6


6 Seiten

Der indische Geheimagent Hisarel

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Als Geheimagent muss man Mumm in den Knochen, Knochen im Körper und einen Körper besitzen. Wunderbar, wenn man dazu auch noch alle Sinnesorgane; Augen, Haut, Ohren, Mund und Penis am rechten Platz hat.

Wobei ich kann mich da an einen Kollegen aus Indien erinnern, dessen Mutter in der Schwangerschaft in einer Teppichfärberei gearbeitet hat und durch die giftigen Dämpfe geschah es, dass er mit einem Auge im Nasenloch groß wurde.
Anstelle seines rechten fehlenden Auges gab es eine Stelle aus der Nasenhaare wuchsen.
Als er 20 Jahre alt war ließ der indische Geheimdienst diese Stelle ausbohren und ein Knopfauge draufsetzen. Das hatte der Geheimdienstchef im Kinderzimmer seiner Tochter gefunden und dabei gleich an Hischaghash Hisarel gedacht.
Von da ab war er mit Sonnenbrille überall einsetzbar. Gegner hatten keine Chance ihm die Augen zuzuhalten und auch ein gebundener Augenschal erwies keine Wirkung.
Nur wenige Menschen wissen um seine Fähigkeit. Ich darf mich zu einem von diesen Eingeweihten zählen und bin darauf sehr stolz. Er hat viele Begabungen. Nicht nur das mit dem Auge ist ein Grund seiner Tätigkeit für die Regierung und ich durfte seinen wachen Intellekt einmal genießen. Eine ganze Woche lang.

Im Jahre 1988 fuhren 30 Mitarbeiter meiner Abteilung zum Geheimagentenaustausch. Wir nahmen einen Bus nach Indien und feierten die ganze Fahrt über wilde Partys. Gut das wir die Drogen mithatten mit denen wir Leuten die Zunge lösen konnten. Dem Heinz Glore entfuhr auf einmal dass er führ den KGB arbeiten würde, aber das ging im Rausch unter. Und die M.L. Zuckenjohn hat sogar nackt auf dem Autodach getanzt und ist dabei in der DDR hängen geblieben. Sie kam erst ein Jahr später wieder und besuchte uns nachdem sie ihr Begrüßungsgeld geholt hatte.


Nach ungezählten Tagen kamen wir in Katmandu an, fielen wie Säcke aus den Türen und Fenstern und bemerkten erst dort, dass wir kein einziges Mal ausgestiegen waren. Glores Knie war zum Beispiel total verwachsen. Heute operiert er im Rollstuhlmilieu.

Unsere Eskorte, kampfbereite einheimische Berufsgenossen, geleitete uns zu einem großen Berg. Bald waren gar keine Häuser und auch keine Menschen mehr zu sehen. Nur eben die 66 bewaffneten Herren, die ab und zu ganz schelmisch grinsten. Jedenfalls empfanden wir das damals so.
Wir dachten schon; „Scheiße, wenn die freundschaftlichen Beziehungen zu Indien während unserer Fahrt gekippt wurden sitzen wir ganz schön in der Patsche.“ Und als wir dann vor einer Felswand standen die spiegelglatt zum Himmel reichte, fingen ein paar an zu schreien. Mir waren meine Kollegen ziemlich peinlich. Klar, ich dachte auch, dass wir nun alle erschossen werden, aber da half auch kein Jammern.

Man wies uns darauf hin, dass wir uns alle in eine Reihe, mit dem Rücken zum Felsen stellen sollten. Dann legten sie an.
66 volle und 66 zugekniffene Augen reichten über Kimme und Korn und trafen uns zuerst. Dann hörte man das Klacken der Abzüge, Hein fiel um (stand ja nur auf einem Bein), alle schrieen und dann schossen aus den Waffen viele kleine Wasserstrahlen und besprangen unsere verwirrten Gesichter.
Jetzt erst wurde mir klar warum die Gesichter der 66 so gezittert hatten. Sie alle hatten versucht ihr Lachen zu unterdrücken und jetzt prusteten sie los.

Und genau in diesem Moment fiel mir Hischaghash Hisarel auf. Er war der einzige, der immer noch wütend schaute und er schwenkte sein Wassergewehr über die Köpfe meiner Leute als würde er Säure vergeben. Erst als er sah, dass ich ihn beobachtete, versuchte er seinen Hass zu verbergen. Sein Gesicht zitterte.

Neugierig musterte ich ihn. Irgendwas stimmte an ihm nicht. Irgendwas war anders und dann wusste ich was es war. Ich ging auf ihn freundlich zu und sagte in Suaheli (Sprache aller Geheimagenten auf der Welt); „Hallo. Das war lustig, aber ich glaube, Sie haben da was im Auge. Ihnen ist wohl ein Knopf hineingeflogen!.“
Als ich den Satz beendet hatte war ich schon bei ihm angelangt und sah nun, dass da gar kein Auge war, wo der Knopf sich befand. Schnell verbesserte ich mich, ich vertraute darauf, dass er schlechter Suaheli konnte als ich; „Hallo. Das war lustig, aber ich glaube, ich wäre gern eine Taube. Dann wäre ich über Ihren Kopf hinweggeflogen“

Und da fing er wie von Sinnen an zu lachen, schlug mir mit seinen dunkelrotbraunen Schaufelhänden die Schultern matschig und schrie immerzu „Ha, Ha und dann hätten sie mich angekackt. Ha, ha.“
Ich lachte mit ohne jetzt wirklich den Humor entdeckt zu haben.

Auf einmal rief einer der Männer irgendwas auf „KeineAhnung“ und da bebte die Erde, der Fels schwank und Heinz, ohnmächtig auf dem Boden, schien einen epileptischen Anfall zu haben.
Mit einem sehr lauten Rascheln fiel dann eine riesige Gardine vor uns in den Staub und dahinter lag dann das Ausbildungszentrum des indischen Geheimdienstes. Eigentlich hätten wir uns das denken können, dass das hier war, aber von der Gardine hatten wir nichts gewusst. Flugzeuge hatten zwar Aufnahmen gemacht auf denen man dieses Zentrum perfekt sehen konnte, aber wir wussten sowieso nicht wo wir waren.
Als die Schutzvorkehrungen und Tarnvorrichtungen erstellt wurden gab es halt noch keine Menschen, die fliegen konnten. Diese geheime und doch nicht geheime Station hat eine sehr lange Geschichte und nun hatte gab es kein Geld um die Einrichtung auch von oben abzuschirmen.

Auch mit dem Berg hatte man uns hinters Licht geführt. Das war nichts als ein riesiges Täuschungsmanöver. Bauern hatten vor unserem Weg eine riesige Pappwand getragen auf der ein Berg in Öl gemalt war. Sie mussten mit jedem Schritt von uns perfekt mithalten. Das Bild durfte nicht ruckeln und ich bewundere die Präzision dieses Volkes.

Hisarel`s Vorgesetzter hatte uns vor der Gardine gesehen. Natürlich grade in dem Moment als wir lachten. Er weil er es wirklich witzig fand und ich weil ich höflich sein wollte. So kam es, dass ich ihm zugeteilt wurde und auch für eine Woche bei seiner Familie wohnen durfte. Erst bei meiner Abreise merkte ich übrigens, dass Frau, Kind, Oma und Hund aus Pappmachee gewesen waren. Noch heute ärgert mich das, weil ich mir ja alle Mühe gegeben habe mit ihnen zu sprechen.

Das Fell des Hundes hat zwar komisch geknistert, aber ich hab ihm geglaubt das der Hund Winterschlaf hält. Was weiß ich auch von indischen „Deutschen Schäferhunden“? Und ich hielt es für ganz normal, dass alle Mitglieder der Familie die Stimme von Hischaghash haben. Einem Mann mit einem Teddyauge traute ich alles zu. Auch dass die Familie sich an seine Stimme anpasst.
Das dies nicht so war, weiß ich nun. Im Büro hab ich dann auch gleich in unser Netzwerk hinter seinen Namen bei Fähigkeiten „Bauchreden“ geschrieben.
Auch hat er sich neben mein Bett auf den Boden gelegt, das kam mir schon komisch vor bei so einer tollen Frau, und mit mir die ganze Nacht gesprochen und philosophiert. Irgendwann um 03:00 Uhr schlief ich dann ein. Beim Aufwachen, ich schlug die Augen auf, bevor der Wecker es tat, sah ich auf dem Boden ein Tonbandgerät das noch immer eine alte Folge von TKKG spielte und einen Besen.
Als die Tür aufging, schloss ich schnell die Augen und konnte dann noch einmal gekünstelt aufwachen und meinen Kollegen begrüßen.

Aber ich mag ihn noch immer. Das waren alles Vorsichtsmaßnahmen seines Staates. Dafür konnte er nichts und er war mit seinem Nasenauge auch sicher das kleinste Zahnrädchen im Geheimdienstapparat Indiens. Nein verübeln kann ich es ihm nicht.
Ich konnte ihm ja auch nicht alles von mir erzählen. Dabei wollt er so schrecklich viel wissen.

„Was war das schönste was Du je erlebt hast, wie wohnst du, hast du Kinder und warum hat Deine Regierung vor 2 Jahren einen codierten Brief an eine Frau in Himmelhaschenkuchenkaihimmelshausen geschickt?“

Er fragte raffiniert. Erst kamen immer ganz normale Fragen, die sofort im Gehirn landeten und im gleichen Zug beantwortet wurden und dann kam für ihn das wichtige.
Wenn man nun schon gleich seinen Mund aufmachte und anfing;

„Meine Geburt, gut, eine Tochter ...“

konnte es damit enden, dass man sehr schnell verriet, was diese Frau zu tätigen hatte. Das ich jetzt verraten habe, dass sie was zu tun hatte bleibt bitte unter uns.

Doch im Fach „Fragenüberfall und Wortterrorismus“ hatte ich gut aufgepasst und so konnte ich gerade diese letzteren Fragen mit einem gekonnten „KeineAhnung“ umgehen. Er war auch gar nicht böse oder so. Ich sah, wie er in seinem Kopf eine imaginäre Liste abhakte und das war es dann. Ich hingegen konnte aus seinen Fragen mehr ziehen als mir lieb war und schrieb die ganze Nacht Berichte.
Übrigens mit einer Miniaturtätowiermaschine auf meine erogenen Zonen. An solchen Stellen, die keiner untersuchen würde. Zuhause wurde dann die Haut mit einem ganz feinen Spachtel abgetragen und in einem Briefmarkenalbum aufbewahrt. Im Hauptgebäude unseres Amtes liegen Tausende Alben. Letztens erfuhr ich, dass sie da jetzt ganz schöne Probleme mit Hautmilben haben. Heute schon sind alle Hauttexte von 1914 – 1930 verloren. Was davor war, fand sein Sein auf Zehnägeln. Die hat man überall dabei und mit einem Splitter aus Stahl, Holz oder Zahn kann man wunderbar kleine Botschaften hineinhacken.
Warum man auf Haut gewechselt ist, ist selbst für mich ein Rätsel.

Für die ganz Neugiereigen möchte ich noch hinzufügen, dass an den Anfängen der Spionageübermittlungswege Knochen standen. Man zog sich als Neandertaler die Fellhaut bis zum Ellenbogen auf und hieb mit zwei Steinen dann Informationen hinein. Dann hieß es nur noch Wunde zuwachsen lassen und man konnte sich mit seiner Information auf den Weg machen. Wohin auch immer.
Für den Fall der Fälle dass man Narbenfragen begegnen sollte hatte man die Antwort parat ein Bär sei einem über den Weg gelaufen. Das war damals ganz normal. Historikern haben nur ein paar Codeknochen gefunden und fragen sich heute ob es auch möglich war, das ein Neandertaler alleine seinen eigenen Knochen bearbeiten konnte.



Die Woche gestaltete sich so, dass ich aufwachte, mit ihm in die Kantine zum Frühstück ging und mir dann die Stationen des Ausbildungszentrums anschauen durfte. Das Areal umfasste 528 Gebäude und nur zu 10 Häusern hatten wir Zutritt.

Also traf ich meine Kollegen immer wieder und ich war froh, dass sie alle noch lebten. Heinz hatte sogar die Pappmascheefrau seines Aufpassers einmal in die Turnhalle mitgenommen und zeigte ihr, wie man mit einem ganzen und einem halben Bein einen doppelten Salto machte. Es wurde jedoch nur eine weitere Ohnmacht.
In der Turnhalle zeigten uns die Inder Griffe und Tricks einen Menschen mit einer Bewegung zu töten. Eine Bewegung war der berühmte Fingerknick mit Gewehrhilfsmittel. Dann gab es da noch einen Tritt in ein Wespennest, der das Gebilde aber auch wirklich auf den Gegner lenken musste und natürlich den sizilianischen Händedruck. Hierzu musste man mit Daumen und Zeigefinger einen bestimmten Punkt gleichzeitig drücken und eh man sich’s versah knickte der zusammen und nie wieder auseinander.
An einem Mittwoch war es, wir wurden alle zusammen getrommelt, da wurden vier Rinder in die Halle gebracht und dann auf Trampolinen zum hüpfen gebracht. Es waren nur zwei Trampoline da.
Nun zeigten die ausländischen Kollegen uns eine Art Trainingsmethode um seine Reflexe und Schnelligkeit zu schulen. Wir sahen uns an, wussten nicht was das jetzt bedeuten sollte und harrten der Dinge.

Eigentlich hab ich nur was an mir vorbeifliegen sehen. Dann kam noch was und noch was und dann traf mich etwas an der Stirn mit einem lauten Platsch. Die Inder sausten umher und fingen mit Eimern was da von den Trampolinen geschleudert wurde. War ein Eimer voll, kippten sie ihn einfach auf dem Boden aus. Wir nicht bewandert im Kuhdungfang schlidderten in unseren Deckversuchen immer wieder aus und fielen ins Braun. In Deutschland angekommen hab ich mich erst mal gewaschen.

Hischaghash Hisarel erzählte mir wenig später, dass man dieses Training jede Woche einmal durchführte und es sogar eine Ehre war von einem Haufen getroffen zu werden. Pflicht war aber ausweichen. Was auch als Befehlsverweigerungstest gesehen wurde. Viele Geheimdienstler verschwanden einfach, wenn sie zu oft getroffen wurden oder sich absichtlich in den Matsch warfen.
Erst am Mittwoch in der Turnhalle, kurz nachdem sie auf das Trampolin gestellt wurden, nahm man ihnen den Analstöpsel heraus und dann arbeitete die Darmmaschinerie und ihr war es egal ob sich der Raum in der sie sich befand hoch- oder runterfiel.

Im Grunde war das eine nette Sache. Doch ich versicherte den Gastgebern, dass man diese Methode in Deutschland nicht aufziehen könne. Das hat niemand verstanden. Ich glaube, sie waren traurig. Wenn ich mich recht daran erinnere, kam es mir so vor, als würde aus Hischaghashs Teddyknopflöchern Tränen sickern.

In einem anderen Gebäuden befand sich eine Bäckerei, die total langweilig war. Es gab immer Hirsebrot und an Sonntagen gab es besonders hartes Brot, weil man daran mehr zu kauen hatte. Als wir die Idee brachten nur ganz kleine Teigklumpen zu Brötchen zu backen durften auch wir dieses Haus nicht mehr betreten.

Sonst gab es nichts. Wir alle waren total enttäuscht und hatten irgendeine Neuerung erwartet, aber man ließ sie uns wahrscheinlich nicht sehen. Das einzig besondere war Hischaghash Hisarel mit seinem Nasenlochauge. Gerne hätten wir ihn mitgenommen und beschäftigt aber er wollte seine Familie nicht verlassen. Mich bat er ganz nebenbei um TKKG-Kassetten und meinte noch ernst zu uns, dass wir das große Gardinengeheimnis nicht verraten sollen. Wir nickten eifrig. Heinz war ohnmächtig und konnte nicht.
Ich stieg gerade ein, da hielt er mich am Arm fest und flüsterte mir ins Ohr. „Der Witz mit der kackenden Taube war sehr schlecht. Ich habe aus Höflichkeit gelacht“.
Dann fuhren wir ab, hatten 12 Mitglieder vergessen, drehten wieder um und dann zurück.
Mit dem Bus mussten wir ein Loch in die Gardine fahren, die Zwölf sprangen und wir sausten los. Auf die Heckscheibe trafen 66 Wasserstrahlen.
Auf der ganzen langen Rückfahrt herrschte eine trübe Stimmung.

Ich frag mich heute noch ob Schnupfen bei ihm Weinen bedeutet.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Noch keine Kommentare.

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Stütze Tagebuch - Inhaltsangabe  
Anna Haller Theaterstück - Inhaltsangabe  
Das Etagenplanetensystem - Inhaltsangabe  
Anmachen - Inhaltsangabe  
Stützes Tagebuch - Inhaltsangabe  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De