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Die Befreierin

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Ist kein gutes Haar an ihr? Ich möchte es finden, aber es macht mir zuviel Mühe. Ursel sieht sympathisch aus, eine stattliche Frau, vierzig Jahre, in der Reife, wirkt sogar zeitweilig intelligent, mit katzengrünen Augen und einer etwas zu großen Nase, langen kornblonden Haaren, alle Türen ständen ihr offen – wenn sie diese nicht immer selbst öffnen würde.

Zugegeben, ihre Jugend war nicht nelkig, rosig oder lilieg. Eher kaktushaft. Die Mutter, alleinstehend, starb, als sie noch ein Kind war, die Oma wird Vormund und versorgt die Ursel allzu liebevoll. Sie dankt es der alten Dame aber nicht, schwänzt die Schule, bricht in Fischläden ein um Fische zu befreien, man wird mit ihr nicht fertig, sie kommt in ein Kinderheim.

Auch hier stiehlt sie sich davon und befreit Hühner und Gänse von Bauernhöfen im Umland. Nun kommt sie vor das Jugendgericht, es kommt zu einer Verurteilung in ein Jugengefängnis.

Am 12.10.2003 wird sie nach Bobitz, ihrer Heimatstadt, entlassen. Und so fängt ihr Leben als Erwachsener an.

Die Großmutter und ein paar Onkel helfen ihr bei der Einrichtung der Wohnung, die Möbel erbt sie von ihrer Mutter. Sie findet sogar einen Arbeitsplatz. In einer Drogerie verkauft sie allerlei Kosmetika. Da ihr bald auffällt, dass die Kosmetika an Tieren getestet wurde, wird die sympathische Ursel griesgrämig und rät ihren Kunden vom Kauf ab.
Nun folgen Ermahnungen, Verweise, strenge Verweise.

Die Kollegen reden auf sie ein, die Verwandten versuchen einzuwirken, aber die Saat geht nicht auf.

Sie will weg aus der Drogerie. Sie kündigt.

Ursel sagt vor Gericht, sie habe etwas gegen Misshandlungen gegen Lebewesen. Und sie könne nicht alles verantworten, was um sie geschieht. Sie sagt, dass jeder Mensch, der in der Lage ist Leid zu verhindern, auch einzugreifen hat. Das muss so.
Sie bricht weiter in landwirtschaftliche Objekte ein und befreit allerlei Getier. Vor nichts macht sie halt.

Bei einem Bauern befreit sie 200 000 Bienen, die daraufhin wieder zu ihren Kästen zurückkehren.

Von einem anderen Bauern kennt sie die Gewohnheit, dass er beim Melken gerne Fußtritte an die Kühe verteilt. Den Betrieb öffnet sie nachts mit einer Kneifzange, aber dann merkt sie, dass der Bauer noch da ist. Schnell treibt sie ein paar Kälber ins Freie.

Das schlimmste für den Bauern aber war, dass sie das Schloss aufgekniffen hätte, es war doch gar nicht geschlossen, war neu und blitzte wie aus Chrom. Seit diesem Tag sei es nicht mehr zu gebrauchen. Und die Kälber konnte er wieder einfangen und sowieso kuschele er nur mit ihnen und habe sie noch niemals getreten.

Sie befreit auch in Wohnungen von Bekannten und Verwandten. Bei einer guten Freundin steigt sie durch eine zerbrochene Fensterscheibe ein, Goldfische und Scheibenknutscher sind hier seine Befreiungsbeute. Die Freundin vermisst auch ein paar Kellerasseln im Keller, aber Ursel leugnet, sie genommen zu haben.

Ihre Spezialität ist es, in Tiergärten exotische Tiere freizulassen. Aus einem Zoo hat sie einen teuren Orang Utan gelassen, der daraufhin auf der Autobahn von einem Laster überrollt wurde.

Doch das völlig unverständliche, alles andere kann man noch als übertriebene Tierliebe einstufen, war die Sache mit dem Hochhaus.
Vor Gericht sagt Ursel dazu; „Hochhäuser sind Legebatterien für Menschen“.

Und so hat sie zwanzig Hochhäuser menschenleer geräumt. Nach ihren Angaben haben sich die Menschen gewehrt. Sie hatte aber damit gerechnet und vorsorglich ein Luftgewehr mitgenommen.

„Manchmal muss man Lebewesen zu ihrem Glück zwingen.“

Die Strafe: ein Jahr und sechs Monate Freiheitsentzug und nach Verbüßung nie wieder ein Bauernhofbesuch.

Wenn sie dann wieder Tiere oder Menschen befreit, gilt es als schweres Verbrechen, dann ist sie rückfällig und dann ist die Mindeststrafe über zwei Jahre anzusiedeln.
 
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