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4 Seiten

Hotel Karriere

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Endlich, mein Triumphzug konnte beginnen. Meine Bewerbung auf die interne Stellenausschreibung für den Posten des Expansionsleiters Osteuropa musste ja auf offene Ohren stoßen. Der Personalchef machte es kurz. Unser Präsident wollte mich kennen lernen. Nächste Woche wäre er in München, im Hotel ‚Karriere‘. Dort sollte das Gespräch stattfinden. Der genaue Termin stand noch nicht fest, man hatte mir ein Zimmer für drei Tage gebucht. Näheres sollte ich im Hotel erfahren. Am Montagmorgen erwischte ich gerade noch so den Zug nach München. Am Münchener Bahnhof rief ich mir ein Taxi. Der Fahrer schüttelte genervt den Kopf, die Fahrt dauerte nur eine Minute. Konnte ich ja nicht ahnen. Das Hotel war wirklich eine Wucht. Der Weg vom Eingang bis zur Rezeption war länger, als der vom Bahnhof bis zum Eingang. Auf der linken Seite waren noble Shops angesiedelt. Italienische Klamotten-Designer, Diamanten-Glitzer-Kram und einen Body-Shop beherbergte die riesige Hotelhalle. Ich ging auf tiefem flauschigen Teppich, an den Decken hingen riesige Kronleuchter und an den Wänden prangten die Werke großer Künstler. Hier war ich genau richtig. Und überall hingen große Spiegel, ich betrachtete mich in jedem, ich war einfach sexy. Endlich war ich an der Rezeption und legte meine Reservierungskarte auf den Tresen. Der Typ war ganz aus dem Häuschen, als er den Firmenbeleg sah.
“Ah, der Herr Bremer aus Frankfurt. Wir haben Sie schon erwartet. Ich hoffe, Sie hatten eine gute Reise.” “Klaro, alles Bestens.” Plötzlich schaute mich der Amigo ganz merkwürdig an, betrachtete mich von links und von rechts und beugte sich dann ganz dicht an mein Ohr. “Immer auf Trab, immer unterwegs der Herr Bremer, nicht wahr. Aber keine Panik, für gestresste Manager bietet unser Haus einen Full-Service. Im Untergeschoss finden Sie den Frisör, der bringt das ganz schnell wieder in Ordnung.” Der Strahlemann blinzelte mir verschwörerisch zu. Ich war letzte Woche erst in Heidis Frisier-Stube gewesen und fragte mich, was der bloß wollte. “Dann mache ich mich gleich mal runter, mein Zeitplan ist gerade gnädig mit mir”, flüsterte ich verschwörerisch zurück. Ich kam gerade unten an, da stolzierte mir der Figaro auch schon entgegen. “Ah, unser Notfall, der Herr Bremer. Aber keine Sorge, das bekommen wir schon wieder hin. Nehmen Sie Platz.” Kaum saß ich, da wühlte er mit seinen Händen auch schon in meinen Haaren rum, drückte meinen Kopf unter den Wasserhahn und kämmte dann mit verzweifelten Blick mein Haar erst nach links und dann auf die rechte Seite. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er endlich die rettende Idee hatte. Er zückte seine Schere und schnitt hier was ab und da was ab, fönte auch schon und sagte dann: “Voila, ein Gentlemen wie aus dem Bilderbuch, der Herr Bremer. Was so ein kleiner Haarschnitt doch alles ausmacht.” Ich schaute in den Spiegel und beschloss, das Ergebnis in meinem Zimmer mal genauer zu studieren, mir wollte die Veränderung nicht so recht auffallen.
“Waschen, schneiden, fönen. Das macht dann 69 Euro.” Ich schluckte und wollte ihm schon an die Gurgel gehen, dem Halsabschneider. Dann fiel mir ein, wo ich war. An etwas Luxus würde ich mich in meiner neuen Position bestimmt schnell gewöhnen. Ich drückte dem schleimig grinsenden Figaro einen Hunderter in die Hand. “Geben Sie mal auf 80 raus, das haben Sie sich redlich verdient.” Er schnappte sich mein Geld und flüsterte mir dabei genauso verschwörerisch zu, wie zuvor der Kerl an der Rezeption. “Ihr Anzug hat auf den vielen Reisen wohl etwas gelitten. Den tun Sie besser zur Altkleider-Sammlung. Der Herr Seidler aus dem Herren-Shop, der hilft Ihnen da ganz schnell und diskret weiter.” Etwas verwirrt ging ich wieder nach oben, den Anzug hatte ich mir erst am Samstag für diese Gelegenheit gekauft. Die hatten hier wohl einen geübten Blick, da wollte ich mal nix falsch machen und ging schnurstracks in den italienischen Klamotten-Designer-Shop. Der alte Knabe schaute mich ganz mitleidig an, musterte meinen nagelneuen Anzug und schüttelte traurig den Kopf.
“Sie müssen der Herr Bremer sein. Da finden wir schon was passendes, machen Sie sich mal keine Sorgen.” Bevor ich dieses Hotel betrat, hatte ich ja keine Ahnung, was ich alles für Sorgen hatte. Der Schneidermeister maß mich aus von Kopf bis Fuß, seufzte dabei, als wäre meine Figur etwas einmaliges auf der Welt und zauberte dann einen dunkelblauen Zweireiher hervor. Ich zwängte mich in den vornehmen Zwirn und war doch etwas überrascht, als ich mich im Spiegel bewunderte. Der machte schon was her, der edle Stoff. Ich drehte und wendete mich vor meinem Spiegelbild, der alte Knabe kniete vor mir und fummelte noch an den Hosenbeinen rum. Im Spiegel bemerkte ich seinen düpierten Gesichtsausdruck, als er auf meine Socken starrte. Ich sah in fragend an, da kam er hoch und das verschwörerische Flüstern ging schon wieder los.
“In unserem Body-Shop gibt es ausgezeichnete Mittelchen. Die vertreiben den Fußgeruch im Nu. Da haben wir Männer ja so unsere Last. Aber keine Sorge, da findet sich schon ein rettendes Wässerchen.” Die Sorge hatte ich auch vorher schon, das konnte ich nicht abstreiten. Also nickte ich dem Knaben zu und ließ ihn gleich noch ein paar weiße Hemden und einen Satz Krawatten zum Anzug einpacken.
“Das macht dann 1450 Euro.” Er sagte das, als wäre es ihm peinlich, mir so billiges Zeug verkauft zu haben. “Das ist ja kein Geld für so einen feinen Zwirn.” Ich legte noch einen Fünfziger drauf, für die gute Beratung. Jetzt konnte eigentlich nichts mehr schiefen gehen. Vor dem Body-Shop betrachtete ich mir ganz unbekümmert das Schaufenster, wollte dann aber lieber auf mein Zimmer. Doch da kam die Dame schon aus ihrem Laden. “Ja, Herr Bremer, kommen Sie doch rein. Für ihr kleines Problemchen habe ich genau das Richtige.” Ich fragte mich, ob auf meiner Stirn was von ‚Hilfe Fußgeruch‘ stand und blickte empört zu dem alten Schneidermeister rüber. Der winkte mir auch noch frech zu. Die Mutti aus dem Laden hielt mir eine ganze Kollektion von Riechsalzen, Fuß-Bädern, Salben und Deos vor die Nase. Zu allem Unglück kam jetzt auch noch so ein schnuckeliges blondes Weibchen in den Laden. “Packen Sie das mal alles ein”, sagte ich schnell. “Ach wenn bloß alle Männer so Körperbewusst wären”, seufzte sie. “Das macht dann 180 Euro, Herr Bremer.” Ich gab ihr 200 und machte mich aus dem Staub, bevor die auch noch mit diesem verschwörerischen Flüstern anfing. Mein Weg führte mich direkt an die Bar, ein kühles Bier tat Not. Kurz darauf setzte sich auch die blonde Schnecke aus dem Body-Shop an die Bar. Die wäre genau meine Kragenweite, dachte ich mir und der Barkeeper schien meine Gedanken erraten zu haben. Er beugte sich zu mir und flüsterte mir verschwörerisch ins Ohr.
“Die Dame trinkt am liebsten Champagner, unsere Hausmarke.” “Na dann bieten Sie dem Schneckchen mal ein Gläschen Schampus an.” Die Blonde schien ganz entzückt und ich musste mal dringend zum Klo. Als ich wieder kam, war der blonde Feger verschwunden, dafür saß ein alter Sack neben meinem Platz und quatschte mich an. “Guten Tag Herr Bremer. Endlich lerne ich Sie kennen. Meine Name ist Fraser, ich bin der Präsident der Firma. Mir gehört übrigens auch dieses Hotel. Ihre Bewerbung klang sehr überzeugend. Aber nachdem ich hier beobachten konnte, wie leicht Sie zu beeinflussen sind, kann ich Sie leider nicht für so eine verantwortliche Position in Betracht ziehen.”
 
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Kommentare  

Sehr guter Schluss, der den duldsamen Leser belohnt, der sich bis hierher, durch den öden und trägen Teil der Erzählung, gekämpft hat.

Wichnter (10.01.2005)

Okay, der Schluss entschädigt dann doch für Vieles ...

DL (27.12.2004)

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