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3 Seiten

Bezeichnend.

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
Surrend arbeitet die Kaffeemaschine zu der ich wie immer in unangenehmer Nähe sitze. "Na, wenigstens jemand der etwas zu tun hat" denke ich bissig und entfalte seufzend zum dritten Mal in diesen Stunden die zartrosa Blätter meines Karriere-Standards. "Weniger könnte das gleichfarbige Cosy-Toilettpapier auch nicht für mich bereithalten" lebe ich meinen erworbenen Pessimismus gedanklich aus, während ich meine lesenden Augen pflichtbewußt weiterbemühe. Diese halten auf einem sauber gerahmten Stelleninserat. Könnte vom Layout her auch eine Todesanzeige sein - wie war das noch mit dem Pessimismus? Nein, auf diesen Seiten steht nicht wer uns in die ewige Heimat (sind das dort Kategorie-A-Wohnunen?) vorausgegangen ist, sondern daß ein Froschmanager dringend gesucht würde. Ohne ganz zu verstehen schließe ich messerscharf daß hier nicht mein Qualifikationsbereich angesprochen wird.
"Noch eine Melange bitte!" versuche ich mir innerhalb der scheinbar sorglos schwatzenden bunten Menge an samstagvormittäglichen Kaffeehausbesuchern Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der giftige Blick der Kellnerin verleiht mir die angenehme Gewißheit erhört worden zu sein.
Ich finde dann doch noch heraus daß ein Froschmanager einer ist der die Aktion Krötenwanderung einer engagierten Gruppe von Tierschützern koordinieren soll, quasi also das Einvernehmen zwischen den Fröschen und den Froschlotsen herstellt.
Froschmanager. Management ist in. Ich erinnere mich an den Moment als ich unter hysterischem Gelächter wegen einer achtlos vergessenen Visitenkarte herausfand daß unser Hausmeister, der schon mit seiner Leibesfülle jeglicher Leichtlebigkeit trotzt, in Wahrheit unter der Bezeichnung "Facility Manager" sein regloses Dasein fristet. Ein wahrer Euphemismus wenn man sein Tätigkeitsprofil kennt, das relativ schnell nach dem schwerfällig erledigten wöchentlichen Auffüllen des Getränkeautomaten abreißt. Diversen anfallenden Wartungsarbeiten begegnet er dafür angemessen durch Schauen. Und durch Warten vor allem. Individuelle Anfragen auf Mängelbehebung lösen ein automatisiertes "Heans wie stöns eana denn des vur?!" nach der zweiten Favoritner Lautverschiebung aus. Und spätestens in diesem Moment wird klar, daß der Herr Facility Manager sein Tätigkeitsfeld ebensowenig auszusprechen wie auszuüben versteht.
Ich überlege mir meine Melange zu urgieren, und entscheide mich dagegen. Schließlich bin ich nicht einmal ein Steuerzahler. Und die Kellnerin ist ohnehin gerade damit beschäftigt jemanden zu organisieren der ein soeben mit erfrischendem Klirren zerbrochenes Cocktailglas bestatten soll. Wer hat diese Kompetenz noch? Es gibt schließlich keine Putzfrauen mehr. Zumindest nicht in modernen Unternehmen, weil dort sind die mit Besen und Wischtuch ausgestatteten Arbeiterinnen mit dem slawischen Akzent jetzt "Cleaning Manager".
Eine uralte Frau bemüht sich das Lokal zu verlassen. Ich schlürfe an der Melange die irgendwann doch überschwappend vor mir auf den Tisch geknallt worden ist und denke darüber nach ob die Scheidende sich auf den Weg in eine Senioren-Residenz macht. Jetzt, wo es keine Altersheime mehr gibt.
Vielleicht liegt die Stagnation innerhalb meiner vielschichtig verlaufenen Karriere an meiner mangelnden textlichen Schönfärbeambtion. So mancher semilukrative Nebenjob wurde vorschnell vergessen, obwohl sich der kreative Tätigkeitsraum doch immerhin imposant zwischen Kopieren, Aktenschlichten und Wurstsemmelnkaufen aufgespannt hat. Mit anderen Worten und einer Portion zeitgemäßer Bezeichnungskorrektur hat der Job also jedem Unternehmen potentiell nützliche Erfahrung in laserbasierter Vervielfältigung, Archivierungstechnik und Mitarbeitermotivation gebracht.
Der Bernhardiner unter meinem Nebentisch bemüht sich geräuschvoll um eine Lageänderung und um die Aufmerksamkeit seines verbissen kreuzworträtsellösenden Besitzers und ich wünsche mir seine Sorgen zu haben. Wobei mir in diesem Moment selbst nicht ganz klar ist an wen der beiden ich eigentlich denke.
Das größte Inserat der letzten Seite verspricht gute Aufstiegschancen für eine junge Sekretärin. Ich werde wachsam für den Sprachgebrauch der Arbeitsmarktschreier. Vielleicht ist das mit dem Aufstieg räumlich zu verstehen. So nach dem Motto "Später Büro im siebten Stock möglich".
Bevor ich endgültig genug von der Materie habe lasse ich ein typisches Geranien-Schwiegertöchter-Krankheitengespräch der Damenrunde hinter mir über mich ergehen. Ich erfahre zum Glück noch schnell daß der eine Sohn Universitätsdozent ist. Und der andere hat eine Position in der er 218 Leute unter sich hat. Unter sich, na klar. Ich unterdrücke den Impuls mich umzudrehen und zu fragen ob es sich hier vielleicht um einen Friedhofsgärtner handelt.
"Zahlen bitte!" entfährt mir zum dritten mal und mit wachsender Bestimmtheit. Die Kellnerin hier mißbraucht ihr Grundrecht auf Ignoranz gewaltig. Aber die kann sich das leisten. Die ist jetzt sicher schon Häferl-Manager.


 
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Kommentare  

Bravo, bravo

Robert Zobel (26.01.2007)

Erst mal kopiere ich jetzt SabineB exakt:
Etwas kompliziert zu lesen, aber das ist eine gute sarkastische Darstellung der neuen Trendbezeichnungen! Gelungen!

Ja und dann noch:
Diese nervigen Anglizismen! Schön, dass du beides so genial auf die Schippe genommen hast.
Daumen hoch!!!


Stefan Steinmetz (20.08.2006)

Einfach köstlich! Du hast äußerst umfassenden Wortschatz und schaffst es, die Dinge mit einer gehörigen Portion Sarkasmus auf den Punkt zu bringen. Ich würde dir sechs Punkte dafür geben.

Tom (13.04.2004)

Eine genial - sarkastische Idee einwandfrei umgesetzt. Ich hätte ewig weiterlesen können...

Jingizu (29.01.2002)

Hi Sabine, laß Dich nicht beirren!Das ist das allercoolste, was ich bis jetzt auf dieser Seite gefunden habe!Noch ein wenig an der Interpunktion gefeilt - zack, und das Ganze ist perfekt. Man soll zwar, so heißt es immer, möglichst auf Fremdwörter verzichten, aber ich hoffe, daß wir uns dahingehend einig sind, daß auf diese Regel gepfiffen werden kann.

Jan (14.06.2001)

Etwas kompliziert zu lesen, aber das ist eine sehr gute sarkastische Darstellung der neuen Trendbezeichnungen! Gelungen!

SabineB (23.05.2001)

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