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2 Seiten

Blasphemie

Amüsantes/Satirisches · Experimentelles
Traurig sah er auf sein Heer herab. Die treuesten seiner Gefolgsleute waren gekommen: Da waren Gabriel, Michael, Simon; und sogar Thomas, der das alles noch immer nicht ganz glauben wollte, war gekommen. Es waren viele tausend Mann, aber er zweifelte stark an einem Sieg. Er sah Angst in den Augen seiner Soldaten. Es war einst das Heer der Liebe gewesen, doch anstatt Freude, hatte sich Unbehagen in die Herzen der Leute geschlichen. Er wünschte ihnen den Sieg, doch das einzige was er ihnen geben konnte, war Hoffnung. Nicht die Hoffnung es könnte wieder so sein wie früher, aber die Hoffnung es könnte so sein, als wäre nie etwas geschehen.
Sein Sohn führte das Heer mit blutigen Händen. Er war wahrlich Leid gewohnt, hatte er doch sein ganzes Leben lang das selbe Kreuz zu tragen gehabt, doch den Krieg traute er ihn nicht zu. Doch er war es, der einst seinen Vater überredet hatte: „Wir müssen uns wehren. Wir haben lange genug zugesehen wie uns das Schicksal schlägt. Jetzt müssen wir zuschlagen, oder alles ist verloren! Oder glaubst du nicht mehr an uns beide?“
„Mein Sohn, das wäre dann wohl die größte Blasphemie!“, hatte er kühl geantwortet. Er hielt es damals für den Scherz des Jahrmillionstel, doch sein Sohn fand es nicht so lustig. Er drehte sich um und verschwand. Diese Geste ließ ihm sein eigenes Greisentum bewusst werden. Er war nicht alt! Für jemanden, der von sich selbst behauptete er wäre unsterblich gab es kein Alter. Aber er war trotz allem greise geworden. Und er war verwirrt. Oft saß er lange Zeit in seinem goldenen Thron und sprach kein Wort. Er stieg nicht mehr herab zu seinem Volke und zauberte ein wenig mit Feuer und Heuschrecken – übrigens noch immer seine Lieblingshaustiere! Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn er all das nicht mehr beobachten musste. Doch wie würde das aussehen? Wie eine feige Aktion!
Er hatte einst Lämmer geboren, doch hatte er mehr Schlangen großgezogen, als tapfere Böcke. Er hatte ihnen – dummerweise - den Fortschritt gegeben, doch als der Fortschritt fortschritt, schritt er selbst aus den Herzen der Fortgeschrittenen fort. Und so verlor er langsam die Kontrolle.
Doch was nützt all das Klagen? Er stand vor dem Krieg. Ein Krieg mit seinem eigenen Geiste, der einst kopfüber in eine Grube voll alter Äste gefallen war. Er wäre der 999. gewesen, doch lesen war nie seine Stärke. Und als er so fiel – oder besser gesagt: gefallen wurde – musste etwas in seinem Kopf nicht mehr richtig funktioniert haben. Vielleicht fühlte er sich auch nur ausgestoßen. Vielleicht hatte er den Ödipuskomplex nie wirklich überwunden und stellte sich deshalb gegen ihn. Wer weiß das schon? Sicher war, dass er all die Schlangen mobilisiert hatte und nun zum Stoß ansetzte. Und der Biss der Schlange ist giftig...
Wieder ließ er sein Auge wandern. Er schickte es auf eine Reise über die Köpfe seiner Soldaten, seiner Armee. Er sah Leutnant Samuel, Zugsführer Josef und Gefreite Theresa, die sonst eigentlich immer eine liebevolle Mutter gewesen war, doch nun drauf und dran war alles zu geben um einen Sieg zu erringen. Es ging ums überleben, doch da die meisten seiner Leute das Leben schon hinter sich hatten, ging es eigentlich nur noch über.
Es stieg ihm praktisch über`n Kopf. Derweil wollte er gar nicht Politiker werden. Er hatte es immer gehasst: Das Hierarchie-Blabla, das Glaubens-BlaBla und das WievielSteuernmussichzahlemumeinguterChristzuwerden-BlaBla. Er wollte das alles nicht. Er wollte seinen Menschen zeigen, wie man ein guter Mensch wird. Ein bisschen Pfadfinder spielen, ein bisschen zeigen wie man in der Wüste überlebt, wie man übers Rote Meer geht...
Alles andere war nicht in seinem Sinne gewesen: Hexenverbrennung, Kreuzzüge, Deutschen HipHop... Aber er war wohl zu nachsichtig, zu „gütig“ mit den Tätern und vergaß dabei die Opfer zu schützen. Aber sie haben sich ja noch immer alle selbst geholfen. Verdammt! Leider haben sie das getan.
Nun war alles außer Kontrolle.
Dunkle Wolken zogen über den Horizont auf und der böse böse Feind ritt mit seinem bösen Pferd und seinem bösen Schwert, gegen die Guten. Die mit den guten Schwertern.
„Der Krieg wird wohl gleich beginnen!“, schrie er hinunter auf sein Heer, doch sein Heer war längst dem Bösen entgegengeritten.
 
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Kommentare  

Klasse!
Sehr schöne Wortspielerein und Überlegungen verpckt in witziger Form.
Gefällt ungemein, vor allem der Part mit dem deutschen Hip Hop *g*
5 Punkte


Drachenlord (06.03.2003)

Ja, ziemlich witzig und eigendynamisch. Gefällt mir! 5 Punkte

Chris (29.01.2003)

Hi Peter,diese Geschichte solltest du mal zum Vatikan schicken.Da gibt es auch einen alten und in manchen Dingen weltfremden Mann.
Der Alte im Vatikan würde auch aus seinem Thron kippen.
Die lieb geschriebenen,bösen Worte und Anspielungen gefallen mir sehr gut.
5 Punkte


Wolzenburg-Grubnezlow (29.03.2002)

Tut, mir leid, hab mir selbst eine Stimme gegeben... Bin neu hier und kenne mich dementsprechend gut aus....

Naja, was muss man eigentlich machen um gelesen zu werden. Vielleicht gibt es ja ein paar Tipps.

Schöne Grüße aus Wien, Peter Hrubi


Peter Hrubi (01.02.2002)

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