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3 Seiten

Das Geschenk

Trauriges · Kurzgeschichten
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Sie "kannten" sich schon so unendlich lange - ihre Freundschaft überdauerte alle anderen "Bekanntschaften" die man so in irgendwelchen Chaträumen machen kann. Vom ersten Moment an waren sie fasziniert von einander gewesen, von dem Gefühl immer zu wissen, was der andere meint. Das es nur weniger Worte bedurfte und man merkte, dass man über die selben Dinge lachen kann, das man die selben Ansichten hat und oft auch gleichzeitig die selben Ideen. Er wohnte so weit weg von ihr und deshalb zog sie es niemals in Erwägung, dass "mehr" aus ihnen werden könnte. Zudem er erwähnte, dass er in einer "glücklichen" Beziehung ist. Aber warum, warum nur war er jeden Abend wieder da?? Warum hielt er sie so oft davon ab, schlafen zu gehen? Warum schlugen sie sich die Nächte um die Ohren?? Wann sieht er jemals seine Freundin?? Er kam von der Arbeit und schmiss den PC an - das wusste sie genau. Er schrieb ihr SMS, wenn er länger arbeiten musste, er fand ihre Handynummer von ganz allein heraus. Warum machte er sich diese Mühe? Sie verstand es nicht. Sie grübelte herum - aber sie fand keine Antwort dadrauf. Eines abends wurde es einem anderen Chat-Teilnehmer zu bunt, er merkte wie sehr diese beiden Leuten voneinander fasziniert waren und meinte, dass sich die beiden eine Web-Cam zulegen sollten, den Rest würde er am nächsten Abend erklären. Mit nur wenig Aufwand war es dann endlich so weit - sie kannten sich zwar von Fotos, aber Bilder sind irgendwie etwas "totes und ungreifbares" - so kalt. Nur noch wenige Sekunden und sie würden sich endlich sehen können. Aufgeregt war sie und dann sah sie ihn. Wenn ihr auch schon sein Bild so sehr gefiel, dass was sie nun sah verschlug ihr die Sprache. Stundenlang saßen sie da und schauten sich in die Augen. Schrieben nur ganz wenig... Die nächsten Wochen, Abend für Abend das selbe Spiel. "Du schaust traurig" meinte sie eines Abends zu ihm. Und er schrieb ihr zurück, dass er nicht traurig sei. Sie dachte nach, so viele Stunden hatten sie sich jetzt gesehen, wo war sie nur?? Seine Freundin?? Wie glücklich ist ein Mensch, der immerzu arbeitet, arbeitet, arbeitet und dann Heim kommt und mit seinem Abendbrot vor dem PC sitzt? Sie verstand es nicht. Am nächsten Tag, war sie überrascht, er machte die Webcam nicht an. Er schrieb ihr, dass sie doch gestern gesagt hätte, dass er traurig sei. Und dann sprudelte es auch ihm heraus, wie unglücklich seine Beziehung ist, welch finanziellen Belastungen er ausgeliefert ist. Das er nicht mehr kann, dass er einfach nicht mehr kann. Das sein Leben keinen Sinn mehr hat - stundenlang erzählte er ihr bis ins kleinste Detail, was bisher in seinem Leben alles schief gelaufen ist. Und sie saß vor dem PC und weinte. Und er weinte auch. Es tat ihm so leid, er wollte sie nicht belasten. Aber sie war froh, dass er endlich die Wahrheit rausgelassen hatte, sie fühlte sich nur so unendlich hilflos, es gab nichts, was sie hätte tun können um ihm zu helfen. Die Zeit verging und sie legten sich ein Mikrofon zu - schön wars, seine Stimme zu hören, auch wenn sie oft mit seinem Dialekt haderte. Sie erzählten sich alles, sie hatten keine Geheimnisse mehr voreinander. Und eines Tages, als sie noch etwas in ihrem Leben regeln musste und sich für einen Tag von ihm verabschiedete, wartete er auf sie. Die ganze Nacht über, war er auf geblieben um da zu sein, wenn sie Heim kam. Das Band zwischen ihnen wurde täglich enger. Es machte sie glücklich und erfüllte sie zugleich mit tiefer Traurigkeit. Es war so ein unbeschreibliches Gefühl. Das ist der Mann, der für dich bestimmt ist - der genauso denkt und fühlt wie du und der der Welt da draussen genau das selbe Gesicht zeigt, wie du und doch - du wirst ihn nie für dich haben. Und zugleich war sie froh, dass es diesen Menschen gab. Und dann stand sein Geburtstag vor der Tür. Wie oft hatten sie rumgeflaxt über diesen Tag, an dem sie beide "gleich alt" sein würden. Sie war müde und doch - sie blieb auf. Sie war traurig, sie konnte ihm nichts wirkliches schenken - außer einem Gedicht und einem Bild, was sie mit ganz viel Sorgfalt ausgewählt hatte. Aber es war nichts Besonderes, sie machten sich oft gegenseitig diese Geschenke. Bilder, Gedichte, Musiksstücke, die dem anderen gefallen könnten. Die Stunden vergingen, es war kurz vor 0 Uhr und die ersten anderen Gratulanten aus ihrem ehemaligem Chatraum schickten ihre Glückwünsche. Dort waren sie lange nicht mehr gewesen, meist waren sie "allein" und genügten sich selbst. Er lachte, als er ihr erzählte, dass jemand fragte, ob er der erste Gratulant sei und er verneinte und sagte: "Nina ist schon lange bei mir und hat auch als erste gratuliert". Das hatte den guten Menschen so sehr verwirrt, das er fragte: "Wie bei dir?? Du bist nicht allein??" Und er antwortete: "Nein ich bin nicht allein, Nina ist immer bei mir!" Sie lachten beide und stellten sich vor, was die anderen nun denken mögen. Sie sagte ihm, dass sie traurig ist, dass sie ihm nichts wirklichliches schenken kann. Und er lächelte und sagte: "Du schenkst mir jeden Tag so viel, aber wenn ich einen Wunsch frei hätte, ich wüsste etwas, was du mir schenken könntest, auch wenn du nicht bei mir bist" Sie überlegte kurz und sie wusste genau, was er meinte. Zu oft knisterte die Luft zwischen ihnen beiden, als wenn sie da nicht von allein drauf gekommen wäre. Sie lächelte wissend und flüsterte ihm zu: "Es ist an der Zeit dein Geschenk "auszupacken"". Sie sah ihn glücklich lächeln und sie wusste, dass es richtig ist, was sie tat. Langsam zog sie ihren Pullover aus, ihr T-Shirt, sie wartete eine Weile, bis er es nicht mehr aushielt und mehr sehen wollte....
Hinterher saßen sie beide da und schwiegen. Auch da waren sie sich einig und er sagte zur ihr: Das sind die schönsten Minuten im Leben, einfach nur geniessen und schweigen. Sie lächelten sich an und er sagte ihr, dass es das schönste Geburtstagsgeschenk war, was er jemals in seinem Leben bekommen hat.
 
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