldale!
Keine Gedanken an mein altes Leben.
Ich schaue nochmal auf das Klingelschild. ‚Nester&‘ steht da in Gold geschnörkelter Schrift. Ich stelle mir vor, wie er aussehen würde, wenn mein Nachname danebenstehen würde.
‚Nester& Johnson‘
Manchmal liebe ich meine gute Vorstellungskraft. Es ist, als würde ich es Bildlich vor mir sehen. Die Kombination der Namen sieht echt toll aus. Ich schaue mir die Schrift nochmal genau an. Sie ist von Hand geschrieben und noch sehr neu. Wahrscheinlich ist der Schwerpunkt des Studenten Kunst und Kalligrafie, vielleicht auch kreatives Schreiben und Literatur. Das deutet daraufhin, dass wir uns gut verstehen werden. Es muss einfach gut gehen. Es ist die letzte Wohnung, die ich mir ansehe. Nach meinem letzten Seminar, habe ich schon nach ein er Parkbank geguckt, auf der ich unbemerkt schlafen kann, bis ich eine Wohnung habe.
Obwohl es mich bei der Vorstellung innerlich schüttelt, ist es immer noch besser, als in den letzten Wohnungen. Die eine war zwar ganz schön, aber der Besitzer wollte etwas anderes als Geld für die Bezahlung. Ich habe bestimmt noch nie so schnell eine Wohnung verlassen.
Noch am gleichen Tag bin ich dann zu Wohnung zwei. Der Teppich war klebrig und es roch sehr verdächtig nach verschiedenen verbotenen Substanzen. Den Geruch kenne ich durch den Abschreckungsunterricht an meiner Schule, vor einigen Jahren. Hauptsache die Sachen sind verboten, aber zur Abschreckung dürfen sie im Chemie-Unterricht gezeigt werden.
 
Diese Wohnung ist meine letzte Hoffnung. Allein die Gegend ist schon schöner, als bei allen Wohnungen zuvor. Ein kleines Metalltor grenzt das Grundstück von der Straße ab. Ein schmaler Kiesweg führt zu einer schönen Hölzernen Tür mit eingeschnitzten Details. Rechts und links davon säumen Bäume den Weg.
Ich gehe die drei Stufen zur Tür hoch, Atme nochmal tief durch und Klingel endlich an der wunderschön beschrifteten Klingel.
Wenige Sekunden später geht die Tür auf.
Ich erstarre.
Vor mir steht Gaven, der Typ den ich vor zwei Tagen umgerannt habe. Das erklärt dann auch warum er da war. Mir fällt erst jetzt auf, dass ich gar nicht gefragt habe was er da gemacht hat. Der Flur ist ziemlich weit hinten in dem Trakt. Dort geht man nur hin, wenn man einen Kurs dort hat oder zum schwarzen Brett will. Einen Kurs hatte er ja offensichtlich nicht, denn er ist ja mit mir in englischer Literatur.
Er starrt mich genauso an wie ich ihn. Erst jetzt merke ich, dass er kein Shirt trägt. Er hat ausgeprägte Muskeln und ein Tattoo unter dem untersten rechten Rippenbogen. Ich versuche meinen Blick von ihm loszureißen. Er wandert weiter über seine muskulöse Brust und seine geschwungen leicht geöffneten Lippen. Ich fange instinktiv an mir auf die Lippe zu beißen -noch so eine Angewohnheit die ich nie losgeworden bin. Ich schaue schnell weiter, meide aber seinen Blick. Seine Haare sind Nass. Wahrscheinlich kommt er grad aus der Dusche und hat ich die Jeans nur schnell übergezogen.
Er hat sich schneller wieder gefangen als ich und Räuspert sich kräftig. Dann tritt wieder sein wunderschönes selbstgefälliges Lächeln auf die Lippen.
„Du hältst es wohl einfach nicht ohne mich aus! Gefällt dir der Anblick?“
Er spannt die Muskeln an, um sie noch weiter zur Schau zu stellen. Aber er hat die Rechnung nicht mit mir gemacht. Diese Genugtuung, würde ich ihm nicht geben.
„So stellst du dich also vor, wenn hier Leute kommen um die Wohnung zu besichtigen?“
Frage ich stattdessen. Er schaut etwas perplex, doch sein Grinsen verrutscht keinen Millimeter.
„Eigentlich nicht, aber du bist zu früh!“
Ich schaue auf die Uhr. Ich bin tatsächlich zu früh dran.
„Außerdem ist es ein Haus und keine Wohnung. Ich habe es nur als Wohnung eingestellt, da der Preis einer Wohnung gleich-kommt.“
Jetzt bin ich völlig Baff. Es ist mir egal, ob er mich jetzt endgültig für verrückt erklärt, ich kann ihn nur mit offenem Mund anstarren.
„Wow, es gibt dich auch in sprachlos? Na, komm ich zeig dir das Haus!“
Ich folge ihm stumm. Nach einem kurzen Flur, mit seitlichem Kabuff für Jacken und Schuhe, geht es in die große offene Küche und…
„Wow, das ist meine Traumküche! Offen und mit angrenzendem Barbereich“
Rutscht es mir raus, bevor ich weiter über meine Worte nachdenken konnte. Dafür ernte ich ein weiteres Grinsen von Gaven. Sofort macht sich ein verdächtiges ziehen in meinem Magen breit. Was macht der Typ bloß mit meinem Körper. Mein Körper reagiert auf jede seiner Handlungen, obwohl er unausstehlich ist. Und seine Handlungen auch.
Ich schaue mich weiter um. Die Küche ist Teil einer Galerie. Sie nimmt fast die ganze rechte Hälfte ein.
Darüber spannt sich ein Liegenetz ausgehend von der oberen Etage, wie ich es schon oft auf Pinterest gesehen habe. In der Mitte, zieht sich eine Wendeltreppe hoch. Der obere Bereich wird von einer Glaswand getrennt, in der zwei Türen sind. Eine, beim Treppenabsatz und eine zum Netz hin.
Der linke Bereich, des Erdgeschosses ist der Wohnbereich, in dem ein U-förmiges Sofa steht. Davor ein großer Flachbildschirm. An den Wänden stehen Bücherregale, die die gleiche höhe haben, wo normalerweise die Decke wäre, wenn dies keine Galerie wäre und die erste Etage nicht nur bis zur hälfte des Raumes gehen würde.
Die eine Hälfte der Regale ist voll mit Büchern und DVDs. Die andere Hälfte ist noch frei. Wahrscheinlich für die Person, die mit hier einziehen wird.
„Das Haus wurde von mir ausgestattet und möbliert. Ich hoffe es gefällt dir. Die Anteile der Kosten sind schon im Preis enthalten. Der Preis ist genau die Hälfte, der kosten von allem. In dem Raum dahinten…“
Er deutet auf eine der beiden Türen am Ende der Wand.
„…ist der Essbereich, der andere Raum hier unten steht noch leer. Falls du eine Idee hast, was wir daraus machen könnten, sag Bescheid.“
Ich muss augenblicklich schmunzeln. Er spricht schon so, als hätte ich den Kaufvertrag bereits unterschrieben. Vielleicht, sind meine Chancen, doch nicht so verschwindend gering, wie ich bisher dachte.
„Komm, ich zeige dir die obere Etage.“
Er greift nach meiner Hand, und wir gehen zusammen nach oben. Mit einem gekonnten Griff öffnet er die gläserne Schiebetür. Vor uns erstreckt sich ein Arbeitszimmer. Die Wände rechts und links, säumen Große Fenster. Davor steht jeweils ein U-förmiger Schreibtisch. Erst jetzt fällt mir auf, dass es mit den Schreibtischen 4 U-förmige Elemente gibt. Dieses kleine Detail, macht das Haus nur noch perfekter. Ich liebe es, wenn die Dinge -auch Formen- perfekt aufeinander abgestimmt sind.
Auch sonst sind die Schreibtische gleich. Die gleichen Computer und die gleichen Fächer für Unterlagen. Es ist als wären sie gespiegelt, nur dass auf der linken Seite schon einige Sachen liegen. Gaven folgt meinem Blick.
„Ich habe mir den linken Schreibtisch und das rechte Zimmer ausgesucht. Beide Seiten sind gleich ausgestattet, also könnten wir noch tauschen, wenn du willst.“
Ohne auf meine Antwort zu warten, geht er weiter.
Er öffnet die linke Tür und hält sie mir auf. Vor mir erstreckt sich ein heller offener Raum. Wie im ganzen Haus ist hier dunkles Stäbchenparkett verlegt worden. Die Wände sind Cremefarben, nicht so strahlend weiß wie im Rest des Hauses. Die gegenüberliegende längere Wand, des gut 25m² großen Zimmers, hat eine Große Glastür, die auf einen Balkon führt. Der Balkon erzieht sich nach rechts, sodass ich das Ende nicht sehen kann.
„Den Balkon müssen wir uns teilen, denn er führt zu meinem Zimmer. Bisher habe ich einen Schaukelsessel -oder wie diese Dinger heißen- und so eine Sonneninsel hingestellt. Wenn es dir nicht gefällt, können wir es umtauschen.“
Er reibt sich den Nacken. Ist er etwa nervös? Wegen mir? Darauf deutet auch seine leicht gerötete Gesichtsfarbe hin. Er sieht damit so niedlich aus, dass mir warm ums Herz wird. Er trägt immer noch kein Shirt und mit meiner kurzen Stoffhose und dem Spitzentop, bin ich auch nicht gerade stark bekleidet.
Wir räuspern uns gleichzeitig. Der Moment verfliegt so schnell, wie er gekommen ist.
„Hinter der Tür da links ist das Bad. Es ist nicht riesig, aber Es hat eine Regendusche und eine Badewanne.“
Ich schaue ihn verblüfft an.
„guck es dir gerne an. Ich zieh mir derweil ein Shirt über.“
„ach warum denn? Ist doch viel du warm dafür!“
Ich werfe ihm ein verschmitztes lächeln zu. Wenn er flirten und unangebrachte Witze bringen kann, kann ich das schon lange. Einzig, meine glühenden Wangen verraten mich. Ich hoffe, dass man sie unter meinem Make-up nicht erkennt. Leider ist das meiste von meiner Fondation bereits in der Hitze weggeschmolzen.
Er grinst mich an, in dem Moment weiß ich, dass er es sehen kann
„Bin gleich zurück!“
Sagt er ohne weiter auf meinen Spruch einzugehen.
„Soll das eine Drohung sein?“
„Ein Versprechen.“
Antwortet er schlicht. Noch nie war jemand so immun gegen meine schlechten Sprüche. Er hat sich weder darüber aufgeregt, noch auch nur gezuckt.
Keine Reaktion!
Er verlässt den Raum, auf seine gemächliche Art und gibt mir somit viel Zeit ihm hinterher zu starren. Ich versuche es zu unter-drücken, aber wie von selbst, gleitet mein Blick über seine kräftigen Rücken, bis zu seinem Hintern.
Halleluja!
Noch nie in meinem Leben habe ich einen so perfekten Po gesehen. Seine Schwarze Jeans betont ihn noch dazu perfekt.
An der Tür angekommen dreht er seinen Kopf nochmal zu mir zurück und zwinkert mir zu.
Verdammt! Er hat bemerkt, wie ich auf seinen Hintern gestarrt habe. Ich laufe noch röter an -wenn das überhaupt möglich ist.
Als er außer Sichtweite ist erlange ich wieder die Macht über meinen Körper. Ich öffne die Tür zum Bad. Weiter komme ich nicht. Ich staune nicht schlecht. Hellblaue große Fließen zieren den Boden und kleinere Schwarze die Wände. Trotzdem wirkt das Bad nicht klein, da -ähnlich wie in allen Zimmern- eine Große Fensterfront, den Raum erhellt. Hier gehen die Zwei Fenster die gesamte Wand vom Boden bis zur Decke entlang. Außen sorgt ein halbhohes, dunkles Metallgitter dafür, dass man nicht hinausfallen kann, selbst wenn das Fenster offen ist. Es ist wie das Tor zum Eingang des Hauses mit schönen Schnörkeleien verziert. An den Rändern, sind leicht lichtdurchlässige, graue Vorhänge angebracht, die man zum Beispiel beim Duschen zuziehen kann, um seine Privatsphäre zu haben. Die Armaturen im Bad sind allesamt schwarz und das Waschbecken, sowie die Ränder der Wand-fließen sind mit dunklen Marmorähnlichen Fließen verziert. Das Waschbecken selbst, ist aus hellem Mamor, was einen schönen Kontrast schafft.
Mein Magen fängt an zu Kribbeln. Ich muss mich eigentlich nicht umdrehen um zu wissen, dass Gaven wieder im Raum ist. Mein innerer Radar hat ihn direkt bemerkt.
Trotzdem drehe ich den Kopf zu ihm um.
Er starrt schamlos auf meinen Hintern, wie ich es vorher bei ihm gemacht habe.
„Wer hält es jetzt nicht ohne den anderen aus.“
Sage ich leichthin und zwinkere ihm zu.
„Gefällt dir was du siehst?“
Zitiere ich ihn von vorhin. Er zuckt kaum merklich zusammen und errötet gleichzeitig.
Das Shirt, dass er jetzt trägt ist weiß und umspielt seine Muskeln. Noch dazu ist es nicht ganz blickdicht, sodass ich weiter die Aussicht auf seine Muskeln und die karamellfarbene Haut genießen kann.
Meine Gesichtsfarbe passt sich bestimmt grad der seinen an. Was ein Start! Wenn das so weiter geht, dass wir ständig vor einander erröten, werden das noch ein paar seeeehr lange Jahre, selbst wenn ich nicht hier einziehe.
Kurz darauf tritt dieses unwiderstehliche Grinsen zurück auf sein Gesicht.
„Ich muss doch wissen was mich unter Umständen bald jeden Morgen erwartet. Außerdem lädt so eine Hose…“
Er macht noch einen großen Schritt auf mich zu und deutet mit dem Kinn auf die knallrote Hose, mit den weißen Rändern, die mich irgendwie an Cheerleadern erinnert. Nicht das ich je eine Cheerleaderin war, nur die Hose lässt mich irgendwie daran denken.
„…geradezu dazu ein auf deinen Hintern zu Starren. Gib es zu, die hast du doch mit Absicht angezogen!“
„klar doch! Ich muss doch wissen, was mich erwartet.“
Ich hebe herausfordernd die Brauen. Wie gesagt, was er kann, kann ich schon lange. Wir führen scheinbar dauerhaft einen Schlagabtausch. Diese Mischung aus flirten, sich gegenseitig herausfordern und sich necken, bringt mein Herz ins straucheln. Wenn das immer so weitergeht erleide ich bestimmt bald einen Herzinfarkt. Mein Herz macht das jetzt schon nicht mehr mit.
„Also, was sagst du?“
Er reißt mich aus meinen Gedanken. Wie ertappt, starre ich zu Boden. Warum falle ich ständig in Gedanken an ihn und warum muss er mich ständig dabei erwischen. Ich habe noch nie einen so selbstsicheren Menschen wie ihn getroffen, das brauche ich nicht noch unterstützen, indem ich mich ständig dabei erwischen lasse, wie ich ihn anstarre.
„Wozu?“
Frage ich völlig perplex. Meine Stimme klingt schon wieder so kehlig. Ich schnappe nach Luft und huste einmal kräftig um das loszuwerden. Gavens Mundwinkel zucken verdächtig, doch er kann sich gerade so fangen. Stattdessen dreht er mich ganz zu sich und legt mir eine Hand unters Kinn. Ich spüre den Türrahmen im Rücken. Seine schokoladenbraunen Augen sehen mich ein-dringlich an. Mein Atem geht nur noch Stoßweise. Ich hasse und liebe es zugleich, dass er so eine Wirkung auf mich hat.
Er ist meiner Freiheit unglaublich gefährlich, weil mein Körper ihm schon jetzt gehorcht, aber ich habe mich noch nie so lebendig gefühlt.
„Willst du, Starla Johnson, den Rest deines Uni-Lebens mit mir verbringen, indem du mit mir in diesem Haus lebst?“
Sagt er mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht. Ich möchte antworten, doch meine Stimme gehorcht mir nicht. Stattdessen, beiße ich mir auf die Lippe und nicke ganz leicht.
Sofort lässt er von mir ab und geht zu seinem Schreibtisch. Ich folge ihm wie von Sinnen.
Er nimmt einen Stapel Unterlagen und reicht ihn mir. Bei einem flüchtigen Blick stelle ich fest, dass es Kaufverträge sind.
„Lies die Verträge in Ruhe und lass einen Anwalt darüber schauen. Bis dahin kannst du als ‚Gast‘ bei mir bleiben. Na dann…“
Er hält mir die Hand hin.
„…Willkommen in der Casa de Nester“
Als ich noch kurz zögere, zwinkert er mir zu. Erst jetzt merke ich, dass ich nicht direkt eingeschlagen habe. Zügig reiche ich ihm die Hand. Doch statt sie kurz darauf wieder loszulassen, hält er sie fest. Nur ganz zart, sodass ich sie jeden Moment hätte weg-nehmen können. Aber das will ich gar nicht. Ich starre wie von Sinnen in seine wunderschönen Augen. Er streichelt mit dem Daumen vorsichtig über meinen Handrücken. Ein angenehmer Schauer zieht über meinen Rücken. Mir wird heiß –sehr heiß- aber das kann auch an der Hitze liegen.
Plötzlich, lässt Gaven meine Hand wieder los, und schüttelt kaum merklich den Kopf, als könnte er nicht glauben, was gerade passiert.
„Du kannst deine Sachen, wenn du willst noch heute hierherholen. Gib die Papiere an deinen Anwalt weiter. Ich hätte sie gerne bis Ende, der nächsten Woche.“
Mit diesen Worten verschwindet er nach unten. Jedoch nicht in seiner sonst so gemütlichen Art, sondern schnellen Schrittes.
Er gibt mir keine Chance, noch was zu Fragen. Dabei brennt mir die Frage so auf der Zunge.
‚Wie kann es sein, dass so ein tolles Haus, mit dieser Einrichtung, so günstig ist?‘
Jedoch habe ich das Gefühl, dass er mir die Frage nicht beantworten will.
Es schien ihm unangenehm nur im Ansatz darüber zu Reden. Das macht mich fast noch neugieriger auf die Antwort.
 
„Die muss ich haben!“
Luna grinst mich über unsere Einkaufskörbe hinweg an. Sie hält eine rot-karierte Lampe in die Höhe.
Ich verziehe das Gesicht.
„Dein Zimmer sieht am Ende aus, wie von einer alten, spießigen Buchhalterin oder Detektivin!“
Ich rümpfe die Nase.
„dann mach ich alles richtig, denn genauso soll es am Ende auch aussehen.“
Sie zwinkert mir verschwörerisch zu.
„ich glaube dafür hast du jetzt alles oder fehlt noch was?“
„Ich habe alles und du?“
„Ich auch, ich muss nur noch den Express-Lieferschein für die Möbel unterschreiben. Erklärst du mir jetzt endlich, warum ich so genau mitschreiben musste, was das alles kostet und auch Kleingeld mitnehmen sollte?“
„Klar!“
Meine Freundin grinst mir verschwörerisch zu.
„Gib mir die Liste! Ich rechne durch, wie viel dein Einkauf kostet und gehe schonmal an die Kasse und zahle. Bevor du fragst deinen Einkaufswagen nimmt Miguel. Er arbeitet hier. Er dürfte jeden Moment kommen. Zieh endlich ab und unterschreib den Lieferschein. Ich habe alles perfekt durchgeplant, wie immer!“
Sie zwinkert mir zu. Luna plant immer alles, bis ins kleinste Detail. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich lass die Dinge lieber auf mich zukommen. Sie ist aber auch einfach perfekt im planen. Ihr Perfektionismus spiegelt sich aber nicht nur beim planen wieder, sondern auch bei ihrem Aussehen wieder. Ihre kurzen braunen Haare sind Perfekt nach hinten gegellt, und ihr Make-up ist natürlich, frisch und sitzt perfekt.
Neben ihr komme ich mir mit meinen Kühl blondierten Po-langen Haaren, die sich in einem hohen Zopf locken und dem kräftigen Eyeliner, wie ein schwarzes Schaf vor. Außerdem war mein Make-up schon bei der Hausbesichtigung, heute Vormittag schon am Schmelzen.
„Du bist ein Freak und ich liebe dich!“
Sage ich schließlich, umarme sie noch einmal, gebe ihr das Geld und verschwinde in Richtung Lieferstation.
 
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