3


5 Seiten

eine weihnachtsgeschichte

Kurzgeschichten · Winter/Weihnachten/Silvester · Für Kinder
Weihnachtsmärchen und ein Punsch,
Ski und Rodel und ein Wunsch,
Stern an Katers schwarzem Schweif,
Der ist für die Insel reif,
Nimm noch einen starken Schluck,
Dann in die Geschichte guck.


Die Ente und der Schneekönig

Das Eis knackte und knarrte und die Dämmerung legte sich über die ruhige Winterlandschaft, als plötzlich eine Ente auftauchte. Sie watschelte langsam und konzentriert über den zugefrorenen Teich.
Ein wenig verloren wirkte sie, ja ein wenig sonderlich. Einen Esel hätte man vielleicht gerade noch akzeptiert, einen, der auf der Suche nach seinem Stall war. Denn es war gerade Weihnachtszeit, und das hätte so einigermaßen gepasst.
Aber eine Ente?
Die war jedoch guter Dinge, denn sie hatte einen Plan im Kopf, den es zu verwirklichen galt. Natürlich war es für sie schwierig genug auf der spiegelglatten Eisdecke das Gleichgewicht zu halten, und noch schwerer fiel es ihr, eine Flosse vor die andere zu setzen, ohne dabei umzufallen. Aber sie war geschickt, unsere Ente, und weil sie eine richtige Ente war, bekam sie selbst ohne Stiefel keine kalten Füße.
Sie kam vom Bauernhof und ihr Ziel war das gegenüberliegende Ufer. Dort solle ein Schneemann stehen. Das besondere an ihm wäre, dass er keinen Hut, sondern eine Eiskrone am Kopf trug, daher werde er auch Schneekönig genannt. Er sei aber sehr traurig, weil er eines seiner Kohlenaugen verloren hätte. So wurde es am Hof unter den Tieren erzählt. Diesen Schneemann wollte sie besuchen. Und sie wollte etwas Gutes tun, denn erstens war sie eine brave Ente und zweitens war ja Weihnachten. Was lag da näher, als dem einäugigen Schneemann zu einem neuen Auge zu verhelfen?
Mutterentenseelenallein war unsere Ente unterwegs. Ein wenig nagten Zweifel an ihr. Zwar war sie überzeugt, dass es gut war, dem Schneemann zu helfen. Aber wenn sie ganz genau darüber nachdachte, so wusste sie nicht, wie sie denn das Auge ersetzen sollte. Sie hatte doch gar keines mitgenommen.
Bevor sie sich auf den Weg gemacht hatte, hatte die Ente ein paar ihrer Kollegen gefragt, ob sie nicht gemeinsam zum Schneemann gehen sollten.
Doch die hatten nur den Kopf geschüttelt und verächtlich geschnattert. (Unter Enten ist es noch mehr als unter Menschen verpönt, den Vogel zu zeigen). Die lieben Entenkollegen hatten es sich vernünftigerweise im warmen Stall bequem gemacht und wie immer schon zu Weihnachten das neue Jahr gefeiert. Warum? Nun ja, jedes Jahr mussten sie gerade zur Weihnachtszeit um ihr Leben bangen, ihr wisst schon, Festtagsbraten und so. Wenn sie also die Feiertage lebendig überstanden hatten, kehrte wieder Freude in das Entenhaus ein. Das Leben konnte wenigstens eine Weile wieder normal weitergehen. Sicher, es würde ein nächstes Fest geben mit vergleichbaren Gefahren. Aber bis dahin würde noch viel Zeit vergehen. Und diese Zeit wollten die Enten in aller Gemütlichkeit genießen.
Unsere Ente wollte aber nicht so leben wie die anderen. Unsere Ente wollte ihr Entendasein nicht mit Warten verbringen.
Sie wollte ihr Leben erleben.
Und so eine Kohleaugenrettungsaktion, das klang irgendwie viel versprechend.
Also war sie losgezogen.
Als sie ungefähr die Mitte des Sees erreicht hatte geschah etwas Seltsames. Sie verspürte den unbändigen Drang, zu niesen. Es kitzelte in ihrem Entenschnabel. Der Drang wurde immer stärker und stärker, und tatsächlich, sie fing an zu niesen, sehr, sehr kräftig zu niesen.
Es ist nicht oft, dass Enten niesen müssen, denn wie wir schon gesagt haben, Enten können keine kalten Füße bekommen und verkühlen sich daher auch nie. Wenn Enten niesen, dann nur, weil sie auf etwas allergisch sind.
Unsere Ente war auf Zimt allergisch. Wie es dazu gekommen war? Nun ja, das war eine lustige Geschichte. Erwachsene Enten essen ja bekanntlich Schnecken, und sie lernen das als Küken in der Entenschule. Auch unsere Ente hat es gelernt, aber sie hatte da etwas missverstanden. Während sich die anderen Küken im Garten auf Schneckensuche machten, war sie – ein kleiner Neugierschnabel - in die Küche des Bauernhofs eingedrungen, um dort eine Zimtschnecke zu verschnabulieren, die die Bäuerin vom Bäcker für ihre Kinder nach Hause gebracht hatte. Das war damals eine Aufregung! Die Bäuerin hatte recht geschimpft, aber die Kinder hatten ihre Freude über das gescheite Tier und fütterten das Entenküken weiterhin mit Zimtschneckenbröseln. Aber nur ein paar Wochen lang. Denn dann fing die Ente nach der Mahlzeit heftig an zu niesen, denn sie war allergisch auf den Zimt in den Schnecken geworden. So also ist unsere Ente auf Zimt allergisch geworden und seit damals fraß sie nur mehr Gartenschnecken.
Und jetzt, mitten auf dem See, musste sie plötzlich wieder niesen! Weil Enten sich beim Niesen keine Hand vorhalten können, blasen sie dabei ganz schön kräftig nach vorne. Wenn sie dann aber noch auf spiegelglattem Eise steht, dann könnt ihr Euch gut vorstellen, wie sie der Rückstoß zurück wirft.
Das passierte auch unserer Ente. Zuerst zog sie die Entenschultern hoch, die schneeweißen Federn hoben sich, bis sie zur doppelten Größe anwuchs, dann ertönte ein lautes „Haaaaaatschiiiiuuuuuaahhhhh“, und schon schlitterte sie rücklings über die rutschige Eisfläche. Ein außenstehender Beobachter des Geschehens hätte meinen können, hier würde eine Nachwuchs-Eiskunstläuferin von einem überdimensionalen Staubsauger angesaugt. Mit zerzaustem Federkleid landete die Ente auf ihrem Bürzel. Nachdem sie sich einigermaßen verdutzt wieder hochgerappelt hatte, schüttelte sie den Kopf. Der Niesreiz war weg. Sie konnte sich den Vorfall nicht erklären und beschloss, einfach so zu tun, als ob nichts geschehen wäre. Und es ging schon wieder vorwärts. Watschelschritt für Watschelschritt, was ja, wir haben es schon gesagt, auf dem Eis nicht einfach ist.
Aber halt, da war schon wieder dieses Jucken in der Nase und - „Haaaaaatschiiiiiuuuuuuaaaaahhh!!!“, schon wieder katapultierte sie der Druck des Nasen-Luftstroms um fünf Meter in Richtung Ufer; - doch leider nicht an das andere Ende des Teiches, sondern dorthin, wo sie ihren Marsch gestartet hatte.
Unsere kleine Ente konnte nicht wissen, dass es einen Grund für das Niesen gab: Denn genau dort, wo die Ente nun schon wieder hin watschelte, auf der Mitte des Eises, lag ein großer Zimtstern. Ein Zimtstern, der vom Himmel heruntergefallen war. Ihr müsst wissen, die im Himmel droben feiern natürlich auch Weihnachten. Aber da oben werden keine Kerzen auf den Christbaum gesteckt und Kugeln aufgehängt, das tun nur die Menschen herunten auf der Erde. Nein die da oben, die stecken Sterne auf den Himmelschristbaum. Keine ganzen Sterne natürlich, die wären zu groß, sondern kleine, leuchtende Sternensplitter. Manchmal, in klaren Nächten, kann man diese Splitter auch als Sternschnuppen von der Erde aus sehen. Bevor sie aber auf den Weihnachtsbaum kommen, werden die Sternensplitter in eine Zimtwolke getaucht, denn dann duften sie angenehm und verbreiten einen angenehmen weihnachtlichen Geruch.
Ja, und wie manchmal bei uns Menschen eine Christbaumkugel vom Baum fallen kann, weil die Christbaumschmücker die Kugel an die äußerste Zweigspitze gehängt hat und der Haken so nach einigen Tagen langsam aber stetig immer weiterrutscht und der Schmuck letztendlich mit leisem Klirren auf dem Boden zerschellt, so löst sich auch manchmal ein Zimtsternsplitter vom himmlischen Christbaum.
Und hier war einer auf den vereisten See gefallen, lag dort und löste schon wieder einen heftigen Niesreiz bei der Ente aus, die sich jetzt zum dritten Mal genähert hatte, mit furchterregendem Getöse explodierte und wieder ein ganzes Stück zurück gestoßen wurde.
Aber das letzte Niesen hatte doch etwas Gutes gehabt. So heftig hatte die Ente geniest, dass sich der Zimtstaub vom Sternensplitter löste und in alle Himmelsrichtungen davon stob. Als also die Ente dann den vierten Versuch unternahm, zur Mitte des Sees vorzustoßen, gelang ihr das ohne Mühe. Und sie fand den Sternsplitter, der von einem matten Goldschimmer überzogen war und auf dessen Zacken Schneekristalle glitzerten.
Da dachte die Ente bei sich, dass es zwar beschwerlich gewesen war, bis hierher zu kommen, aber dass sie sozusagen als Ausgleich ein wunderbar passendes Auge für den Schneemann gefunden hatte. Und sie steckte den Stern tief in ihr Federkleid, setzte ihren Weg fort und gelangte ohne weitere Verzögerungen zum Schneemann. Der war wirklich ein Schneekönig. Denn erstens trug er die Krone aus Eis auf dem Kopf, und zweitens: Obwohl er nur mit einem Kohlenauge über den großen Teich schauen konnte, stand er voll Würde da. Und drittens hatte er ausgezeichnete Manieren und bediente sich einer gewählten Sprache.
Er lächelte milde, als er die Ente daherwatscheln sah.
„Sei gegrüßt, liebste Ente“, sagte er, und neigte den Schneekugelkopf in Richtung Ente.
Diese wiederum sprudelte vor Glück: „Ich habe von deinem Unglück mit dem Auge gehört, lieber Schneemann, und ich wollte dir helfen und da hab ich dann meine Entenschar gefragt, aber sie wollten nur im warmen Stall vor sich hin schnattern, so hab` ich mich allein auf den Weg über den Ententeich gemacht, um dir zu helfen…!“
„Ach, mir kann niemand helfen, Kohlen gibt es fast nicht mehr. Die Menschen bei uns heizen zu Hause mit diesen neuen Heizkörpern, eklektisch, oder wie immer das auch heißt, oder mit Gas. Und weil niemand mehr Kohlen im Haus hat, werde ich auch kein neues Auge bekommen können.“
„Lieber Schneemann, lieber Schneemann, ich habe die Lösung! Hier! Diesen Stern! Von der Mitte des Teichs!“ und schwups – flatterte die Ente vor das Gesicht des Schneemanns –und schwups – war die Operation beendet und der Sternsplitter leuchtete matt aus dem runden Schneekugelkopf. Natürlich musste man sich an so einen Anblick erst gewöhnen, dass ein Schneemann nämlich ein Kohlenauge und ein Sternenauge besitzt. Aber das ist so wie bei den Menschen: Wenn man genau schaut sind auch die zwei Augen einer Person nie ganz genau gleich. Bei manchen Augenpaaren sind die Unterschiede sogar sehr groß, ja es gibt Menschen mit einem grünen und einem blauen Auge. Es ist am Anfang ganz seltsam, wenn man ihnen in die Augen blickt. Doch nach einiger Zeit hat man sich daran gewöhnt.
Dem Schneemann wurde warm ums Herz, weil er so reichlich beschenkt worden war und er hatte das Gefühl, mit dem neuen Auge viel besser zu sehen als je zuvor.
„Ich danke dir, meine kleine Freundin“, stammelte er, und weil ein so vornehmer Herr manchmal Schwierigkeiten hat, sich ordentlich zu bedanken tat er das fast verschämt. Die Ente aber war glücklich und zufrieden. Sie bildete sich sogar ein, dass das neue Auge des Schneemanns tatsächlich ein wenig funkelte. Sie dachte, es leuchtete, weil sich der Schneemann so freute wie eben ein Schneekönig. Aber wahrscheinlich war da ein bisschen Sterngefunkel auch noch dabei.
Jedenfalls kehrte sie zufrieden heim, und verbrachte noch eine schöne Weihnachtswoche.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Vielleicht ein kleiner Tip: sollte dem Schneemann nicht eher so "wohltuend kalt" ums Herz werden?

Sofi Díaz (01.05.2006)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
verzweiflung  
die frage  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De