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Das Märchen vom Schweriner Zoo

Fantastisches · Kurzgeschichten
Am Rand von Schwerin befand sich im Jahre 1810 eine kleine Ansiedlung. Sie lag direkt an einem Ausläufer des Schweriner Sees, inmitten von Wäldern und fruchtbaren Ackergründen. Mehrheitlich waren die meisten Menschen dort Holzverarbeiter. Sie waren es auch die für des Ulmenholzzimmer des Schweriner Schlosses den nötigen Baustoff lieferten. Dieses achte Weltwunder kann man heute leider nicht mehr bestaunen. Nach dem ersten Weltkrieg raubten somalische, versprengte Truppen diese Kostbarkeit. Niemand weiß, wo es jetzt verrottet.
In Schwerin waren diese Handwerker hoch angesehen. Es hatte einen guten Klang, wenn man sagte, man komme da zwischen den zwei Seen beim Walde her. An den schwieligen, jedoch geschickten Händen konnte man sie ohne viel Gerede erkennen. Glücklich konnte man sich nennen wenn man so einen Menschen zum Freund zu haben.
Unter ihnen waren die kräftigsten Männer der gesamten Umgebung. Große, prächtige Muskelarme die Bäume samt Wurzeln aus der Erde ziehen.
Das kleine Dorf war dem Ansehen entsprechend reich. Jedes Mitglied hatte einen vollen Kornspeicher und die Häuser waren stets ordentlich gedeckt. Kurz, niemand musste Not leiden.

Das ging so auch ganz gut. Jahrhunderte und Jahrzehnte lang. Bis die Ratten kamen. Schon immer gab es natürlich welche. Man bekämpfte sie mit den vorhandenen Hilfsmitteln und es hielt sich immer ein natürliches Gleichgewicht. Im November 1810 aber änderte sich diese Waagschale zu lasten der Dorfbewohner. Der Winter war so streng, dass selbst die Ratten aus der Stadt ins Dorf kamen. Es mag ihr Korninstinkt gewesen sein oder eine zusammenhängende Zufallskette. Es nahm überhand. Die Speicher wurden leerer und leerer und am Ende fielen die abertausenden Ratten gar die kleinen Kinder an. Bis in den nächsten Sommer währte dieser Zustand. Schwerin öffnete seine Pforten und bat, nicht ohne Hintergedanken, darum, dass sie doch in die Stadt ziehen sollten.
Schweren Herzens räumte man den Ort, nahm alle Kostbarkeiten mit und zog von den schönen Häusern in klitzekleine Wohnungen. Sie schworen sich irgendwann wieder in ihr

Die Arbeiter ritten nun jeden Tag zu ihren Holzlagern und sahen das alte Dorf an sich vorbeihuschen. Aus den Augenwinkeln erblickten sie dicke, hässliche Ratten. Mit riesigen Zähnen.
Die starken Männer konnten keinen schritt in ihre Höfe setzen. Wenn sie es versuchten kamen sie geschunden und zerbissen wieder in die Stadt. Es halfen keine Fallen, denn die Ratten waren schlauer als gewöhnliche Ratten und auch Feuer konnte sie nicht verschrecken. Für diese Erkenntnis hatte man ein Haus in Schutt und Asche gelegt.

In den darauffolgenden Jahren sammelte man Katzen. Dies schien allen am angebrachtesten. Natürliche Feinde gegen diese Plage zu entsenden und so geschah es. Am 09.03.1815 ließ man vor den Toren der Stadt 12 178 hungrige Katzen los. Sie stürzten sich nahezu wie Blitze auf die Winkel, Nischen und Keller des Dorfes. Man gab ihnen Zeit.
Nach etwa 10 Tagen schickte man einen Späher in das Dorf. Als dieser nicht zurückkehrte nahm man an, dass alles OK sei, er sich schon wieder eingerichtet habe und sein Haus rattenkotfrei putze.
Die Familien mieteten sich Kutschen an, zogen Bollerwagen voll Möbel hinter sich her und bildeten so eine riesige Schlange. Dann gab es einen Stau.
Die hinten warteten ab, die in der Mitte wunderten sich und die ganz vorne wurden von den wilden Katzen besprungen und konnten nur mit viel Mühe flüchten. Manche schafften es nicht. Alarmiert von den Vorderen zerstob die Masse und alle begaben sich wieder nach Schwerin.

Am 17.05.1815 transportierte man unzählige Hunde in riesigen Käfigen in die Nähe der Ansiedlung. Blutrünstige Biester die aber allesamt Herrchen hatten und ihnen treu ergeben waren. So war die Gefahr gebannt, dass später dann die Hunde sich gegen ihre Entsender wenden könnten.

Man gab wieder 10 Tage Zeit. Dieses Mal schickte man die Herrchen ins Dorf. Nun war es aber sehr schwierig jeweiligen Hund mit dem dazugehörigen Herrchen zusammenzuführen und noch blöder, wenn Zuführer der Zufall war. Es gelang nicht im geringsten. Fremder Hund zerfleischte fremdes Herrchen und so fand keiner seinen Hund und der ort befand sich nun im Hundebesitz. Längst waren jedoch auch die Katzen nicht sämtlich fort und die Ratten hatten unzugängliche Verstecke gefunden aus denen sie kamen, wenn alles schlief.

Die weitere Zeit brachte folgende Maßnahmen.

25.08.1815

Der stattliche Holzhandwerker Jürgen Stettel lässt aus dem fernen Afrika zwei Nashörner bringen. Sie sollen alle Tiere übertrampeln und so ein Gleichgewicht wieder herstellen.

05.09.1815

Nashörner trampeln nichts nieder. Vertragen sich prima mit Hunden und den Ziegen.

05.11.1815

Endlich. Man hat ein paar Bären in Russland gefangen. Jetzt muss es ja klappen. Bären sind brutale Fleischfresser und lieber gegen drei Bären in die Schlacht ziehen als gegen hunderte Hunde.

Ergebnis: keines.

Man trieb es auf die Spitze und konnte es auch nicht lassen. Man bekämpfte Feuer mit Benzin. Am Ende befanden sich im Dorf. Nashörner, Hunde, Katzen, Erdmännchen (sie sollten eigenständig Fallen graben), Flamingos (das war die Idee eines der Dorftrottel), Pinguine (die Idee eines anderen Dorftrottels der glaubte, dass Pinguine durch ihren Atem alle um sich in Eis verwandeln können), Löwen, Tiger, Eisbären (zur Bekämpfung der Braunbären) und allerlei anderes Getier. Als letzten Versuch hatte man sogar Giftschlangen mit einer Kanone über dem Gebiet abgeschossen. Die Spinnen hätte ich jetzt fast vergessen.

Langsam gewöhnten sich die Leute von der Siedlung an das Stadtleben. Es gab hier fließend Wasser und man konnte kaufen was man nur wollte. Auch gingen bald die Holzfachleute ganz anderen Berufen nach. Wurden Apotheker oder Steuereintreiber.
So fiel die Endentscheidung einigermaßen leicht.
Der Entschluss der im Jahre 1835 gefasst wurde, veranlasste die Metallhandwerker der Umgebung einen riesigen Zaun um die Ortschaft zu ziehen. So, dass die Tiere sich nicht noch in die Stadt ausbreiten könnten. So gaben die Dorfbewohner mit einer Prise Wehmut ihre alte Heimat vollständig auf.
In den darauffolgenden Jahren legte man einen vergitterten Weg durch die Ansiedlung. Dabei starben 28 Menschen und doch lohnte es sich. Die Eltern konnten ihren Kindern zeigen, wo sie denn mal gewohnt hatten und dabei stellte sich auf einmal heraus, dass sie sich viel mehr für die ganzen Tiere interessierten. Immer wieder und wieder wollten sie hin und durch den Gang gehen. Dabei fragten sie, was denn das für ein Tier sei und was es fresse usw..

Dann kamen auch die ersten Städter und waren hin und weg.

Heute nennt man das alte Dorf Zoo. Die Hütten der damaligen Bewohner sind längst verrottet. Niemand hielt sie instand und man hat es einigermaßen gut geschafft, die Tiere voneinander abzusondern.
Dies war von Nöten weil dieses tiereschauen irgendwann richtig Geld brachte und man dafür Sorgen musste, dass auch immer genügend Biester da sind zum Schauen. Wenn die sich gegenseitig fressen würden schrumpfen die Bestände ja, erkannte man früh genug.

Und noch heute ziehen Eltern mit ihren Kindern durch die nun größeren und breiteren Gängen und zeigen Ihnen die Orte wo ihre Vorfahren mal gelebt haben.

„Guck hier, da wo der Wolf gerade von links nach rechts läuft stand mal der Schuppen vom Ururgroßvater“
 
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